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23. Februar 2016 (Vonovia)

Mieterverein Witten: Spekulativer Höhenflug zu Lasten von Mietern und Wohnungspolitik

In ihrem Geschäftsbericht 2015 glänzt die Vonovia SE auf den ersten Blick mit einem Rekordergebnis von mehr als 1,7 Mrd. € vor Steuern. Dieses Ergebnis beruht allerdings auf bloßen Wertberichtungen, in denen sich Erwartungen auf weiter steigenden Mieten und Hauspreisen sowie niedrigen Zinsen spiegeln. Ein riskantes Spiel mit erheblichem Einfluss auf die Wohnungspolitik.

Fast 1,4 Mrd. € beträgt die zum 31.12.2016 erfolgte Erhöhung des geschätzten Zeitwertes der Wohnimmobilien der Vonovia. Grundlage dafür ist eine Hochrechnung erwarteter Zahlungsströme, in die unter anderem die in den nächsten 10 Jahren erwarteten Zinsen und Mietsteigerungen einfließen. Ohne diese in der Bilanz abgebildeten Erwartungen würde der Gewinn vor Steuern auf 350 Mio. € zusammenschrumpfen.

Bereits seit Mitte des letzten Jahrzehnts sind solche fiktiven Wertgewinne der eigentliche Träger der wirtschaftlichen Ergebnisse in der finanzmarktorientierten Wohnungswirtschaft. Trotz zeitweiliger Wertverluste im Zuge der Finanzkrise 2008 sammelte sich im Kapitalstock der Deutschen Annington bis zum Börsengang 2013 eine Wertsteigerung von 904 Mio. € an. Seitdem beschleunigt sich der spekulative Höhenflug. Allein in den Jahren 2013 und 2014 kam es zu einer fiktiven Wertsteigerung um eine weitere Milliarde Euro.

In der Bilanz 2015 führen außerdem die Kosten der Übernahme von Gagfah und Co. zu fiktivenWertsteigerung. Auf 2,7 Mrd. Euro belaufen sich die durch diese Aufkäufe geschaffenen „immateriellen Werte“ des Konzerns, die durch keine Immobilie gedeckt sind, der sogenannte "Goodwill". Zusammen mit dem bilanziellen Höhenflug für die Immobilien sind damit innerhalb von nur einem Jahr die fiktiven Werte im Vonovia-Konzern um insgesamt über 4 Mrd. Euro gestiegen.

Es ist dies eine Rechnung mit vielen Risiken. Sollten sich die Zinsen erhöhen, sollte die Wohnungsnachfrage nachlassen oder sollte es zu wirksamen gesetzlichen Beschränkungen der Mieterhöhungsmöglichkeiten kommen, könnten die hoch gepushten Werte schnell dahinschmelzen. Das Ergebnis wären horrende Bilanzverluste und ein stark erhöhter Verschuldungsgrad. Allein der Verlust der bilanziellen "Aufhübschung" 2015 (Bewertungsergebnis + Goodwill) würde die Eigenkapitalquote des Konzerns auf unter 25 % zusammenschrumpfen lassen. Rechnen wir die seit 2013 akkmulierten Wertkorrekturen hinzu, kommen wir auf unter 20 %.

In der Folge einer Krise mit straken Abwertungen könnten die Zinsen für neue Kredite sehr viel teurer werden. Der Wachstums- und Investitionskurs der Vonovia würde ein jähes Ende finden. Der jetzige Höhenflug an den Börsen würde sich als Blase entpuppen.

Um das Risiko eines solchen Szenarios geringer zu halten, arbeitet Vonovia ständig an der weiteren Umschichtung der Finanzierung zu Gunsten von Kapitalerhöhungen und Unternehmensanleihen mit breiter gestreuter Rückzahlungs-Fälligkeit. Auch das für die gescheiterte Übernahme der Deutschen Wohnen mobilisierte Kapital soll nach Aussagen der Vonovia-Chefs nun in diesem Sinne eingesetzt werden. Diese Strategie läuft allerdings darauf hinaus, die Geschäftsmodelle der finanzmarktorientierten Wohnungswirtschaft zu verewigen. Und das hat enorme Konsequenzen für die öffentliche Wohnungspolitik.

Vonovia-Chef Buch bekennt sich einerseits zu verlässlichen qualifizierten Mietspiegeln, andererseits aber tritt er vehement gegen den Plan der SPD ein, die Datengrundlage für diese Mietspiegel zu erweitern. Würden nicht mehr nur die neu vereinbarten oder erhöhten Mieten der letzten 4 Jahre in die Erhebungen einfließen, könnte es in vielen Städten zu einer Absenkung der Mietspiegelwerte kommen. Das aber würde nicht nur weitere Mieterhöhungsmöglichkeiten beschränken. Die Aussicht auf geringere Mietsteigerungen in der Zukunft würde unmittelbar zu deutlichen Abstrichen bei den Immobilienwerten führen. Die spekulativen Bilanzgewinne würden sich in Verluste verwandeln und die finanzmarktorientierte Wohnungsbranche stünde vor einer neuen Krise.

Das Beispiel zeigt, wie sehr Wohnungswirtschaft und Wohnungspolitik bereits abhängig sind von den Strukturen und Gepflogenheiten der Finanzmärkte. Ohne strategischen Bruch mit der Logik der Vermietungskonzerne werden die Handlungsspielräume für eine soziale Wohnungspolitik und die Vertretung der Mieterinteressen immer enger.


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