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18. Februar 2010 (Sonstige Unternehmen)

Super-Return: Heuschrecken lassen Zombie-Unternehmen zurück

Anfang Februar trafen sich in Berlin zum 13. Mal Finanzinvestoren aus aller Welt zur Konferenz "Super-Return" (Super-Profit). "Kaufziele gibt es kaum, Schnäppchen schon gar nicht, Börsengänge sind nicht in Sicht, Banken und andere Geldgeber bleiben knauserig und die Renditen schmelzen dahin", brachte n-tv die Lage auf den Punkt. Kein Grund zu reiner Schadenfreude: 1,2 Millionen Menschen arbeiten bei deutschen Unternehmen unter Private Equity-Einfluss und mindestens doppelt so viele Menschen wohnen in ihren Häusern. War schon in Boom-Zeiten das Geschäftsmodell der "Heuschrecken" auf Ausschlachten und Kaputtsparen angelegt, unter Krisenbedingungen kommt es noch schlimmer.

Statt wie bis 2007 von Riesengewinnen zu schwärmen, mussten sich die in Berlin versammelten 1400 Firmenjäger zum zweiten Mal mit Verlusten und Krisenängsten beschäftigen. Zwar wollen manche Manager für 2010 einen Hoffnungsschimmer am Horizont, sprich neue Übernahmechancen, erkennen. Andere Experten halten aber gerade das für besonders gefährlich: Die renditehungrigen Investoren im Nacken, stürzen sich die Fonds gerade auf wenige lukrative Angebote und treiben die Preise schon wieder ins Absurde. Dazu trägt auch das weltweite Krisenmanagement bei. Die durch niedrigste Leitzinsen in die Märkte gepumpten Geldmengen finden hier und da erneut Kanäle, um spekulative Übernahmeschlachten zu ermöglichen.

Von der Geld-Schwemme zur Kredit-Klemme...
Noch 2007 hatten Finanzinvestoren weltweit Firmen für über 700 Mrd. Dollar übernommen. Billige Kredite der Banken machten es möglich. Dann kam der Crash. 2009 kauften die "Heuschrecken" nur noch für 134 Mrd. Dollar ein, so viel wie 2002, am Anfang der Übernahmewelle. Hauptgrund für diese Situation ist, dass die Banken große Übernahmen seit 2008 nicht mehr finanzieren. Frühere Top-Finanzierer der Firmenjäger wie die staatliche WestLB, die BayernLB und die Royal Bank of Scotland mussten notgedrungen aussteigen.

...zu einem neuen Boom?
Nach dem Crash wurden jedoch durch niedrige Leitzinsen und öffentliche Bankbürgschaften neue Geldmengen in den Markt gepumpt. Das hat zwar immer noch nicht die Kreditklemme für produktive Investitionen beseitigt, hat aber trotzdem punktuell Auswirkungen auf die Finanzierung von Übernahmen. Manche Banken gehen schon wieder große Risiken ein. Auch aus verschachtelten Verbriefungen fließt stellenweise wieder Geld. Einen Boom wird das so schnell aber nicht tragen. "Banken werden ohne Zweifel wieder loslegen mit der Vergabe von Krediten", meinte Deutschlands größter Vermieter, der Terra-Firma-Chef Guy Hands (Deutsche Annington). Allerdings verlangen sie dafür Eigenkapitalquoten, die 2007 unglaublich gewesen wären: mindestens 40 %.

Gejagte Jäger
Nun mangelt es vielen Fonds eigentlich kaum an "Eigenkapital". Ihre Manager sitzen auf 400 Milliarden Dollar, die sie von Versicherungen, Pensionskassen und hyperreichen Privatpersonen eingesammelt haben, damit sie möglichst gewinnbringend angelegt wird. Die Frage ist nur: wie?
Ohne viele billige Schulden und ohne steigende Preise für Unternehmensübernahmen kann man keine schnellen Euros machen. Wer viel Eigenkapital einsetzt, muss um so radikaler beim Unternehmensumbau vorgehen. Dafür muss es neben Managementkenntnissen aber auch geeignete Unternehmen geben, die angeboten werden. Und da sieht es mau aus. Viele Industrie- und Wohnungsunternehmen sind bereits überschuldet. Um die wenigen vielversprechenden Angebote toben Übernahmeschlachten, die schon wieder zu phantastisch überhöhten Preisen führen. Wo gekauft wird, droht sich also das Casino-Spiel der Boom-Jahre wider alle Vernunft fortzusetzen.

