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4. Oktober 2006 (LEG NRW)

Vor dem drohenden Verkauf der LEG und Ruhr-Lippe: Scharnhorst-Ost im Wandel

Die Großsiedlung Scharnhorst-Ost im Dortmunder Nordosten war einmal der neuste Stand des Wohnungsbaus und letzter Befreiungsschlag gegen die Nachkriegs-Wohnungsnot. Wenn die LEG und Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft verkauft werden, könnten statt der ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen internationale Anlagefonds maßgeblichen Einfluss auf die mehr als 5.000 Wohnungen bekommen.

Wer in diesen Wochen durch Scharnhorst-Ost geht, sieht viele eingerüstete oder bereits farblich neu gestaltete Häuser und große Hinweisschilder auf Vermietungs- und Verkaufsbüros. Es wird im laufenden Jahr 2006 mehr Wohnraum erneuert als in allen Jahren seit der Fertigstellung der einstigen Trabantenstadt im Jahr 1975 zusammen. Die städtische Dogewo „frischt“ gleich alle 328 Wohnungen in 27 Häusern auf. Die landeseigene LEG hat gerade die Modernisierung von 19 Häusern mit 124 Wohnungen mit einem Sommerfest abgeschlossen. Und das Tochterunternehmen Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft startet im Oktober die Arbeiten an ca. 70 Häusern.

Den Löwenanteil der Investitionen machen dabei Wärmedämm-maßnahmen an den Außenfassaden und Keller- und Dachgeschossen sowie Fensteraustausch aus. Für Dogewo-Geschäftsführer Klaus Graniki leistet sein Unternehmen damit „einen weiteren, deutlichen Beitrag zur Entwicklung und Imageverbesserung dieses Standorts.“
(WR vom 27.07.06).

Dortmund-Scharnhorst ist ein junger Stadtteil. Er entstand 1918 im Zuge von Eingemeindungen. Der Name ist von der Zeche Scharnhorst abgeleitet, die ab 1871 abgeteuft wurde und bis 1975 in Betrieb war. Zur Unterbringung der Bergleute entstanden ab 1889 im Umfeld mehrere Zechensiedlungen. Die Bevölkerung wuchs auf 5.678 Personen im Jahr 1939. In den Jahren nach dem Krieg wurde mit Mitteln des Marshall-Plans die MSA-Siedlung errichtet. Ab 1954 wurden die ersten von insgesamt 800 Eigenheimen und 521 Mietwohnungen bezogen. Die Einwohnerzahl stieg auf über 11.000. Aufgrund der großen Wohnungsnot wurde ab 1965 auf dem Gelände östlich der Flughafenstraße eine neue Großsiedlung aus dem Boden gestampft, die als Scharnhorst-Ost (auch Neu-Scharnhorst) bezeichnet wird.

Acht Wohnungsgesellschaften, die zu diesem Zweck unter Federführung der Neuen Heimat die „Trägergemeinschaft Dortmund-Scharnhorst“ gründeten, errichteten die vier- bis achtgeschossigen Gebäude mit über 5.000 Wohnungen für ca. 17.000 Menschen. Über 90 Prozent der Wohnungen wurden im Sozialen Wohnungsbau gefördert. Seit 1975 befinden sich hier auch die Bezirksvertretung Scharnhorst und die Bezirksverwaltungsstelle. Das Zechen- und Stahlwerkssterben stoppte den rasanten Aufschwung abrupt. Das Image der einstigen Vorzeigesiedlung sank durch die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit und den hohen

Anteil an Sozialhilfe- und Wohngeldempfängern bedrohlich. Die Diskussion um Härteausgleich (Nachsub-ventionierung der Sozialwohnungen) und Fehlbelegerabgabe beschädigten auch den Ruf der bis dahin als modern und familienfreundlich geltenden Wohnungen. Der Leerstand ist mit knapp 4 Prozent doppelt so hoch als der Stadtdurchschnitt.

Mieterbeiratssprecher Werner Koch sieht die Millioneninvestitionen mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Einerseits handeln die Woh-nungsunternehmen endlich gegen die wachsenden Leerstände, andererseits sind wir als Mieterbeiräte für immer weniger Wohnungen zuständig.“ Die andere Medaillenseite der Bestandserneuerung wird gerade in Scharnhorst-Ost sichtbar. Noch zu Beginn der 90er Jahre konnten die öffentlichen Wohnungsunternehmen kräftig wachsen. Als die Neue Heimat, mit 1.670 Wohneinheiten die zweitgrößte Vermieterin in Scharnhorst-Ost, zusammenbrach, wurde 1988 aus der Neue Heimat NRW durch Kapitalaufstockung die LEG Wohnen. Und nachdem die Kohl-Regierung 1992 die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft hatte und sich die Veba Wohnstätten (später Viterra AG und Deutsche Annington) aus Scharnhorst-Ost verabschiedete, kaufte die expandierende Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft 1993 kurzer-hand die 1.436 zu ihren 368 Wohnungen hinzu.
Heute müssen diese Wohnungsunternehmen mangels Eigenkapital ihre Investitionen aus Wohnungsverkäufen finanzieren.

