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11. September 2017 (Bundespolitik)

Bundestagswahl: Der Kampf um Berlin

Am 25. September ist Bundestagswahl, und es geht wie immer nicht nur um die Zukunft Deutschlands, sondern mindestens des gesamten Abendlandes, der westlichen Hemisphäre oder noch mehr. Ganz sicher geht es aber um die Zukunft der Wohnungspolitik. Der kommt wieder mehr Bedeutung zu als im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, seit vor allem in vielen Großstädten das Wohnungsangebot immer knapper wird und die Mieten explodieren. Deshalb haben wir einen etwas genaueren Blick auf die Programme der Parteien geworfen.

Wenn man die Bedeutung, die die Parteien dem Thema Wohnungspolitik beimessen, anhand der Menge dessen bewerten wollte, wie viel sie dazu schreiben – es gäbe eine eindeutige Siegerin: Satte 8.300 Wörter umfassen die Aussagen zum Wohnen im linken Wahlprogramm. Mit 2.100 Wörtern weit abgeschlagen folgen die Grünen auf Platz 2. Platz 3 belegt die SPD mit 1.200 Wörtern, die FDP folgt mit 1.100. Die CDU bringt es auf ganze 560 Wörter, und der AfD ist das Thema gerade mal 300 Wörter wert. Das ist nicht mal eine Schreibmaschinenseite.

Mietrecht verbessern?

Doch auch inhaltlich gibt es begreiflicherweise riesige Unterschiede. Die SPD propagiert vor allem die Verbesserungen im Mietrecht, mit denen sie sich in dieser Legislaturperiode nicht durchsetzen konnte: Nachbesserung der Mietpreisbremse, verbindlichere Mietspiegel, Begrenzung von Mieterhöhungen nach Modernisierung. Bei der CDU fehlt zu diesen Reizthemen der Großen Koalition jedes Wort. Da „Wohnungsbau der beste Mieterschutz“ sei, setzt die CDU auf dessen Belebung statt auf „überbordende Regulierung“. Ansonsten geht es im Wahlprogramm der CDU nahezu ausschließlich um verbesserte Eigentumsförderung, insbesondere für Familien. Die sollen auch bei der Grunderwerbssteuer geschont werden, wie es in NRW schon Armin Laschet vormacht. Doch auch die SPD möchte durch ein „Familienbaugeld“ erreichen, das sich „mehr Menschen den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen können“.

Bauen, bauen, bauen

Was den Wohnungsbau angeht, übertrumpfen sich die bisherigen Koalitionspartner mit Zahlen. 1,5 Mio. Wohnungen will die CDU in den vier Jahren der nächsten Legislaturperiode neu errichten. Das wären 50 % mehr als heute. Bei der SPD sind es mit 350 bis 400.000 jährlich ähnlich viele. Die Realität hinkt dem noch weit hinterher: 2016 wurden noch nicht einmal 280.000 Wohnungen neu errichtet. Und im ersten Halbjahr 2017 ging die Zahl der Baugenehmigungen sogar erstmals seit acht Jahren wieder zurück.

Soziales

Sind schon die Gewichte bei der Frage „Miete oder Eigentum?“ unterschiedlich verteilt, so fallen die Antworten beim Thema „Sozialer Wohnungsbau“ noch unterschiedlicher aus. Die bisherige Große Koalition hatte die Mittel dafür Schritt für Schritt verdreifacht, so dass zuletzt knapp 24.500 Sozialwohnungen neu gebaut wurden. Doch das hinkt immer noch weit hinter den 80.000 Wohnungen hinterher, die der Deutsche Mieterbund jährlich für nötig hält.

In der kommenden Legislaturperiode will die SPD erreichen, dass der Bund sich hier stärker engagiert, nennt aber keine Zahlen. Die CDU schweigt sich dazu komplett aus. Die bisherigen Oppositionsparteien Die Grünen und Die Linke stürzen sich um so vehementer auf das Thema: 1 Mio. dauerhaft günstige Wohnungen wollen die Grünen in vier Jahren schaffen. Die Linke fordert genau soviel: 250.000 neue Sozialwohnungen jährlich, und dafür will sie 5 Mrd. Euro per Anno ausgeben.

