Wohnungspolitik > Bundespolitik
13. September 2012 (Bundespolitik)

Energetische Modernisierung - Nichts als Stückwerk

Vor über zwei Jahren stellte die Bundesregierung ihr Energiekonzept vor.
Ein Kernbereich darin: die Energetische Gebäudesanierung. Das ist sinnvoll und dringend notwendig. Dass am Ende mehr oder weniger alle Kosten auf Mieterinnen und Mieter umgelegt werden, ist hingegen unnötig und nicht hinnehmbar.

Die Ausgangssituation

Mit ihrer Absichtserklärung hat sich die Bundesregierung ehrgeizige Ziele gesetzt. Reduzierung des Wärmebedarfs um 20% bis 2020, ein klimaneutraler Gebäudebestand bis zum Jahr 2050. Schöne Worte, die gut in eine ökologisch verantwortungsbewusste, gesellschaftliche Stimmung passen.

Auch die Experten der Deutschen Energie-Agentur (dena) sehen einen riesigen Nachholbedarf. Ihren Angaben zufolge sind 65% aller Fassaden schlecht oder gar nicht gedämmt, 60% aller Fenster energetisch in einem schlechten Zustand und sogar 80% aller Gas- und Ölheizungen nicht auf dem neuesten Stand der Technik.

Das Handeln der Politik spricht allerdings eine ganz andere Sprache: Umwelt-, Wirtschafts- und Bauministerium streiten sich um Inhalte, Zuständigkeiten und Kompetenzen, im Justizministerium versucht man durch eine Beschneidung von Mieterrechten dem Ziel ein Stück näher zu kommen, und das Finanzministerium dreht den Geldhahn zu. So halbierte man dort von 2009 bis 2012 die Fördergelder für Vermieter und Immobilienbesitzer. Ein wichtiger Anreiz, den eigenen Gebäudebestand energetisch zu sanieren, fiel damit für viele Eigentümer weg. "Es gibt kein Konzept", sagte Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes auf einer Pressekonferenz während der Berliner Energietage 2012. "Zu der eigentlichen Problematik, wie die Modernisierungskosten gezahlt werden sollen – und von wem – äußert sich kein Ministerium."

Um das geringere Budget bei den Fördermitteln zu kompensieren und Immobilienbesitzern weiterhin Anreize zu geben, in die energetische Sanierung ihrer Bestände zu investieren, muss nun das Mietrecht zum Nachteil von Mieterinnen und Mietern herhalten. Das Mietminderungsgesetz bei Baumaßnahmen beispielsweise soll für drei Monate vollständig ausgeschlossen werden. Das bedeutet, trotz Baulärms, Dreck, Einrüs-tung des Gebäudes und Verdunkelung der Wohnung oder trotz Ausfall der Heizungsanlage und der Warmwasserversorgung soll der Mieter weiter die volle Miete zahlen. Auch auf Härtefälle sollen sich Mieterinnen und Mieter zukünftig nur noch einen Monat lang berufen können. Für Siebenkotten unverständlich: "Damit schafft die Bundesregierung ein Grundrecht für Verbraucher teilweise ab. Egal, ob im Kaufrecht, Reiserecht oder bei Handwerkerverträgen – niemand muss 100 Prozent zahlen, wenn die Gegenleistung nicht zu 100 Prozent erbracht wird."

Die Auswüchse
Auch die schon vorhandenen Mieterhöhungsregelungen belasten Mieter-innen und Mieter unverhältnismäßig. Eigentümer können 11% der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete umlegen. Und das ohne zeitliche Begrenzung, was oft zu existenziell bedrohlichen Mieterhöhungen führt. Solche Mietererhöhungen dürfen auch den Mietspiegel deutlich überschreiten. In weniger als zehn Jahren finanzieren so Mieterinnen und Mieter Sanierungen, die sich deutlich und nachhaltig auf die Wertsteigerung der Immobilie auswirken. Nicht selten wird versucht, Instandhaltungsmaßnahmen als Modernisierungen zu deklarieren, um sie auf diesem Weg durch Mieterinnen und Mieter finanzieren zu lassen. Wer weiß schon genau, ob die Erneuerung eines maroden Balkons nun eine Modernisierung oder eine Instandhaltung ist?

So schockte zum Beispiel Anfang des Jahres die Deutsche Annington (DA) Mieterinnen und Mieter im Südwesten der Dortmunder Innenstadt und kündigte happige Mieterhöhungen an. Eine 58,5m² große Wohnung, die bisher 284 € kostete, sollte nach den Sanierungsmaßnahmen 408 € kosten. Eine Erhöhung um sagenhafte 43%, die jegliche soziale Verantwortung für die eigenen Mieterinnen und Mieter vermissen lässt. Eine zeitnah gegründete Mieterinitiative lief Sturm und protestierte. Auch, weil sich kaum nachvollziehen ließ, welche Maßnahmen der Wohnungsbaugesellschaft "echte" Modernisierungsmaßnahmen waren. Steffen Klaas, Rechtsberater beim Mieterverein Dortmund, bewertet das so: "Die DA verkauft die Sanierung der maroden Balkone als Modernisierung. Obwohl es nichts weiter als bloße Instandhaltung ist."