Verschärfte Krise
Paradoxer Weise verschärft gerade die Kapital-Stärke vieler Fonds die Krise. Die meisten Fonds haben nun schon seit zwei Jahren nichts mehr gekauft. Die Investoren scharren mit den Hufen. Wer das Kapital nicht erfolgreich einsetzt, muss damit rechnen, dass er die Geldgeber für immer verliert. Die Branchenexperten rechnen damit, dass etliche Fonds vom Markt verschwinden werden.

Die endgültige Rechnung wird aber erst präsentiert, wenn die übernommenen Unternehmen wieder verkauft werden müssen. Denn das Geschäft der Firmenjäger beruht nun mal darauf, aufzukaufen, umzustrukturieren, durchzurationalisieren und dann mit Gewinn weiter zu verkaufen. Das funktioniert aber nur bei spekulativ steigenden Preisen. Wie aber sollen mitten in der Wirtschaftskrise überteuert eingekaufte und über mehrere Jahre ausgenommene Unternehmen und Wohnungen mit Gewinnaufschlag weiter veräußert werden?

Versperrte Ausgänge
Ein von den Finanzinvestoren herbeigesehnter Ausgang (Heuschrecken-Deutsch: „Exit“) wären tolle Börsengänge, über die man einen Teil seines Kapitals an wagemutige Aktionäre losschlagen könnte. So wie es dem US-Dealer Fortress mit dem Wohnungsriesen Gagfah zum Teil gelungen ist. Allerdings war das vor der Krise. In der letzten Zeit wurde über Börsengänge – auch von Wohnungsriesen wie der Annington - spekuliert. Passiert ist kaum etwas. Groß ankündigte Börsenplatzierungen, wie die des Baukonzerns Hochtief, sind geplatzt. Der Markt würde die Aktien kaum annehmen, die Investoren blieben auf ihren Paketen und den zusätzlichen Kosten sitzen.

Unverkäufliche Zombie-Firmen
"Die meisten Deals aus den vergangenen drei bis vier Jahren werden Verlustgeschäfte sein", meinte der Branchenexperte O'Brien von Investcorp in der Financial Times. "Bei vielen der Mega-Deals habe ich keine Ahnung, wie die Fonds einen Käufer finden wollen, der auch nur annähernd ihren Einstiegspreis bietet. Wir werden mehr und mehr unverkäufliche Zombie-Firmen sehen."
Auch große Wohnungsunternehmen wie Gagfah, Annington und Co. wurden überteuert eingekauft, sind inzwischen durch die Private-Equity-Manager in ihrer Substanz geschwächt und so gigantisch, dass nur sehr kapitalkräftige Käufer überhaupt zu Käufen in der Lage wären. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch die bereits auf dem Weg sind, zu unverkäuflichen "Zombies" zu werden: "untoten" Vermietern, die Mietern und Städten noch Jahrzehnten Schrecken bereiten. Aber es kommt noch dicker.

Der große Kladderadatsch
Bei der "Super Return"-Konferenz wurde nicht verschwiegen, dass der eigentliche Super-Gau der Firmenjäger erst noch droht. "Der gebeutelten Branche der Finanzinvestoren droht eine weitere Krisenwelle. Denn die in den Jahren 2005 bis 2007 mit massiver Verschuldung gekauften Unternehmen benötigen spätestens in zwei Jahren die erste Refinanzierung. Die Stimmen mehren sich, die für diesen Zeitraum eine steigende Zahl von Pleiten unter den ohnehin bereits vielfach angeschlagenen Portfoliofirmen prognostizieren“, schrieb das Handelsblatt.
Den überschuldeten Heuschrecken droht in wenigen Jahren der ganz große Kladderadatsch: Bis 2014 müssen nach Bankenschätzungen 700 Milliarden US Dollar an Krediten neu finanziert werden und niemand weiß, wo die herkommen sollen. Mit von der Partie: die Beteiligung der Heuschrecken an Wohnungen in Deutschland. Allein für Gagfah, DAIG und Immeo müssen bis 2013 über 10,5 Mrd. Euro an neuen Finanzmitteln aufgetrieben werden.
Das zentrale Problem ist dabei nicht der Umfang der Kredite allein, sondern dass sie alle gleichzeitig in den nächsten Jahren anfallen. Experten halten es für äußerst unwahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren Banken bereit sein werden, so große Finanzierungen zu akzeptieren. So günstige Klimabedingungen wie 2005-2007, als die Immobilienheuschrecken mit Akquisitionskrediten und Großverbriefungen in Milliardenhöhe ihre Übernahmen zu günstigen Bedingungen finanzieren konnten, wird es nicht wieder geben.

