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13. März 2017 (Aus den Städten)

Neues vom Wohnungsmarkt: Nicht Wende, eher Halse

Segler haben nicht nur ein Wort für einen Richtungswechsel. Sie sprechen von einer Wende, wenn sie ihr Schiff mit der Nase in den Wind drehen, um umzukehren. Eine Drehung aus dem Wind heraus nennen sie dagegen Halse. Insofern ist es eher eine Halse als eine Wende, was sich gerade auf dem Bochumer Wohnungsmarkt abspielt. Dass es enger wird, dass sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage umkehrt, pfeifen seit geraumer Zeit die Spatzen von den Dächern. Nun ist es amtlich, nachzulesen im Wohnungsmarktbericht 2016, vorgestellt im Stadtentwicklungsausschuss am 22. Februar.

Ende 2015 gab es in Bochum 197.824 Wohnungen, 109 mehr als im Jahr davor. Das spricht nicht gerade für eine rege Bautätigkeit, auch wenn 2015 ein besonders schlechtes Jahr war. 2014 wuchs der Wohnungsbestand noch um fast 350 Einheiten, 2013 immerhin um 310. Gebaut wurde zwar ein bischen mehr in diesen drei Jahren, nämlich ca. 970 freifinanzierte und 150 geförderte Wohnungen, aber durch Abriss oder Umnutzung gehen dem Markt ja auch immer Wohnungen verloren. Die „Bauintensität“, so nennen das die Fachleute, lag in Bochum zuletzt bei nur 1,8 Neubauten jährlich pro 1.000 Bestandswohnungen. „Unterdurchschnittlich“ nennt dies der Wohnungsmarktbericht schlicht und gesteht: „In Essen, Dortmund und Castrop-Rauxel liegen die Werte deutlich höher.“

Das soll sich ändern, und das muss es auch. Bochum ist keine schrumpfende Stadt mehr. 2014 wurden am Ende des Jahres erstmals mehr Einwohner gezählt als im Vorjahr, nämlich 365.400. Das war, bevor die Flüchtlinge kamen. Die haben dann 2015 für Dynamik gesorgt und die Zahl auf 369.300 klettern lassen. Inzwischen sind die 370.000 erstmals seit 2008 wieder überschritten worden, obwohl keine Flüchtlinge mehr kommen. Bochum wächst wieder.

Das erhöht natürlich die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt. Was theoretisch kein Problem sein sollte – schließlich haben in Bochum mal über 400.000 Menschen gelebt. Die allerdings hatten noch keine 42,3 qm Wohnfläche pro Kopf – so der aktuelle Durchschnitt – zur Verfügung. Etliche Jahre mit entspanntem Markt und stagnierenden Mieten haben dazu beigetragen, dass sich die Bochumer viel Platz leisten konnten.

Leerstände aktivieren

Doch es gab auch reichlich Leerstände, die Zuziehende aufnehmen könnten. Knapp 9.400 leere Wohnungen meldete die Stadt Mitte 2015. Das war eine Quote von 4,9 % – weit mehr, als ein funktionierender Wohnungsmarkt braucht (2–3 %). Am Jahresende waren es schon 1.000 weniger, und ein weiteres halbes Jahr später noch 7.700. Seither allerdings stagniert die Zahl. Es scheint so, dass sich der Aktivierungseffekt durch den Flüchtlingszuzug verbraucht hat. Wer an die Reste ran will, muss zu schärferen Maßnahmen greifen.

Die meisten Leerstände – soweit ist das lokalisierbar – gibt es übrigens mit mehr als 6 % im Stadtumbaugebiet Griesenbruch / Stahlhausen / Goldhamme, gefolgt von Wattenscheid, Bochum-Innenstadt und Langendreer-Alter Bahnhof mit über 5 %. Überdurchschnittlich sind auch Riemke, Hofstede, Hamme, Werne, Linden, Westenfeld und Günnigfeld.

Ambivalente Signale

Für die Einschätzung der aktuellen Marktlage gibt es widersprüchliche Signale. So ist die innerstädtische Umzugsquote – normalerweise ein klares Indiz – 2013 und 2014 spürbar gesunken und 2015 nur durch das Hin und Her bei der Flüchtlingsunterbringung wieder gestiegen. Das spricht für eine Anspannung.

Andererseits ist die Mietenentwicklung in der Stadt immer noch moderat. Die nebenstehende Grafik zeigt die Durchschnittsmieten der letzten fünf Mietspiegel-Datenerhebungen, denen jeweils mehr als 5.000 Datensätze zugrunde liegen. Während die Mieten bis einschließlich 2010 um die 5 € pro qm dümpelten, ist seither ein spürbarer Anstieg zu verzeichnen. Zwischen den beiden letzten Datenerhebungen zum Mietspiegel 2014 und 2017 lag der aber nur bei 1,1 % pro Jahr. Eine Mietenexplosion, wie wir sie Anfang der 90er-Jahre erlebt haben, sieht anders aus.

Für Ärmere wird‘s eng

Schlechter ist die Lage für Geringverdiener. Der Bestand an Sozialwohnungen schrumpft unaufhaltsam. Im Vergleich zu 10 Jahre zuvor hatte er sich 2015 auf nur noch 13.700 Wohnungen halbiert. In den nächsten 10 Jahren wird er um weitere 2.200 sinken, wenn nicht durch massiven Neubau oder den massenhaften Ankauf von Bindungen gegengesteuert wird.

Denn die Nachfrage nach preiswertem Wohnraum steigt. Die Anzahl der Haushalte, die Leistungen nach dem SGB II beziehen (Hartz IV), ist seit 2011 um 2.000 gestiegen, beim SGB XII (Grundsicherung) sind es weitere 1.400. Dass ohne staatliche Förderung Wohnungen gebaut werden, die für diese Klientel in Frage kommen, ist nicht zu erwarten. Immerhin hat der Rat das Problem erkannt und nicht nur die Bereitstellung von Grundstücken für den Sozialen Wohnungsbau beschlossen, sondern auch eine Sozialwohnungsquote von 20 bis 30 % bei Neubauprojekten.


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