Das besondere an dem Thema: Der Bund muss sich eigentlich Ende 2019 komplett aus der Wohnraumförderung zurückziehen und die Finanzierung ab 2020 allein den Ländern überlassen. Das ist eine Spätfolge der Föderalismusreform, die die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern 2005 neu geregelt hat. SPD, Grüne und Linke wollen jedoch den Bund in der Pflicht halten und dafür nötigenfalls sogar die Verfassung ändern.

Bauland billiger

Außer der FDP haben alle etablierten Parteien zu teures Bauland als Hauptproblem ausgemacht. Entsprechend treten sie dafür ein, dass beim Verkauf öffentlicher Grundstücke nicht der Meistbietende zum Zuge kommen soll, sondern die Grundstücke verbilligt abgegeben werden sollen – was heute nur begrenzt erlaubt ist. Ein neues Bodenrecht, bei dem Verkaufsgewinne aus Bodenpreissteigerungen abgeschöpft und für sozialen, kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau ausgegeben werden, fordert nur Die Linke.

Mehr Wohngeld

Alle Parteien wollen mehr Wohngeld, nur mit anderen Worten. Die SPD will es „regelmäßig anpassen“, die FDP sogar jährlich, die CDU will es „reformieren und verbessern“, Die Linke „erhöhen und umbauen“ und Die Grünen schlicht verdoppeln. Grüne und Linke wollen darüberhinaus die Heizkostenkomponente wieder einführen.

Gemeinnutz

Den Programmen der Partner in der bisherigen Großen Koalition merkt man an, dass sie damit rechnen, vielleicht nach der Wahl wieder in diesem Bündnis zu landen – sie formulieren jedenfalls sehr zurückhaltend. Ganz anders die bisherige Opposition im Bundestag: Linke und Grüne nehmen kein Blatt vor den Mund und stimmen in vielen Forderungen überein.

Das gilt für eine weitere Reform des Mietrechts, wie sie der Deutsche Mieterbund fordert. Hier liegen sie auf ähnlicher Wellenlänge mit der SPD. Das gilt aber auch für eine Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit. Beide Oppositionsparteien hatten schon in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode Anträge dazu im Bundestag eingebracht und sie mit Gutachten untermauert – wir berichteten. Auch für die Zeit zwischen 2017 und 2021 haben sie das Thema auf der Agenda. Die SPD sagt sehr schwammig, dass sie den gemeinwohlorientierten Sektor „stärken“ wolle, CDU und FDP wollen davon nichts wissen.

Von Außen

Derzeit scheinen sechs Parteien gute Aussichten zu haben, in den nächsten Bundestag einzuziehen: Die beiden bisherigen Regierungsparteien CDU und SPD, die beiden bisherigen Oppositionsparteien Grüne und Linke, sowie zwei Parteien, die aktuell gar nicht im Bundestag vertreten sind: FDP und AfD. Aus Mietersicht könnte das auch so bleiben, denn von den beiden letzten haben Mieter nicht viel zu erwarten.

Die FDP will das Bauen durch verbesserte Abschreibungsbedingungen fördern, das Vermieten für private Hausbesitzer vereinfachen und die Eigentumsbildung durch Freibeträge bei der Grunderwerbssteuer erleichtern. Investitionshemmnisse wie den Mieterschutz (z. B. Mietpreisbremse) will sie dagegen abschaffen.

Die AfD möchte mehr Bauland bereitstellen und Bauvorschriften entschlacken, die Grund- und Grunderwerbssteuer senken sowie „planwirtschaftliche Eingriffe“ wie die Mietpreisbremse abschaffen.

Fazit

Die wohnungspolitischen Pläne von SPD, Linken und Grünen passen leidlich zusammen, ebenso die von CDU und FDP. Die Fortsetzung der Großen Koalition würde hingegen auch zur Fortsetzung der gegenseitigen Blockade führen.


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