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8. September 2009 (Bundespolitik)

Medien entdecken Vermietnomaden

Viel war in den Medien in den letzten Jahren von "Mietnomaden" die Rede, dem angeblich weit verbreiteten Phänomen von MieterInnen, die kurz nach Einzug ihre Zahlungs-Pflichten nicht erfüllen und es auf eine Kündigung ankommen lassen. Dass das größere Problem Vermietungsgesellschaften sind, die ihre Pflichten nicht erfüllen und nach kurzer Zeit weiterziehen, hat vor allem Mieterforum Ruhr immer wieder betont. Inzwischen haben auch die großen Medien dieses Problem erkannt. Zu "Vermietnomaden" wurde in den letzten Wochen und Monaten ausgiebig informiert und kommentiert.

Vor allem die Lokal- und Regionalpresse im Ruhrgebiet ist voll von Berichten über Mieterbeschwerden bei der Deutschen Annington, die LEG-Skandale und die Zustände in den Wohnungsbeständen "kleiner Heuschrecken".

Bemerkenswert zum Beispiel dieser Kommentar von Gerald Nill in der WAZ vom 24.06.2009:

Annington schließt Niederlassungen vor Ort : Vermiet-Nomaden
"Vorgestern Veba, gestern Viterra, heute Annington - und morgen? Eines steht schon bei dieser Aufzählung fest: Der Mietwohnungsmarkt befindet sich in einer Abwärtsspirale - zu Ungunsten der Mieter.
Dabei dürfte die Entwicklungen niemanden mehr wundern. Längst haben sich die "Heuschrecken" entlarvt, die übers Land ziehen und alles an sich reißen, was nach Rendite riecht.
Siedlungen mit Tradition aus industriellen Zeiten, zum Wohle der Beschäftigten gebaut, werden nur noch als Anlageobjekte gesehen, die wie eine Zitrone ausgepresst werden. Mieten rauf, Service runter. Vertretungen vor Ort weg, damit nur ja keiner auf die Idee kommt, Mängel anzugeben.
Diese Mieter - und es werden als nächste die ehemaligen LEG-Mieter hinzukommen - sind zu bedauern. Ihre Ansprechpartner sind am Ende der Abwärtsspirale nur noch Briefkastenfirmen, hinter denen sich Hedgefonds verstecken. Die Wünsche und Bedürfnisse der Mieter interessieren dann keinen mehr.
Es geht aber auch anders. Das zeigen aktuell zum Beispiel Dogewo und der Spar- und Bauverein. Sie erhöhen sogar ihre Serviceangebote für immer ältere Mieter. Es gibt Ansprechpartner rund um die Uhr, Hausmeister, Betreuungsangebote und manches mehr. Kein Wunder, dass die Anfragen hier von Tag zu Tag zunehmen."

WDR 5: Heuschrecken hinterlassen Spuren
Am 10.7. gab es auf WDR 5 ein großes Hintergrund-Feature zur den Folgen der Private Equity Ausverkäufe in NRW, an dem auch Mieterforum Ruhr mitgewirkt hat.
Es kommen zahlreiche Beispiele und Zusammenhänge zur Sprache. Es gibt viele Interviews mit MieterInnen und ExpertInnen.
Der Podcast ist noch hier zu hören:
Heuschrecken hinterlassen Spuren

Unter dem Titel "Vermietnomaden - Wenn Straßenzüge verkommen" berichtete Sabine Otto am 18. August 2009 in "Plusminus" im Ersten knapp aber eindruckvoll über viele Beispiele zu den Folgen der "Heuschrecken"-Käufe im Ruhrgebiet:

Der Analyse in dem zusammenfassenden Text zu diesem Beitrag kann nur zugestimmt werden:

"In den 50er-Jahren bauten Arbeitgeber, Gewerkschaften und Kommunen Werkswohnungen. Sie waren gemeinnützig und mit öffentlichen Geldern finanziert.
Unter der Kohl-Regierung wurde das Gesetz zur Gemeinnützigkeit im Jahr 1989 abgeschafft. Die Rot-Grüne Regierung unter Bundeskanzler Schröder schaffte im Jahr 2000 die Steuern auf Veräußerungsgewinne ab und setzte 2003 das Investmentmodernisierungsgesetz durch. Schröder wollte so ausländische Investoren anlocken.
Schon die gemeinnützigen Besitzer investierten nur das Notwendigste. Außerdem waren die Häuser nach einfachen Standards gebaut. Heizungseinbau, Isolierverglasung und in seltenen Fällen Bädersanierungen waren oft die einzigen Modernisierungen, die bis in die 80er-Jahre geleistet wurden.
Die Besitzer hatten nicht viel investiert, die Siedlungen waren bereits angeschlagen. Die Mängel gingen an die neuen Besitzer über. Aber die Budgets für die Instandhaltung sind weiterhin knapp.
Die ausländischen Investoren glaubten, dass der deutsche Wohnungsmarkt unterbewertet war und hier viel Geld zu holen sei. Über sogenannte Private-Equity-Fonds sammelten sie Geld. Sie wollten günstig kaufen, wenig investieren und teuer weiterverkaufen - vor allem an die alten Mieter. Dieser Plan ging jedoch nicht auf. Die Mieter selbst scheuten die Kosten für die schlichten Wohnungen. Schließlich kannten sie die Mängel am besten. Daher reichten die Investoren die Siedlungen in kleinen Häppchen an andere Investoren weiter. Und die machten es genauso. Wenigsten wenigstens vier bis sieben Prozent Rendite musste mit der Investition erzielt werden. Das aber konnte nur mit geringen Sanierungs- und Personalkosten gelingen.
Ein Beispiel: Die Deutsche Annington ist mit über 230.000 Wohnungen der größte Immobilienbesitzer in Deutschland. Der Service für die Mieter wurde sukzessive eingeschränkt. Die Regionalbüros mit Ansprechpartnern und auch die Bezirkshausmeister wurden komplett abgeschafft. Insgesamt hat die Deutsche Annington seit der Übernahme von Viterra knapp 1.000 Mitarbeiter entlassen. Hausmeister kümmern sich nur noch um den Wohnungsleerstand. Alle anderen Mängel, Beschwerden und Anfragen für 230.000 Wohnungen werden über ein anonymes Callcenter mit 200 Mitarbeitern bewerkstelligt."

Den Fernsehbeitrag gibt es auf YouTube, hier:
www.youtube.com/watch

Am 8. September gab es im ZDF in der Sendung "Frontal" die Reportage "Geplagte Mieter - Finanzinvestoren drängen auf Wohnungsmarkt". Darin geht es um die Folgen des Verkaufs landeseigener Wohnungen (GSW) in Berlin und der LEG in NRW. Aus dem Manuskript der Sendung möchten wir das folgende Zutat des Wirtschaftsrechtlers Prof. Andreas Teufer hervorheben:
"Man wird keinen Hafter finden, weil die Wege zurückverfolgt werden müssen, und wie es in der Wirtschaftskriminalität allgemein üblich ist, wird in diesem Bereich vertuscht und dazu gehört eben auch, dass man so viele Zwischenstationen einbaut, dass irgendwann die Kette abreißt, die man nach verfolgen könnte."


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

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