Krisenmanagement
Die etwas weitsichtigeren Private Equity-Experten bekommen Muffensausen. Thomas Pütter vom Finanzinvestor Allianz Capital Partners meint. "Das ist ein Thema, dem wir uns mit Notfallplänen und Vorbereitung annähern müssen und nicht mit Hoffen und Beten." Aber sind Risiko-Spieler wie Private Equity Fonds überhaupt zu Notfallplänen in der Lage? Und wenn ja, wem wird da geholfen?
Um einem Kollaps vorzubeugen, bemühen sich manche Fonds derzeit zusätzlich Eigenkapital aufzutreiben, um damit die Schulden zu verringern oder Kredite aufzukaufen. Durch solche Geschäfte steigen aber auch die Zinsbelastungen, die Renditen sinken, und weitere Deals werden noch unattraktiver, woran die Finanzinvestoren kein Interesse haben können.
Bei Beteiligungen an Wohnimmobilien bestehen hier allerdings besondere Bedingungen: Die Kredite sind mit den Immobilien und den stetigen Geldströmen aus den Mieten hinterlegt. Auch 2013 werden die Zahlungsströme Finanzierungen zulassen, die im Vergleich zu anderen Anlagen relativ sicher erscheinen. Wenn sich nun auch die institutionellen Anleger mit geringen Renditen bei relativ hoher Sicherheit zufrieden geben, könnte eine weitere Gnadenfrist für einen Teil der Immobilien-Heuschrecken anbrechen.

Beispiel Annngton
Die jetzigen Deutsche-Annington Fonds sind bereits der zweite Anlauf und die Anleger erwarten angeblich keine Spitzenrenditen. Möglich also, dass 2013 noch mal ein "Exit" im eigenen Laden gelingt, und dann auch eine weitere relativ günstige Refinanzierung. Auf der anderen Seite hat aber gerade TerraFirma mit einer Großbeteiligung an einem "Zombie" zu kämpfen: der viel zu teuer eingekaufte Schallplattenkonzern Emi steht kurz vor der Pleite. Ob die Investoren in die Annington Guy Hands diesen Fehlgriff verzeihen, ist eine der Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen. Eine andere Frage ist, ob und wie die Finanzierung des Emi- und des Annington-Deals verbandelt sind.

Kredithändler übernehmen die Kontrolle
Ein weitere mögliche Entwicklung von zukunftslosen Heuschrecken-Beteiligungen ist der in Einzelfällen bereits zu beobachtende schleichender Besitzerwechsel über den verbilligten Verkauf der verbrieften Krediten an noch risikofreudigere Private-Equity- und Hedge-Fonds. Auf diese Weise oder durch Notverkäufe können auch Geier-Fonds, die ohne Banken und nur mit selbst organisiertem Risiko-Kapital bankrotte Reste günstig aufkaufen, in den Besitz von umfangreichen Immobilienbeständen geraten.
Umfangreiche Vertragsbestimmungen in den Kreditverträgen sorgen dafür, dass die Immobilien von Annington, Gagfah und Co. schon jetzt weitgehend von den Verbriefungen beherrscht werden. Der Handel mit den Immobilienbeteiligungen des bankrotten australischen Finanzinvestors Babcock & Brown zeigt, dass Insolvenzen von Heuschrecken keineswegs das Ende der Finanzspekulation auf dem Rücken der Mieter darstellen.

Weiterer Raubbau vorprogrammiert
Wie man es auch dreht und wendet. Für die Wohnungen, die unter die "Heuschrecken" geraten sind, bedeutet das alles auch weiterhin: "Schrecken ohne Ende". Der frühere Manager der Groß-Heuschrecke Carlyle, Hans Albrecht, meinte in der "Welt": "Wir werden eine Welle von Arbeitsplatzabbau, Werkschließungen und Verlagerungen ins Ausland sehen." Wohnungen kann man nicht einfach schließen und auch nicht ins Ausland verlagern. Man kann sie nur herunterwirtschaften.
Solches Herunterwirtschaften ist nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht erlaubt. "Eigentum verpflichtet". Und deshalb kann, wer sich um sein Eigentum nicht kümmert, auch enteignet werden. In der NRW-SPD – nicht etwa nur in der Linken – hat die Diskussion darüber bereits begonnen.

 


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