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5. Januar 2016 (Aus den Städten)

Herr Eiskirch, wir müssen reden

Mit Thomas Eiskirch hat Bochum einen neuen Oberbürgermeister, und der hat gleich in seiner Antrittsrede zu erkennen gegeben, dass er gewillt ist, das Thema Wohnen anders zu behandeln, als das bisher in Bochum der Fall war. „Wir werden sowohl unser Vorgehen in der Verwaltung als auch den Umgang mit Frei- und Siedlungsraum überdenken“, kündigte er an. Ein besonderes Anliegen sei ihm, den Nachholbedarf Bochums beim Wohnungsbau zu stemmen, und zwar sowohl im günstigen Preissegment als auch bei hochwertigen Angeboten. Wenn das kein vielversprechender Anfang ist!

Der Bochumer Wohnungsmarkt galt bisher als in weiten Teilen entspannt. Was nicht so ganz ins Bild passen will, ist, dass viele Mitglieder des Mietervereins, die auf der Suche nach kleinen, preiswerten Wohnungen sind, berichten, dass die Suche gar nicht so einfach ist. Manche haben mehr als ein halbes Jahr gesucht, bevor das Passende gefunden war. Und auch bei der letzten Datenerhebung zum Mietspiegel hat sich eine deutliche Preissteigerung bei den kleinen Wohnungen gezeigt.

Hohe Leerstandszahlen

In diese Überlegungen über einen langsam anziehenden Wohnungsmarkt platzt im November eine Zahl aus dem Rathaus, die gar nicht dazu passen will: In Bochum stehen rund 9.400 Wohnungen leer, viel mehr als bisher gedacht. Im letzten Wohnungsmarktbericht der Stadt ist die Leerstandsquote mit 3,7 % angegeben – das ist kaum mehr, als ein funktionierender Wohnungsmarkt als „Fluktuationsreserve“ braucht. Die Zahl 9.400 entspricht einer Quote von 4,8 %. Dahinter steckt allerdings kein Trend, sondern ein Methodenwechsel beim Zählen.

Die Wohnungsmarktbeobachtung der Stadtverwaltung betont, dass das keine Trendwende beweist. Denn immer wieder wird bei der Statistik die Methode gewechselt, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Denn es gibt keine gesicherten Daten über die Anzahl freifinanzierter Wohnungen in der Stadt – und noch viel weniger darüber, ob sie nun bewohnt werden oder nicht.

Leerstandszahlen basieren deshalb oft auf Stromzähleranalysen der Stadtwerke: Wohnungen mit extrem niedrigen Stromverbrauch über einen gewissen Zeitraum werden als leer gewertet. Doch das beweist nicht, dass sie keinen Mieter haben. Zu den Auswirkungen von Hartz IV gehört, dass sich in etlichen Wohnungen niemand aufhält, obwohl sie vermietet sind – weil der Mieter oder die Mieterin faktisch bei einem neuen Partner lebt, die eigene Wohnung aber nicht aufgibt, um nicht unterhaltspflichtig zu werden.

Wohnungen für Flüchtlinge finden

Bochum hat bisher rund 3500 Flüchtlinge aufgenommen. Kein Problem, sollte man meinen, wenn es über 9000 leere Wohnungen gibt. Selbst wenn – wie der Bochumer Durchschnitt – nur jeweils zwei davon eine Wohnung brauchen, müsste es genug Reserven auf dem Markt geben.

Um diese zu aktivieren, wäre eine Zweckentfremdungssatzung hilfreich. So eine Satzung stellte jede andere Verwendung von Wohnraum als zu Wohnzwecken unter ausdrücklichen Genehmigungsvorbehalt der Stadt. Dazu gehört Abriss, Umnutzung als Gewerbe und auch Leerstand. Ein Vermieter, der seine leere Wohnung regelmäßig inseriert, auch keinen unangemessenen Preis fordert, wird durch so eine Satzung nicht in Schwierigkeiten geraten. Doch wer seine Wohnung aus Bequemlichkeit dem Markt entzieht, oder wer völlig realistätsferne Vorstellungen über erzielbare Preise hat, dem droht ein Bußgeld.

Die Städte in NRW dürfen sich so eine Satzung selber geben – das hat die Landesregierung 2012 beschlossen. Bisher haben allerdings nur Bonn, Köln, Münster und Dortmund davon Gebrauch gemacht. Denn der Gesetzgeber hat die Ermächtigung der Kommunen, sich so eine Satzung zu geben, an einen engen Wohnungsmarkt gekoppelt. Davon kann in Bochum zumindest pauschal wohl nicht die Rede sein.

Der Mieterverein ist trotzdem der Meinung, dass Bochum eine Zweckentfremdungssatzung braucht. Gerade wenn es genug leere Wohnungen gibt, ist nicht einzusehen, warum Zugewanderte in Zelten, Turnhallen oder leeren Baumärkten unterkommen müssen. Das ist eines der Dinge, über die wir mit dem neuen Oberbürgermeister reden wollen – und wir freuen uns über seine bereits bekundet – Gesprächsbereitschaft.


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