• Die LEG startete 1999 noch unter der rot-grünen Landesregierung ein ehrgeiziges Modernisierungs-programm mit einem Gesamtvolumen von 550 Mio. DM, das durch den Verkauf von 15.000 Wohnungen finanziert werden soll. Davon sind bereits 8.000 Wohnungen verkauft worden. In Scharnhorst-Ost führte das Programm zum Verkauf von 244 Wohnungen im Jahr 2005 an die Unternehmensgruppe Baum in Hannover. Diese hat den Bestand zum 1. Juli 2006 an eine „Hanseatic Administration“ in Hildesheim weiterverkauft. Ein Bestand von 172 Wohnungen wird nach bestandsverbessernden Maßnahmen zum Mieterkauf angeboten. Von denen sind bisher 23 verkauft worden und für weitere 27 Wohnungen wurde Kaufinteresse bekundet.

• Die Ruhr-Lippe verkaufte 484 ehemalige Veba-Wohnungen zum 01.05.06 an die Firma Schaumann Tyskland 1 GmbH und Co KG in Sonthofen. Erfahrungen im Vermietungsgeschäft sind auch hier nicht bekannt. Der Verwaltungsauftrag bleibt aber jeweils bei den verkaufenden Unternehmen, so dass diese zumindest kein Personal abbauen müssen. Für LEG und Ruhr-Lippe könnten diese Anstrengungen aber zu spät kommen, da es erklärtes Ziel der Landesregierung ist, die landeseigenen Wohnungen zu verkaufen. In Düsseldorf wird aufgrund entspannter Wohnungsmärkte kein Bedarf für das Engagement des Staates bei der Wohnungsbewirtschaftung mehr gesehen.

• Die Dogewo hat zwar den Rückhalt des Rates der Stadt Dortmund, musste aber auch erst durch den Verkauf von zehn Prozent ihres Gesamtbestandes an anderer Stelle (u.a. einige Problembestände wie den Hannibal in Dorstfeld) die Vorraussetzungen für ihre Modernisie-rungsanstrengungen schaffen.

In der Minderheit

Ungebrochen ist lediglich noch die Bereitschaft der Wohnungsgesellschaften, die Sozial- und Beschäftigungsprogramme in Scharnhorst-Ost mitzutragen. Diese wurden 1989 durch im Stadtteil ansässige Initiativen ins Leben gerufen. Die Dogewo, die LEG und Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft, die Genossenschaft Spar- und Bauverein sowie die Gagfah (Essen) beteiligten sich aktiv an den Programmen, die 1999 in das Bund-Länder-Programm „Die soziale Stadt“ übergingen und bis 2008 gesichert sind. Bis dahin dürften aber die Dogewo und der Spar- und Bauverein (214 Wohnungen in Scharnhorst-Ost) gegenüber den privatwirtschaftlichen Wohnungsanbietern klar in der Minderheit sein. Die fortlaufend erneuerten 640 Wohnungen der Gagfah (Essen) wurden zur Stabilisierung des Rentenbeitrags 2004 von der BfA an die amerikanische Fortress verkauft und werden voraussichtlich schon kommenden Oktober an die Börse gebracht. Für den Kauf der LEG- und Ruhr-Lippe-Wohnungen gelten die angloamerikanischen Finanzfonds Annington und Fortress als klare Favoriten. Richtig spürbar wird der Umbruch voraussichtlich erst nach 2010, wenn der Großteil des Wohnungsbestandes aus der Sozialbindung gelaufen sein wird.

In Scharnhorst-Ost beteiligen sich die Mieterbeiräte der LEG und Ruhr-Lippe Wohnungsgesellschaft intensiv an der Unterschriftensammlung für die Volksinitiative „Sichere Wohnungen und Arbeitsplätze“. Bei Stadtteilfesten und von Tür zu Tür werden wohl 2.000 Unterschriften zusammenkommen. Für Werner Koch ist die Unterstützung selbstverständlich: „Wenn wir zum Gelingen beitragen können, würde das auch unserem Stadtteil zugute kommen.“


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