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6. April 2016 (Aus den Städten)

Angekommen – und dann?

Im November 2014 kündigte die Stadt Dortmund an, eine ehemalige Schule in der Innenstadt zu einer Flüchtlingsunterkunft zu machen. 17 weitere sind seitdem hinzugekommen – und längst geht es nicht mehr nur um ein kurzfristiges Unterbringen, sondern darum, wie die Menschen, die hier bleiben werden, gut ankommen können.

Schnell wird klar, dass dabei viele Schrauben gestellt werden müssen. „Es ist eine schwierige Zeit“, sagen Regina Hermanns und Gamze Çalıskan. „Die Hilfesysteme müssen sich noch zurecht finden und es gibt noch viele offene Fragen.“ Hermanns und Çalıskan gehören zum Planerladen e.V., der als eine von sechs Dortmunder Integrationsagenturen das Ziel vorantreibt, das Miteinander zugewanderter und schon lange in Dortmund lebender Menschen zu unterstützen und zu fördern. Vor über 30 Jahren gegründet, arbeitet der Planerladen seit 2007 vor allem daran, die gesellschaftliche Teilhabe von EU Neuzugewanderten aus Rumänien und Bulgarien zu verbessern. In seiner Arbeit hat der Verein viele Erfahrungen gemacht, aus denen sich bei der Integration von Geflüchteten lernen lässt.

Arbeit, Bildung, soziale Balance

Mit dem Dortmunder Masterplan Integration setzte die Stadt 2005 die Integration Zugewanderter auf die Agenda der Verwaltung. Die „gleiche Teilhabe und Chancen am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ steht im Leitbild, Bildung, Arbeit, das die „soziale Balance in den Stadtteilen und die Positionierung als weltoffene Stadt als Schwerpunkte von Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft setzt. „Arbeit ist das Erste, das viele Menschen möchten“, weiß Gamze Çalıskan, „sie ist die Grundlage, um das eigene Leben zu bestreiten. Damit einher geht der Spracherwerb.“ Für Geflüchtete haben Stadt, Jobcenter und Agentur für Arbeit im Oktober einen sogenannten Integration Point eingerichtet, über den Menschen schnell eine Beschäftigung oder eine Ausbildung finden sollen. Unterstützung gibt es aus der Wirtschaft, zum Beispiel von der Industrie- und Handelskammer. Sie hat einen Leitfaden für Unternehmen herausgegeben, in dem Fragen zu Arbeitserlaubnis und Fördermöglichkeiten sowie zur psychologischen Betreuung geflüchteter Beschäftigter beantwortet werden.

Auch Fragen von Bildung sind essenziell bei sozialer Teilhabe von Zugewanderten und damit auch von Flüchtlingen. In der Schule greift das bekannte Konzept der Auffangklassen, in denen Kinder, die nicht Deutsch sprechen, die Sprache und andere Hauptfächer lernen, bevor sie nach planmäßig zwei Jahren in Regelklassen wechseln. Neu sind Angebote bei der akademischen Ausbildung: Die Technische Universität und die Fachhochschule Dortmund nehmen Geflüchtete kostenlos als Gasthörerinnen und Gasthörer auf. Die FH will mit Intensiv-Sprachkursen und Beratungsangeboten Geflüchtete, die in Deutschland ein Studium beginnen oder fortsetzen wollen, gezielt fördern.

 Vor allem auf ehrenamtlicher Basis läuft die Begleitung in den Alltag. Rund um Unterkünfte wurden Unterstützungsnetzwerke geknüpft, und Initiativen wie das Projekt Ankommen, Train of Hope oder Refugees Welcome bieten niedrigschwellige Angebote zum Deutschlernen und Kontakte knüpfen oder stehen zur Seite, wenn es darum geht, die Kinder in der Schule anzumelden, eine Wohnung zu finden und andere Alltagshürden zu nehmen. Ankommen hängt auch davon ab, wie gut die „Neuen“ mit den älter Eingesessenen zurechtkommen und zusammenleben. An dieser Stelle agieren die Dortmunder Integrationsagenturen,von denen eine beim Planerladen angesiedelt ist. Und da ist klar, worauf es ankommt: „Kontakt und Vertrauen“, sagen Hermanns und Çalıskan. Mit IRON - „Integration von Roma in die Dortmunder Nordstadt“ - startete 2012 ein dreijähriges Projekt zur Begleitung und Unterstützung von Roma sowie zur Sensibilisierung und zum Abbau von Vorurteilen. Bereits die 2011 gestartete Banneraktion „Blickwechsel“ trug dazu bei. „Auch wenn oft behauptet wurde, die Kontaktaufnahme sei schwierig, ist es uns durch aufsuchende Arbeit und muttersprachliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter recht schnell gelungen, Kontakte in die Community zu knüpfen, so dass unser Beratungsangebot sehr gut angenommen wurde“, sagt Regina Hermanns. „Für uns steht an erster Stelle, mit den Menschen zu sprechen statt über sie.“ Das zeigt sich nicht nur an Veranstaltungen wie dem Kulturfestival Djelem Djelem oder dem Filmprojekt mit Neuzugewanderten, „Vom Traum zur Realität“, sondern auch daran, dass sich, unterstützt vom Planerladen, mit einem Solidaritäts- und Freundschaftsverein eine Plattform zur Selbstorganisation gegründet hat.

Konfliktvermittlung zwischen Einheimischen und Zugewanderten ist ein Schwerpunkt der Integrationsagentur beim Planerladen. Mit den Nachbarschaftsforen hat das Team ein Instrument geschaffen, mögliche Konflikte im Stadtteil früh zu erkennen und auszuräumen. Wenn es um Müll in der Straße oder das Grillen im Park geht, können Betroffene zusammenkommen, Positionen erörtern und gemeinsam mit Expertinnen und Experten Lösungen erarbeiten. Auch bei individuellen Konflikten vermittelt die Agentur.

Sachliche Diskussion

Noch etwas braucht es: Geduld. Der Diskurs um Zugewanderte aus EU-Ländern war besonders Anfang 2007 stark von Vorurteilen und Rassismus geprägt, „auch, weil es keine Berührungspunkte mit ihnen und kaum sachliches Wissen oder Informationen über ihre tatsächliche Lebenssituation in ihrer Heimat und hier in Dortmund gab“, sagt Gamze Çalıskan. Heute sei die Diskussion sachlicher geworden. „Bei den Flüchtlingen stehen wir vor ähnlichen Herausforderungen: Menschen brauchen Sprachkurse und Beschäftigungsmöglichkeiten. Es gilt, sie über Rechte und Pflichten aufzuklären und sie an Hilfesysteme wie die Eltern- und Familienberatung heranzuführen. Unsere Freizeitstätten vermelden seit Monaten große Besucherströme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen, die nun in die Angebote eingebunden werden.“
(Alexandra Gehrhardt)


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