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15. Juni 2018 (Aus den Städten)

Bochum: Innenstadt-Umbau - Rund um den Appolonia-Pfaus-Park

In Bochum sollen mehr Wohnungen gebaut werden. 800 pro Jahr, so hat der Rat schon lange vor dem Handlungskonzept Wohnen beschlossen. Bisher wird dieses Ziel noch weit verfehlt. Zwar zogen die Zahlen in den letzten Jahren deutlich an, lagen zwischen 2015 und 2017 dennoch nur bei 360 im Schnitt. Die Stadt hat deshalb eine Baulandoffensive vorgestellt. Die schafft Platz für 9.400 Wohnungen, die bis 2025 gebaut werden könnten. Platz für Wohnraum soll auch mitten in der Stadt entstehen, zwischen Rathaus und Technischem Rathaus, wo heute noch das Bildungs- und Verwaltungszentrum steht. Dessen Abriss ist beschlossene Sache.

Die Bochumer Innenstadt steht vor gewaltigen Umwälzungen. Noch in diesem Jahr wird der Abriss des ehemaligen Justizareals in Angriff genommen. 10.500 qm, auf dem die Hamburger HBB in den Folgejahren Einzelhandelsflächen, Büros, Gastronomie, Hotel, Fitnesszentrum und Parkfläche errichten wird. Direkt nebenan, im sogenannten „Telekomblock“ gegenüber dem Rathaus, soll eine Markthalle entstehen sowie Räume für die VHS und die Stadtbücherei, die durch den Abriss des maroden BVZ umziehen müssen.

Auf der anderen Seite des Rathauses ist dieses BVZ keineswegs das einzige Gebäude, das zur Disposition steht. Auch die direkt dahinter liegende Turnhalle steht auf der Abrissliste, ebenso wie die Häuser zwischen Rathaus und Christuskirche. Noch offen ist das Schicksal von Musikschule und Gesundheitsamt, deren Abriss diskutiert wird, aber noch nicht beschlossen ist. Diese Gebäude gruppieren sich rund um den Appolonia-Pfaus-Park. Statt der Bildungs- und Verwaltungseinrichtungen sieht die Stadt hier künftig hochwertige Wohnbebauung vor.

Bürger mischen mit

Dass derart weitreichende Veränderungen Interesse bei vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht nur aus der Innenstadt wecken, ist nicht verwunderlich. Zwar wird es noch etliche Jahre dauern, bis hier tatsächlich Bagger anrollen. Denn für die Ämter und Einrichtungen im BVZ und am Westring müssen ja erst Ersatzgebäude her, bevor irgendetwas abgerissen werden kann. Trotzdem bringen sich bereits mehrere Gruppen außerhalb von Rat und Verwaltung in den Diskussionsprozess um die Innenstadtentwicklung ein.

„Wir sind der Meinung, dass Grund und Boden – vor allem in der Innenstadt – Allgemeingut sind“, sagt Rainer Midlaszewski vom Netzwerk „Stadt für Alle“. „Deshalb sind wir dagegen, dass das Gelände hier, wie es sonst üblich ist, an einen Investor verkauft, sprich: privatisiert wird. Und schon gar nicht sollte ein so zentrales Gelände meistbietend über den Tisch gehen. Hier sollte zum Zuge kommen, wer das beste Konzept hat, nicht, wer das meiste Geld zahlt.“ Um das Gelände langfristig in öffentlicher Hand zu erhalten und um einen Bauträger von den Grundstückkosten zu entlasten, fordert das Netzwerk deshalb Grundstücksvergabe im Wege des Erbbaurechts.

Ohnehin ist man beim Netzwerk, dass in den letzten zwei Jahren vor allem mit Aktionen zum Thema Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum auf sich aufmerksam machte, der Ansicht, dass die gesamte Innenstadt bisher wenig bietet für Menschen, die nicht in der Lage oder willens sind, Geld auszugeben. Rebecca Sirsch: „Gastronomie gibt‘s in Bochum noch und nöcher, und Geschäfte natürlich auch. Aber Aufenthaltsqualität für Menschen ohne Geld gibt es nicht. Wir fordern die Förderung von öffentlichen Orten, an denen sich Menschen begegnen und die sie auf unterschiedliche Weise nutzen können. Dafür bietet sich der Appolonia-Pfaus-Park geradezu an.“

Offene Versammlungen

Weil eine Stadt nur dann eine Stadt für alle sein kann, wenn sie auch von allen – oder doch möglichst vielen – mitgestaltet wird, organisiert das Netzwerk seit Anfang April Stadtrundgänge und „offene Stadtteilversammlungen“. Kirsten Heining hat die Aufgabe übernommen, diese Treffen zu moderieren und ist angenehm überrascht: „Als wir das erste Mal offen eingeladen haben, waren wir ganz gespannt, wer da wohl so kommen würde - ob überhaupt Interesse da ist! Und wir sind immer noch ganz begeistert. Das Interesse ist groß, und so unterschiedlich die Teilnehmer*innen auch sind, die Ideen, die sie haben, um die Innenstadt attraktiver für alle zu gestalten, sind sehr ähnlich. So denken wir jetzt schon über Aktionen nach, um aufmerksam zu machen und mit noch mehr Menschen ins Gespräch zu kommen.“

Und so schälen sich nach vier Treffen, bei denen auch Arbeitsgruppen gebildet wurden, bereits „Kernforderungen“ heraus, zum Beispiel für den geplanten Wohnungsbau:

- kein Verkauf städtischen Bodens – Grundstücksvergabe nur im Wege des Erbbaurechts;

- Vorrang für dauerhaft preiswerten Wohnungsbau durch gemeinnützige Bauträger;

- Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in einem offenen Partizipationsprozess;

- die städtebauliche Form der zukünftigen Gebäude soll sowohl Privatsphäre für die Bewohnerinnen und Bewohner gewährleisten als auch die öffentliche Begegnung fördern.

Neben dem Thema neue Wohnbebauung befassen sich die Stadtteilkonferenzen aber auch mit den sonstigen Gebäuden, der generellen Nutzungskonzepten für die Innenstadt (mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität) und dem Verkehr, insbesondere dem Themen „Vorrang für das Fahrrad“.

IG Applonia

Parallel dazu hat sich eine „Interessengemeinschaft Appolonia“ gebildet, in der unter Anderem der Kortländer e. V., die GLS-Bank und BOLOG (Impulse für Bochum – Stadtentwicklung im Dialog) mitmischen. Sie hat die Idee entwickelt, kurzfristig einen Förderantrag aus dem Programm „Stadt gemeinsam gestalten! – Neue Modelle der Quartiersentwicklung“ des Bundesministeriums des Innern, Bau und Heimat (BMI) und des Bundesinstitus für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zu stellen. Hier können beispielhafte Projekte für eine innovative Quartiersentwicklung mit bis zu 1 Mio. € gefördert werden.


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