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13. Juni 2008 (Land NRW)

Interview mit Hans-Peter Neuhaus: Die Fördermittel sind nicht das Problem

Nicht alle Akteure in der NRW-Wohnungspolitik singen das Loblied der Pestel-Studie und der Initiative für die Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus. Hans-Peter Neuhaus hat eine ganze Reihe Haare in der Suppe gefunden. MieterForum sprach mit dem Leiter des Dortmunder Wohnungsamtes und Vorsitzenden des Arbeitskreises Wohnungswesen beim Städtetag NRW:

MieterForum: Sie waren "not amused", als Sie in der Zeitung von der Initiative gelesen haben. Warum?

Neuhaus: Das hat mehrere Gründe. Zunächst irritiert mich, dass man das Pestel-Gutachten jetzt wie eine Monstranz über alle wohnungspolitischen Debatten stellt. Beim Städtetag sind wir der Ansicht, dass die Studie eine Scheingenauigkeit mit konkreten Zahlen vorgibt, die aus Annahmen abgeleitet werden, deren Fakten weder begründet noch nachgewiesen sind. Die Aussagen zu den Entwicklungen in den verschiedenen Wohnungsmarktregionen sind in der Tendenz sicher richtig, aber das Herunterbrechen auf die einzelnen Kreise und kreisfreien Städte ist teilweise völlig willkürlich.

MieterForum: Können Sie das belegen?

Neuhaus: Natürlich! Das Gutachten basiert auf der LDS-Bevölkerungsprognose von 2005. Die sagte vorher, dass Dortmund bis heute bereits um 6300 Einwohner hätte schrumpfen müssen. Tatsächlich haben wir aber nur 1800 Einwohner verloren.

MieterForum: Aber Prognosen verlängern doch immer nur gegenwärtige Trends in die Zukunft.

Neuhaus: Eben. Das Gutachten unterstellt, dass das Nachfrageverhalten nach Wohnraum in den nächsten 20 Jahren genauso bleibt, wie es in der Vergangenheit war. Es geht mit keinem Satz auf unterschiedliche Szenarien ein, die durch unterschiedliche Entwicklungen der Arbeitsmärkte und der Einkommen verursacht werden können. Das sind aber Faktoren, die die Wohnungsnachfrage in den einzelnen Regionen maßgeblich beeinflussen.

MieterForum: Heißt das, dass das Gutachten schlampig gemacht ist?

Neuhaus: Nein, das ist kein Vorwurf an den Gutachter, denn das war gar nicht der Auftrag der Landesregierung. Es sollten die verschiedenen Wohnungsmarktregionen gekennzeichnet werden, und das ist auch zutreffend geschehen. Wir sind beim Städtetag durchaus froh, dass es das Gutachten gibt. Aber ich warne davor, mit Zahlen zu hantieren, die in solcher Detailliertheit als Schlussfolgerungen gar nicht abgeleitet werden können. Da sind die Initiatoren ziemlich blauäugig - jeder aus anderen, völlig legitimen Interessen.

MieterForum: Sie halten die Schlussfolgerungen also für falsch?

Neuhaus: Zum großen Teil. Zum Beispiel kann der Soziale Wohnungsbau die Probleme in den Mangelregionen gar nicht lösen. Dazu ist viel zu wenig Geld da. Wenn man in Köln beispielsweise 2000 Wohneinheiten fördert, verbessert das das Angebot in dieser Stadt nur im Promille-Bereich. Es stimmt auch nicht, dass die Mittel, die für den Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen, zu knapp sind - weder, was den Gesamtbetrag noch was die Förderhöhe angeht.

MieterForum: Trotz der hohen Baukosten und Grundstückspreise?

Neuhaus: Die Initiative nennt sieben Städte, in denen besonderer Bedarf besteht: Köln, Düsseldorf, Bonn, Aachen, Leverkusen, Bielefeld und Münster. Alle Amtsleiter dieser Städte sagen in unserem Arbeitskreis, dass ihnen noch kein Investor abgesprungen ist, weil die Förderhöhe zu gering ist. Das sind ja auch Städte der Mietenstufen 5 und 6, in denen die Förderhöhe schon jetzt 35 % höher liegt als in der Mietenstufe 3, die wir hier im Regelfall im Ruhrgebiet haben.

MieterForum: Viele Städte müssen Fördermittel an die Landesregierung zurückgeben, weil sie nicht von Investoren abgerufen werden. Woran liegt das denn dann?

Neuhaus: Ja, sogar Düsseldorf hat 12 Millionen zurückgegeben. Das Problem liegt häufig in der Grundstückspolitik der Städte selber. Und Investoren stört eher die Mietpreis- und Belegungsbindung als die Förderhöhe.

MieterForum: Würde sich das nicht durch eine Anhebung der Einkommensgrenzen verbessern?

Neuhaus: Das ist auch so eine Forderung, die ich nicht nachvollziehen kann. Schon jetzt liegt das vergleichbare Bruttoeinkommen für einen Angestellten oder Arbeiter im Typ B bei 32.610 Euro. Wenn man das - wie gefordert - um 80 % erhöht, könnte er 41.675 Euro brutto im Jahr verdienen und immer noch eine Sozialwohnung beziehen. Damit gibt man den Investoren die Möglichkeit, die Mittelschicht zu versorgen. Das tun die sicher gerne, aber es geht zu Lasten der Klientel, für die man sich angeblich einsetzt - die wirklich Einkommensschwachen.

MieterForum: Die Initiative stellt noch eine Reihe weiterer Forderungen auf ...

Neuhaus: ... die ich genauso zweifelhaft finde. Nehmen Sie die Erhöhung der Abschreibung auf fünf Prozent. Damit wären alle Investitionen komplett nach nur 20 Jahren abgeschrieben. Da-durch wird die Wohnung aber natürlich noch mehr zur Handelsware, weil der Anreiz steigt, nach der Abschreibung weiterzuverkaufen.
Oder nehmen Sie die Forderung "Reduzierung der Förderung in Regionen, in denen keine wachsende Nachfrage zu erwarten ist". Das beträfe dann ja uns im Ruhrgebiet. In Dortmund sind aber 2007 schon nur 71 Wohneinheiten gefördert worden, in Bochum 40 und in Essen gerade mal 26. Und das waren alles besondere Programme für ganz bestimmte Zielgruppen (junge Familien, ältere Menschen). Wenn diese Mittel auch noch wegfielen, würde das für viele Ruhrgebietsstädte zu weiteren Bevölkerungsverlusten führen.

MieterForum: Herr Neuhaus, wir danken für das Gespräch!


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