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11. September 2012 (Land NRW)

Kosten der Unterkunft: Mehr Geld für die Miete

Endlich! Nach mehr als ein-einhalb Jahren Gezerre hat das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW die neuen Flächenwerte für die Kosten der Unterkunft von ALG-II-Beziehern umgesetzt. Dazu war erst ein Urteil des Bundessozialgerichts erforderlich. Inzwischen haben die Kommunen reagiert und ihre "Angemessenheitsgrenzen" angepasst - auch in Bochum und Hattingen.

Eigentlich müsste Guntram Schneider, Ex-Gewerkschaftsboss und heute Minister für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS), heute einen Tinnitus haben. Denn wahrlich schallend war die Ohrfeige des Bundessozialgerichts, das ihm schwarz auf weiß präsentierte, was Sozialberatungsstellen und Mietervereine seit mehr als einem Jahr verlangten: Die Flächenwerte zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft müssen anhand der Wohnraumnutzungsbestimmungen für NRW ermittelt werden. Im Normaldeutsch heißt das: ALG-II-Abhängige dürfen 5 qm mehr bewohnen als früher, bzw. ihre Miete darf entsprechend höher sein (siehe letzte Ausgabe von MF).

Die Geschichte ist lang, und Teile von ihr haben wir immer wieder erzählt: Durch die Föderalismus-Reform wurde der Wohnungsbau allein Ländersache. Das alte, bundesweite Wohnungs-bauförderungsgesetz, das den Sozialen Wohnungsbau regelte, trat Ende 2009 außer Kraft und wurde durch Landesgesetze ersetzt. In NRW hieß das "Wohnraumnutzungs- und Förderungsgesetz".

Dazu gab es natürlich weitere Regeln für die Verwaltungen, genau gesagt die "Wohnraumförderungsbestimmungen" und die "Wohnraumnutzungsbestimmungen". Das Seltsame: Beide Bestimmungen sahen für den Sozialen Wohnungsbau andere Flächenwerte vor. So bekommen zum Beispiel 1-Personen-Haushalte seit 2010 Wohnberechtigungsbescheinigungen für bis zu 50 qm, beim Bau gefördert werden aber weiterhin nur 45. Für jede weitere Person sind es jeweils 15 qm mehr.

Was so pervers klingt macht durchaus Sinn. Denn es ist architektonisch nicht immer möglich, Wohnungen mit genau 45, 60 oder 75 qm mehr zu bauen. Gerät sie aber nur ein kleines bisschen größer, dürften die, für die sie gebaut wurden, sie schon nicht mehr beziehen. Also darf man etwas größer bauen - gefördert wird es aber nicht.

Nun gilt die Regel: Die Flächenwerte für den Sozialen Wohnungsbau gelten auch bei der Festlegung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft von ALG-II-Abhängigen. Sie bilden einen Faktor der Produktes: angemessene Wohnungsgröße x angemessener qm-Miete = angemessene Kosten der Unterkunft.

Der 2. Faktor wird in Bochum seit Jahren aus dem Mietspiegel entnommen, und zwar aus der Baualtersklasse "bis 1969". Um den 1. Faktor aber gab es seither Streit: 50 oder 45 qm?

Bochum gehörte zu den Städten, die die neue Lage sofort richtig erkannten und ab dem 1. Januar 2010 von 50 qm ausgingen. In Hattingen wartete man - wie im gesamten EN-Kreis ab, was der zuständige Minister sagen würde.

Der äußerte sich im April 2010 in einer Neuauflage seiner "Arbeitshinweise" für die Kommunen. Doch wer erwartet hatte, der Ex-Gewerkschafter habe ein Herz für Arbeitslose, sah sich getäuscht. In den Arbeitshinweisen standen weiter 45 qm.

Nun sind das zwar nur Handlungsempfehlungen, keine Anweisungen oder Richtlinien. Aber wer wird es Bochum und anderen Städten verdenken, dass sie zurückruderten und wieder von 45 qm ausgingen? Der Streit wurde juristisch wie politisch ausgetragen, und der juristische Teil fand mit dem Urteil des Bundessozialgerichts im Mai ein Ende.

Jetzt hat endlich auch das MAIS reagiert. Am 15. August teilte es den Kommunen schriftlich mit, dass "im Rahmen der Angemessenheitsprüfung die Bestimmungen der Ziffer 8.2 der Wohnraumnutzungsbestimmungen für die Wohnflächen maßgeblich" sind. Ausdrücklich besteht das Schreiben auf einer "vollständigen Geltung". Das heißt, es gelten nicht nur 50, 65, 80, 95 ... qm, sondern es kann in Einzelfällen auch 5 qm mehr geben und bestimmte Personengruppen wie Behinderte und Alleinerziehende haben sogar Anspruch auf 15 qm mehr.

Inzwischen haben die Kommunen die Anweisungen umgesetzt (siehe Tabellen). Für Bochum gibt es dabei ein Novum: Statt von einer Nettokaltmiete gehen die neuen Angemessenheitsgrenzen von der Bruttokaltmiete aus. In den neuen Werten sind also alle Betriebskosten außer Heizung und Warmwasser enthalten. Statt 5,18 € netto gilt für den 1-Personen-Haushalt 7,12 € brutto kalt pro qm.

Der Nebenkostenanteil von 1,94 € pro qm wurde nach dem aktuellen Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes NRW ermittelt. Günstig für die Betroffenen: Er enthält zum Beispiel auch Kosten für Hausmeister, Aufzugswartung, Kabel, Gebäudereinigung und Gartenpflege, die gar nicht alle Mieter zahlen müssen.

Viele Mieter haben deutlich niedrigere Betriebskosten und folglich mehr Spielraum bei der Grundmiete. Wer tatsächlich höhere Betriebskosten hat, verschlechtert sich dennoch nicht. Denn die Angemessenheit der Kaltmiete wird weiterhin geprüft. Ist sie gegeben, können die Betriebskosten so hoch sein wie sie wollen.

Die neuen Regeln gelten für alle laufenden und zukünftigen Fällen. Und auch für zurückliegende Fälle wird von Amts wegen geprüft, ob Rückerstattungsansprüche bestehen. Es braucht also niemand - wie wir noch in unserer letzten Ausgabe geschrieben haben - einen Erstattungsantrag zu stellen.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

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