Auch in den nördlichen Dortmunder Stadtteilen, in der Osterfeldstraße. In Eving modernisiert die Deutsche
Annington 36 Wohnungen. Modernisierung meint: Wärmedämmung und Haus-türbeleuchtung. Dieses führt zu einer Erhöhung der bisherigen Miete um 41 €. Erhöht wird auf 5,37 €/m2 – in Dortmund ein stolzer Preis für eine in den 1950er Jahren errichtete Wohnung. Die Deutsche Annington rechnet auch gleich die theoretisch mögliche Heiz-kostenersparnis vor. Dies soll exakt bei 11,28 € im Monat liegen, gut einem Viertel der Mieterhöhung. "Ein gutes Beispiel, wie Mietrecht und Umweltpolitik auseinanderdriften", kommentiert Rechtsanwalt Holger Gautzsch vom Mieterverein Dortmund. Die Wertsteigerung des Hauses ist enorm, wird allein von den Mietern bezahlt. Bereits ohne Dämmung ist der Energieverbrauch des Hauses seit Jahren gering, die Einsparquote sinkt dadurch zusätzlich. Hinzu kommt, dass ein Drittel der Heizenergie auf Warmwasserkosten entfällt. Deren Verbrauch wird durch die Deutsche Annington nicht erfasst. Das geltende Mietrecht wird dort zur Immobilienaufwertung genutzt, mit Umweltpolitik hat das nichts zu tun".

Streit um den Instandsetzungsanteil bei Gebäudesanierungen gibt es auch in der in der Wittenbergstraße in Bochum-Langendreer. Dort hat der Bochumer Mieterverein für seine Mitglieder im Haus berechnet, dass die Reparaturen 60 % der angeblichen Modernisierungskosten ausmachen. Außerdem hatte die Vermieterin öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen. Auch diese müssen von den Gesamtkosten abgezogen werden, bevor der Restbetrag auf die Miete umgelegt werden darf.

In der Großsiedlung Bergmannsfeld in Essen-Freisenbruch sind rund 350 Wohneinheiten im Besitz von Häusser-Bau. Dort zeigt sich eindrucksvoll, wie mit einer stückweisen Modernisierung Mieten in die Höhe getrieben werden. So wurden zwar die alten Nachtspeicheröfen durch eine moderne Gaszentralheizung ersetzt und neue Balkontüren und -fenster eingesetzt, andere Fenster in den Wohnungen blieben aber unangetastet. Wärmedämmung der Fassaden, Sanierung der Bäder? Fehlanzeige. Die Mieterhöhung fiel trotzdem happig aus: Mindestens
70 Cent mehr sollen die Mieter pro Quadratmeter zahlen, sodass die Kaltmieten nach dieser Teilmodernisierung zwischen 6,50 Euro und 7,50 Euro pro Quadratmeter liegt. "Ähnlicher Wohnraum in der Siedlung wird – von anderen Vermietern – rund zwei Euro günstiger angeboten. Trotz einer Vollwärmedämmung und modernen Bädern", sagt Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen e.V. "Wir befürchten, dass die Leerstandsquote im Häusser-Bestand steigen wird. Nicht zuletzt, weil Mieter die ihre Miete bisher über die Kosten der Unterkunft (KdU) finanziert bekommen haben, nach der Erhöhung keine ‚angemessenen Unterkunftskosten‘ mehr vorweisen können."

Die Aussichten

"Ich fürchte, der Energiewende im Gebäudebereich geht die Luft schon aus, bevor sie richtig angefangen hat", sagte Siebenkotten im Mai dieses Jahres. "Die Bundesregierung muss für Klarheit sorgen. Eigentümer, Vermieter und Mieter müssen wissen, woran sie in den nächsten Jahren sind." Es fehlt ein konkreter Zeit- und Ablaufplan, und es fehlen Werkzeuge zur Umsetzung. Der Deutsche Mieterbund wird in seinen Forderungen nach einer klaren Linie seitens der Regierung durch die großen Naturschutzorganisationen wie NABU, Bund oder den Deutschen Naturschutzring (DNR) unterstützt. Eine Lösung wäre etwa das vom BUND und DMB vorgestellte Drittelmodell, bei dem Hauseigentümer 1/3 der Kosten als Instandhaltungsanteil und Sicherung der Bausubstanz tragen, 1/3 warmmietenneutral und sozialverträglich von den Mieterinnen und Mietern übernommen wird und 1/3 durch staatliche Förderprogramme gedeckt ist.

Dass es nicht ausreicht, das Ziel zu formulieren, den Weg dorthin aber auszublenden, hat inzwischen auch die Bundesregierung eingesehen und schreibt: "So wie bisher kann man nicht weitermachen." Manchmal ist halt wirklich der Weg das Ziel.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

Twitter


Arbeitsgemeinschaft der Mietervereine Bochum, Dortmund, Witten, Mietergemeinschaft Essen

Kontakt | Sitemap | Datenschutz | Impressum