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26. Oktober 2009 (Bundespolitik)

Hartz IV: Neue Bundesregierung plant Drangsalierung erwerbsloser Mieter

Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag und die Mieter Teil 2 - Pauschalierung der Leistungen für Miete und Nebenkosten, direkte Zahlungen der Mieten an die Vermieter, Abwälzung der Wohn- und Betreuungskosten von Erwerbslosen auf die Kommunen: Diese Zielsetzungen des schwarz-gelben Koalitionsvertrages drohen erwerbslose MieterInnen weiter ins Abseits zu drängen. Erleichterungen wurden nur für Hauseigentümer angekündigt.

Für große Empörung bereits während den Koalitionsverhandlungen sorgte die bekannt gewordene Absicht der Koalition, die Leistungen für die Kosten der Unterkunft für SGB II-BezieherInnen generell direkt an die Vermieter zu überweisen. Die Umsetzung dieser radikalen Überlegung wäre eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, da sie wahrscheinlich gegen das Grundgesetz verstoßen würde und zu zahlreichen Umsetzungsproblemen auch bei den zuständigen Behörden und den Vermietern führen würde.

Direktüberweisung der Miete bei Erwerbslosen?
Für große Empörung bereits während den Koalitionsverhandlungen sorgte die bekannt gewordene Absicht der Koalition, die Leistungen für die Kosten der Unterkunft für SGB II-BezieherInnen generell direkt an die Vermieter zu überweisen. Die Umsetzung dieser radikalen Überlegung wäre eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, da sie wahrscheinlich gegen das Grundgesetz verstoßen würde und zu zahlreichen Umsetzungsproblemen auch bei den zuständigen Behörden und den Vermietern führen würde.

Im Koalitionsvertrag heißt es nun lediglich ganz schwammig: "Zweckgebundene staatliche Transferleistungen zu den Wohnkosten müssen auch tatsächlich den Vermieter erreichen." Darunter kann man sich nun eine Fülle von Maßnahmen vorstellen, von Sanktionen gegen SGB II-BezieherInnen bis zur Beschleunigung oder Ausweitung der Direktüberweisung. Auf jeden Fall wird die Position der Vermieter gegen Hartz IV-Betroffene weiter gestärkt, während sich der Koalitionsvertrag zur schwachen Position der erwerbslosen Mieter ausschweigt. Der Satz macht auch klar, dass es nicht nur um das SGB II geht. Auch beim Wohngeld und Leistungen nach SGB XII könnte die Regierung Eingriffe in die Zahlungshoheit der Mieter planen.

Pauschalierung der Kosten der Unterkunft
Für die erwerbslosen Mieter von noch größerer Bedeutung als die umstrittene Direktzahlung der Miete könnten Pläne werden, die Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu pauschalieren.
"Wir werden auf der Basis der vorhandenen gesetzlichen Regelungen prüfen, die Energie- und Nebenkosten sowie ggf. die Kostender Unterkunft zu pauschalieren", heißt es dazu im Koalitionsvertrag.

Bislang werden die "tatsächlichen Kosten" übernommen, insoweit sie "angemessen" sind. Zu befürchten ist, dass die Pauschalierung in vielen Fällen zu einer weiteren Absenkung der Leistungen führt und damit die Erwerbslosen aus ihren Wohnungen drängt. Durch eine zentralistische Pauschalierung können weder die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, noch die stark unterschiedlichen Kosten auf den lokalen Wohnungsmärkten. Die Berücksichtigung "regionaler Besonderheiten", die der Koalitionsvertrag anstrebt, reicht da sicherlich nicht aus, die Regelungen anwendungsfest und verfassungskonform zu machen. Durch eine pauschalierte Absenkung der Leistungen für die Unterkunft würde das Prinzip der Deckung der Lebenshaltungskosten ein weiteres Mal verletzt.

Völlig schleierhaft ist, wie eine solche Regelung ohne grundsätzliche Änderung "der vorhandenen gesetzlichen Regelungen" erfolgen soll. Bislang schließt das SGB II Pauschalierungen der Wohnkosten ausdrücklich aus.

Strukturreform bei der Hartz IV-Umsetzung
Die Überlegungen zur Pauschalierung stehen in Zusammenhang mit einer grundlegenden Strukturreform des SGB II. Die Koalition will die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit und der Kommunen klar trennen. Die Bundesagentur soll sich auf die Arbeits-Vermittlung, die Kommune auf die Wohnungen und die soziale Betreuung konzentrieren.

