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15. März 2011 (Gagfah)

Nepper, Schlepper, Bauernfänger

Vor zwei Jahren sorgte die Gagfah-Flatrent für Stirnrunzeln bei tausenden Mietern - und brachte es zu dem zweifelhaften Titel "ein unmoralisches Angebot". Aber von einer Heuschrecke erwartet man irgendwie nichts anderes. Heute zeigt die LEG - seit dem Verkauf an Whitehall auch eine lupenreine Heuschrecke - dass die Schlaumeier unter den Wohnungsgesellschaften noch nicht ausgestorben sind.

Was tut man so als "Finanzinvestor" auf dem deutschen Wohnungsmarkt, wenn die Renditen sich nicht so entwickeln, wie man das den Anlegern versprochen hat? Wohnungen verkaufen? Schlecht, wenn Finanzkrise und Markt-Übersättigung die Preise für Eigentumswohnungen ruiniert haben. Personal abbauen? Längst passiert. Instandhaltungs-Ausgaben zurückfahren? Längst passiert. Gibt schon Stress mit den Mietern wegen Mängeln.

Da bleibt nur noch eins: Miete erhöhen! Wie? Das geht auch nicht, weil die Spielräume der Mietspiegel schon ausgeschöpft sind? Na, dann muss man die Mieter eben überreden, freiwillig mehr Miete zu zahlen!

So dachte vor drei Jahren die Gagfah, als sie die "Flatrent" erfand: Für zehn Euro mehr im Monat versprach sie, die Miete zwei Jahre unverändert zu lassen. Vorteil für die Mieter: Null. Denn auch Mietspiegel verändern sich nur alle zwei Jahre. Und nicht mal immer nach oben.

Und jetzt kam die LEG, bis 2008 im Besitz des Landes Nordrhein-Westfahlen und von Rüttgers & Co. an den US-Fond Whitehall verscherbelt, auf eine ähnlich pfiffige Idee: "Die derzeitige Grundmiete Ihrer Wohnung entspricht nicht mehr den aktuellen Marktpreisen", heißt es in dem LEG-Brief an Mieter in Bochum, Dortmund, Münster, Gelsenkirchen und Bottrop. Und weiter: "Der Vermieter kann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nach § 557 BGB die Grundmiete anpassen." Danach folgt eine Auflistung der alten und der neuen Miete nebst dem Hinweis, dass nach § 557 BGB die Zustimmung des Mieters erforderlich ist. Ein entsprechender Vordruck ist beigelegt.

"Das liest sich wie eine ganz normale Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete, wie jeder Mieter sie schon gesehen hat", kommentiert Rechtsberater Rainer Klatt vom Mieterverein. "Die aber ist in § 558 BGB geregelt, und Mieter müssen ihr zustimmen, wenn die Miete korrekt nach dem Mietspiegel errechnet wurde. In § 557 steht lediglich, dass sich Mieter und Vermieter auch ohne Grund auf eine höhere Miete einigen können. Das ist rein freiwillig und niemand muss dem zustimmen."

Schmutziger Trick
In allen Fällen, die dem Mieterverein vorliegen, handelt es sich um Wohnungen, in denen die ortsübliche Vergleichsmiete bereits ausgeschöpft oder gar überschritten ist, so dass eine Mieterhöhung nach § 558 BGB nicht möglich wäre. Rainer Klatt: "Und die Ähnlichkeit der Formulierungen mit Mieterhöhungsverlangen nach § 558 ist geradezu perfide."

Informationen der betroffenen Mietervereine lösten einen gewaltigen Medienwirbel aus. Zahlreiche Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen berichteten. NRW Wohnungsminister Harry Voigtsberger fand kritische Worte: "Ich werde das Unternehmen schriftlich auffordern, deutlich zu machen, dass niemand einer solchen Mieterhöhung zustimmen muss. Die Briefe an die Mieter sind unsensibel." Und SPD und Grüne stellten gar einen Eilantrag im Landtag mit dem Ziel, zu prüfen, ob die LEG gegen die Sozialcharta verstößt.

Das reichte. Die LEG machte einen Rückzieher. In einer Presseinfo vom 24. Februar bedauerte sie, "dass offensichtlich einige Mieter die Angebote auf Abschluss einer Vereinbarung zur Mieterhöhung anders verstanden haben, als dies von der LEG beabsichtigt war" und entschuldigte sich für "Irritationen und Unannehmlichkeiten".

Die "offenbar entstandenen Missverständnisse in der Formulierung der Mietanpassungsschreiben" will die LEG auflösen, in dem sie alle Mieter erneut anschreibt. Dabei will sie auch denjenigen, die bereits zugestimmt haben, Gelegenheit geben, dies "noch einmal zu prüfen und ggfs. auch zu widerrufen". Der Mieterverein empfiehlt allen Mietern, dies zu tun bzw. gar nicht erst zu unterschreiben.

Inzwischen klagt die LEG, dass ihre Kundencenter gestürmt werden von Mietern, die alle Mieterhöhungen der letzten Jahre in Frage stellen und dabei munter § 557 und § 558 BGB verwechseln. Tja, wer hat da versucht, aus dieser Verwechselung Profit zu schlagen?


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

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