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11. September 2014 (Aus den Städten)

Wohnen mit eingeschränkten Rechten

Anfang des Jahres bezog die Polizei in Dortmund-Hörde ihre neue Wache direkt am Phoenixsee. Für die nun leerstehenden Räume in der Alten Benninghofer Straße gibt es bisher kein erkennbares Folgenutzungskonzept. Inzwischen haben ein paar junge Menschen im Auftrag des niederländischen Unternehmens Camelot die Räume bezogen und wohnen dort als Hauswächter für einen sehr geringen Kostenbeitrag. Ein auf den ersten Blick lohnendes Geschäft für alle Beteiligten. Doch als Hauswächter gibt man viele Rechte auf.

In einem Schloss wohnen, in einer alten Klinik oder einer leerstehenden Fabrik. Das klingt nach einem schönen Traum für Individualisten. Camelot verkauft diesen Traum: als Wohnraumanbieter, an vornehmlich junge Menschen, die „anders“ wohnen möchten.

Wirtschaftlichkeit
Zwischennutzung ist das Zauberwort. Um langfristigen Leerstand und die daraus folgenden Probleme wie Vandalismus und Verfall der Bausubstanz zu vermeiden, nutzen immer mehr Immobilieneigentümer den Service von Vermarktungsprofis wie Camelot. Sie sorgen dafür, dass die Objekte bewohnt und somit bewacht und gepflegt werden. Insbesondere auf den angespannten Wohnungsmärkten der Metropolen funktioniert dieses Konzept hervorragend. Meist sind es Studierende, die für eine verhältnismäßig geringe Nutzungsgebühr die Objekte beziehen und das Gefühl genießen „anders“ zu wohnen. Dafür nehmen diese Hauswächter neben einer extrem kurzen Kündigungsfrist, freiwillig zahlreiche Unannehmlichkeiten in Kauf. Schaut man in das Regelwerk von Camelot, findet man Vorschriften, die eher nach Jugendherberge als nach Studentenbude klingen. „Kerzen sind verboten. Der Besitz von Kerzen wird mit einer Geldstrafe geahndet“, heißt es etwa in der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ auf der Internetseite des Unternehmens. Und ein paar Sätze davor: „Hauswächter dürfen nur zwei Gäste auf einmal empfangen, Partys sind im Objekt grundsätzlich verboten. Zudem dürfen keine Haustiere oder Kinder im Objekt wohnen.“ Und damit diese Regeln auch eingehalten werden, verspricht Camelot seinen Kunden – also den Eigentümern – monatlich unangekündigte Besichtigungen durch ein „Hauswächter-Management-Team“ sowie den jederzeit möglichen Zugang zum Objekt durch den Eigentümer selbst.

Die Wohnungsnot muss schon sehr groß sein, um sich auf diese Vereinbarungen einzulassen. Doch letztendlich versorgt Camelot lediglich eine Marktnische in der es um Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Kostenminimierung und die Weiterverwertung von Immobilien geht. Die kreative Überführung der Immobilie in neue, stadtplanerisch sinnvolle oder aufwertende Nutzungen sieht das Konzept von Camelot nicht vor.

Umdenken
Dass Zwischennutzung auch nachhaltiger, regionaler und origineller sein kann, zeigt die Bremer ZwischenZeitZentrale (ZZZ). Mit diesem Projekt versuchen der Dipl.-Ing. der Architektur Daniel Schnier und der Dipl.-Ing. der Raumplanung Oliver Hasemann leerstehende Immobilien einer neuen Nutzung zuzuführen. Die 2009 als Pilotprojekt gestartete ZZZ versteht sich dabei vor allen Dingen als Auslöser von Transformationsprozessen. „Wir schieben Prozesse an“, sagt Dipl.-Ing. Oliver Hasemann. „Gemeinsam mit den Eigentümern schaffen wir durch die Zwischennutzung überhaupt erstmal einen Raum, in dem ausprobiert werden kann, welche langfristigen Folgenutzungen sowohl zum einzelnen Objekt als auch zum Umfeld passen.“ Das Gute: Die Erfahrungen der ZZZ sind auf andere Regionen übertragbar und so wertvoll, dass – nach dem Ende der Anschubförderung durch den Bund – die Stadt Bremen die Förderung zu 100% übernahm und so langfristig die Weiterarbeit der ZZZ sicherte. Ein besonders gut gelungenes Beispiel einer Neunutzung durch Zwischenmieter: die Plantage 9, nur wenige Gehminuten hinterm Bremer Hauptbahnhof gelegen. Die ehemals von einem Brandschutzunternehmen genutzten Gebäude wurden durch die Stadt gekauft und sollten – nach ihrem Abriss – den Bau einer Erschließungsstraße ermöglichen. Als absehbar wurde, dass diese Pläne mittelfristig nicht umsetzbar seien, klopfte die ZZZ bei der Stadt an und überzeugte die Verantwortlichen von einer Zwischennutzung durch Künstler, Kunsthandwerker und weitere Kreative. Das war im Sommer 2010. Vier Jahre später ist die Straßenplanung in weite Ferne gerückt. Die Kreativen haben sich mit Hilfe der ZZZ in einem gemeinnützigen Verein organisiert und kürzlich einen weiteren Mietvertrag über vier Jahre abgeschlossen.

Testphase
Solch eine regionale Zwischennutzung mit der Chance auf neue Perspektiven hatte der Eigentümer der alten Polizeiwache in Hörde – der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) – offensichtlich nicht im Sinn. Auf Anfrage des Mieterforum teilte der BLB NRW mit, dass die Zwischennutzung der alten Wache durch Camelot eine Art Testlauf darstellt, der zeigen soll, ob ein landesweiter Einsatz von Hauswächtern möglich und sinnvoll ist. Dass Camelot in der Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen einen attraktiven Markt sieht, zeigt die Tatsache, dass während dieser Testphase für den BLB NRW lediglich die Betriebskosten der alten Wache anfallen. Erst danach würden – bei einer weiteren Zusammenarbeit mit Camelot – auch Kosten für den Service der Niederländer anfallen.

Den Kontakt zu lokalen Initiativen, wie den Urbanisten oder Borsig11, die wichtige Impulse zur Aufwertung von Quartieren geben, suchten die Entscheider aus Düsseldorf ebensowenig, wie ein neues Nutzungskonzept für die alte Polizeiwache. Das sei die Aufgabe des möglichen Käufers heißt es lapidar in der Antwort vom BLB NRW. Früher oder später werden die Camelot-Hauswächter die Räume der alten Polizeiwache wieder räumen, denn dass das Objekt am boomenden Standort Hörde einen Käufer finden wird, steht außer Frage.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

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