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5. März 2011 (Land NRW)

Wegen Empfehlungen des Sozialministeriums auf Wohnungssuche

Durch eine Änderung von „Arbeitshinweisen“ des NRW-Sozialministeriums ist es seit Oktober 2010 in vielen Städten zu Problemen bei der Übernahme der Wohnkosten von Arbeitslosen gekommen.

"Seit Januar suchen auffallend viele Leute Rat, weil die JobAgentur die Nachzahlungen für die Betriebskosten nicht übernehmen will", berichtet Stephan Schulze-Bentrop, Sozialberater des HAZ in Hattingen und Witten. "Das besondere Problem: Sie werden dabei von Alt- zu Neufällen."

Bis Juni 2009 wurden in Witten für einen 1-Personenhaushalt 444 Euro von der JobAgentur übernommen, inklusive Neben- und Heizkosten und Tole-ranzaufschlag. Seitdem hat es mehrere Änderungen der örtlichen Regelungen gegeben. Aber wem die Miete 2009 bewilligt worden war, der wurde zunächst in Ruhe gelassen. Nun haben am Jahresbeginn aber viele MieterInnen Nebenkostenabrechnungen erhalten und müssen Nachzahlungen leisten. In der JobAgentur schaut man in diesem Fall auf die aktuell geltende Regelung. Und danach dürfen für die laufenden Kosten nur noch 418 Euro übernommen werden. Wer darüber liegt, bei dem wird nicht nur die Übernahme der Nachzahlung verweigert. Die Betroffenen werden aufgefordert, innerhalb von sechs Monaten eine billigere Wohnung zu finden. Sonst droht Kürzung der fortlaufenden Leistungen auf den aktuellen Grenzwert. Und das kann in Witten 44 Euro ausmachen, also eine Senkung um ein Vielfaches der gerade beschlossenen Anhebung von "Hartz IV".

Der Grund für diese Kürzung: Am 1.10.2010 erschien eine Neuauflage der "Arbeitshinweise", also der Landesempfehlungen für eine "rechtskonforme" Auslegung der "Hartz IV"-Gesetze. Dort wird - unter Berufung auf ein Gerichtsurteil - einem Alleinstehenden nur noch die Kostenübernahme für maximal 45 qm zugebilligt. Und das bedeutet eine Kürzung um 3 qm gegenüber dem Stand in Witten vor zwei Jahren, oder eben 44 Euro weniger.

Auch wenn der Mieterverein gegen diesen Wohnflächenraub schon lange protestiert: Die JobAgentur EN hat die Kürzungsempfehlung aus dem sozialdemokratischen Ministerium sofort umgesetzt. Ein Teil der Leute nimmt nach 6 Monaten die Kürzung klaglos hin und bezahlt den Rest aus dem Regelsatz, der ja eigentlich das Existenzminimum darstellen soll. Gleichzeitig befindet sich eine unbekannte Anzahl von Personen auf der Suche nach kleinen und billigen Wohnungen. Wohnungen, die – in akzeptabler Qualität – in Witten und Hattingen kaum zu finden sind.

Frau M. (60) aus Hattingen hatte bislang eigentlich keine Probleme mit zu hohen Wohnkosten. Die JobAgentur übernimmt die günstige Miete bis heute ohne Einschränkungen. Das Problem von Frau M. ist eine anderes: Wegen einer Eigenbedarfskündigung muss sie eine neue Bleibe finden.
Frau M. kommt nicht mehr so gut die Treppe hinauf. Im obersten Geschoss darf das neue Zuhause also nicht liegen. Und verschimmelt sollte es auch nicht sein. Außerdem müssen aber auch die Kosten innerhalb der aktuellen Ange-messenheitsgrenzen liegen. Grenzen, die von 45 qm ausgehen, obwohl es so kleine Wohnungen zu günstigen Mieten in Hattingen kaum gibt.
Seit fünf Monaten schon ist Frau M. auf der Suche. Vergeblich. Mal ist die Wohnung ungeeignet, mal zu teuer. "Dem einen Vermieter passt meine Nase nicht, der andere will keine Arbeitslosen", vermutet Frau M. Und wenn es dann doch mal klappen könnte: Bevor Frau M. den Mietvertrag unterschreibt, muss sie die Zusicherung der Kostenübernahme der Job-Agentur einholen. Darauf aber wollte bislang kein Vermieter warten.

Alle paar Monate gab es in den letzten zwei Jahren Änderungen der Landes- und der Kreis-Regelungen zu den Quadratmeterwerten. Wohnungen, deren Anmietung vor nicht mal zwei Jahren von der Behörde akzeptiert wurden, gelten heute als überteuert. Verlässlichkeit fühlt sich anders an.
Auch die neuen Richtwerte werden nicht lange Bestand haben. Erlässt das Land das in der letzten Hartz IV-Rechtsänderung vorgesehenes Gesetz nach § 22a SGB II und erlaubt damit dem Kreis, die Höchstwerte per "Satzung" zu beschließen, sind neue Kürzungsrunden nicht auszuschließen.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

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