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15. Juni 2019 (Bundespolitik)

Gezerre um Grundsteuerreform: In der Zeit der Not ...

... bringt der Mittelweg den Tod, sagt ein altes Sprichwort, auf das Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) offenbar nicht gehört hat. Denn Eile ist eine Form von Not. Und Eile ist geboten bei der anstehenden Grundsteuerreform. Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt und eine Reform bis Ende 2019 verlangt. Was Olaf Scholz aber als Entwurf einer Reform im April vorgelegt hat, ist der klassische Mittelweg.

Die Grundsteuer wird bisher nach sogenannten „Einheitswerten“ festgesetzt. Das ist verfassungswidrig, weil die Einheitswerte im Westen aus dem Jahre 1964, im Osten sogar aus dem Jahre 1935 stammen. Diese Werte taugen verständlicherweise nicht mehr, um 55 bzw. 84 Jahre später festzustellen, was ein Grundstück wert ist und wie es besteuert werden sollte.

Wertabhängig?

Für eine Reform gibt es grundsätzlich zwei Modelle: das wertunabhängige und das wertabhängige.  Bei ersterem würden Grundstücke und Immobilien allein nach ihrer Fläche besteuert, unabhängig von Lage und Nutzung. Die Villa in der Innenstadt würde dann nicht mehr Steuern kosten als ein gleich großes Haus am Stadtrand.

Beim wertabhängigen Modell müssten alle Grundstücke und die auf ihnen stehenden Gebäude neu bewertet werden – ein enormer Verwaltungsakt, der durchaus zehn Jahre dauern kann.

Da beide Modelle auf den ersten Blick erkennbare Nachteile haben, schlägt das Haus Scholz einen Kompromiss vor: Danach sollen drei Faktoren für die Bewertung herangezogen werden: der Bodenrichtwert, der vom Gutachterausschuss festgestellt wird und sich an der zulässigen Nutzung des Grundstücks orientiert;
das Gebäudealter – wobei alle Vorkriegsbauten in eine Gruppe fallen;
die durchschnittliche Nettokaltmiete.

Da „Kompromiss“ immer bedeutet, dass keiner bekommt, was er will, hat Scholz‘ Vorschlag kaum Freunde. Die Bayern, weite Teile der CDU und die Immobilienwirtschaft fordern ein wertunabhängiges, reines Flächenmodell. Tatsächlich bringt jedes wertabhängige Modell das Problem mit sich, dass in den Ballungszentren, wo die Mieten eh hoch und die Wohnkostenbelastung enorm ist, zusätzlich auch noch die Grundsteuer steigt, die über die Nebenkosten von den Mietern gezahlt wird.

Grundsteuer: Zeitgemäß

Das Bündnis „Grundsteuer: zeitgemäß“, das von 50 Bürgermeistern, dem Deutschen Mieterbund (DMB) und dem Naturschutzbund (NABU) getragen wird, fordert seit 2012 eine wertabhängige Grundsteuer ohne Gebäudekomponente – also eine reine Bodenwertsteuer. Das hätte zwei Vorteile:

• Die Bodenrichtwerte liegen vor und müssen nicht erst ermittelt werden.

• Grundstücksspekulanten, die baureife Grundstücke brach liegen lassen, würden bestraft, weil sie genauso hoch besteuert würden, als wären die Grundstücke mit dem maximal Zulässigen bebaut.

Die Vorstellungen liegen weit auseinander. Viel Zeit ist nicht mehr.


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