Rein organisatorisch muss das nicht die schlechteste Lösung sein: Die Kommunen sind viel näher am Wohnungsmarkt, haben Wohnraumvermittlungen, Zuständigkeiten für die Vermeidung von Wohnungslosigkeit und viele weitere soziale Dienste. Ein stärkere Zuständigkeit der Kommunen macht die Ausgestaltung von Wohnen und anderen Hilfen für Erwerbslose auch eher demokratischer Kontrolle zugänglich. Das kann - je nach Mehrheit, Finanzlage und Lobby - für die Betroffenen viele Vorteile haben, aber auch das Gegenteil ist möglich. Entscheidend ist, wie die Kommunen für diese Aufgabe ausgestattet werden.

Bei "sozialer" Umsetzung werden die Kommunen einen stark erhöhten Aufwand und erhöhte Kosten haben. Noch das alte Bundeskabinett hat aber gerade beschlossen, die Anteile des Bundes an den Wohnkosten der Erwerbslosen abzusenken. Offensichtlich sollen nun durch Vereinheitlichungen wie der Pauschalierung die Kosten der Kommunen gesenkt werden. Ausdrücklich soll die Pauschalierung auch zu weniger Gerichtsprozessen führen.

"Verbesserungen" für Erwerbslose mit Wohneigentum
Die "Verbesserungen" bei Hartz IV, mit denen die Koalition bereits Schlagzeilen macht, beziehen sich auf die Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeiten (was einer Subvention für den Niedriglohnsektor gleich kommt), die Erhöhung des Schonvermögens inclusive des selbstgenutzten Wohneigentums.

Was die selbst genutzte Wohnimmobilie anbelangt heißt es im Koalitionsvertrag unter "Schonvermögen": "Zusätzlich wollen wir die selbstgenutzte Immobilie umfassend schützen."
Da selbst genutzte Hausgrundstücke "angemessener Größe" schon jetzt zum Schonvermögen gerechnet werden, kann das eigentlich nur bedeuten, dass das eigene und selbst bewohnte Haus unabhängig davon wie groß es ist zum Schonvermögen gerechnet werden soll. Das heißt im Extremfall: Als dauerarbeitsloser ehemaliger Bankmanager kann ich eine Villa besitzen und bewohnen, die für vier Familien reichen würde. ALG II kann ich trotzdem bekommen.
Nun ist aber das zusätzliche Problem für arbeitslose Hausbesitzer in der Regel, dass die Finanzierungs- und andere Kosten eines großen Hauses die Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft übersteigen. Nur wer sein Haus komplett abgezahlt hat, oder geerbt und nicht beliehen, hat dieses Problem nicht.
Also ist diese Ankündigung für die allermeisten Hartz IVer reinste Augenwischerei. Oder die Regierung plant zusätzlich, den arbeitslosen Hauseigentümern wesentlich mehr Wohnkosten zu zahlen als arbeitslosen Mietern. Das aber wäre ein noch extremerer Verstoß gegen Gleichheitsgrundsätze als die bloße Begünstigung der "Vermögensbesitzer".

Trotz im Zweifel drohender Zahlungsunfähigkeit eines arbeitslos werdenden Hauserwerbers ist allein diese schwammige Absichtserklärung der Regierung für Umwandler und Baufinanzierer ein Geschenk des Himmels. Sie haben ein zusätzliches "Argument", ihre Produkte gerade auch in Kreisen anzubieten, deren Einkommensgrundlage unsicher ist. Aber, wie heißt es im Koalitionsvertrag? "Wir wollen die Wohneigentumsquote in Deutschland erhöhen."

Fazit: Kampf um die Wohnrechte der Erwerbslosen
Die neue Bundesregierung plant eine Lösung der zahlreichen Probleme der Hartz IV-Gesetze zu Lasten der erwerbslosen MieterInnen und wahrscheinlich auch auf Kosten der Kommunen. Dagegen werden sich die Mieter- und Erwerbslosenverbände, die Gewerkschaften und Kommunalverbände wehren. Das Ziel muss sein, die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten zu verteidigen und die Handlungsspielräume und Rechte der erwerbslosen Mieter zu stärken. Bei der erforderlichen Reform der Behördenzuständigkeiten müssen die Kommunen dazu zu befähigt werden, die lokalen Kosten der Unterkunft zu tragen, die Wahrnehmung von berechtigten Mieterinteressen zu unterstützen und das Recht auf Wohnen für alle zu gewährleisten.


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