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15. Oktober 2007 (Ohne Kategorie)

Es wird kalt

Warm anziehen müssen sich Bochumer Hartz-IV-Empfänger im kommenden Winter. In immer mehr Fällen kürzt die ARGE die Übernahme der Heizkosten auf dass, was sie für angemessen hält. Bisher sind knapp 300 Haushalte betroffen. Schon bald könnten es über 1000 sein. Der Sozialausschuss mochte daran bisher nichts ändern.

Fast 300 Hartz-IV-Haushalte in Bochum erhalten bereits jetzt nicht mehr die vollen Heizkosten von der ARGE. Das ist das Ergebnis einer "Mitteilung der Verwaltung", die der Sozialausschuss am 4. September zur Kenntnis nahm. Zumindest die CDU erklärte sich mit dem Verfahren insgesamt "zufrieden".

Hintergrund: Genau wie die Grundmiete müssen sich auch die Heizkosten von Hartz-IV-Haushalten im Rahmen der "Angemessenheit" bewegen. Was angemessen ist, bestimmt eine Richtlinie, die die Verwaltung schon zu Sozialhilfe-Zeiten erlassen hat und die der Sozialausschuss jederzeit ändern könnte. Sie sieht bei Zentralheizungen - die in 62 % der überprüften Haushalte vorliegt - vor, dass die Grenze im Grundsatz beim durchschnittlichen Verbrauch im Hause liegt. Geringfügige Ausnahmen sind bei ungünstiger Lage, hohem Alter oder Krankheit des Bewohners möglich.

Schon bald könnte wesentlich mehr Haushalte betroffen sein. Denn die ARGE hat erst bei knapp 2000 der über 20.000 Hartz-IV-Haushalte die Heizkosten auf Angemessenheit geprüft. Ergebnis: Bei 43,9 % waren die Heizkosten angemessen, nur 0,6 % erhalten einen höheren Zuschuss aufgrund der Ausnahmeregelungen, bei 15,2 wird bereits gekürzt. Weiteren 40,3 % steht eine Kürzung bevor, wenn es ihnen in der kommenden Heizperiode nicht gelingt, die Heizkosten zu senken. Sie sind über die angemessene Höhe belehrt worden - nicht aber über kostensparende Heizmethoden.
Die Durchschnittsmethode ist heftig umstritten. Sozialgerichte lehnen reihenweise Pauschalierungen der Heizkosten ab. Die ARGE aber wehrt sich gegen den Begriff "Pauschale" und spricht von "individuellen Entscheidungen" - schließlich gibt es ja die Ausnahmetatbestände, deren Vorliegen stets geprüft werde.

Ob sie damit vor Gericht durchkommt, ist höchst zweifelhaft. Beim Landessozialgericht in Essen ist ein Prozess um die Heizkosten anhängig, auf dessen Ausgang alle in Bochum sehnlichst warten.

Warum das so ist, bleibt seltsam unklar. Denn das Essener LSG hat bereits in mehreren Eilentscheidungen klar gestellt, wie es die Sache sieht. Kostproben im Originalton:
• "Die Anwendung von an Durchschnittswerten orientierten Pauschalen ... widerspricht bei summarischer Prüfung der gesetzlichen Regelung."
• "Ohne konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches Heizverhalten ist deshalb eine Kürzung auf vom Leistungsträger als angemessen erachtete Richtwerte nicht zulässig."
• "Im Übrigen ist bei einem Vergleich mit dem Verbrauchsverhalten etwa erwerbstätige Personen zu beachten, dass sich Hilfeempfänger naturgemäß in der Regel länger ... in der eigenen Wohnung aufhalten."
• "Die Höhe der laufenden Kosten für die Heizung ergibt sich entweder aus dem Mietvertrag oder aus den Vorauszahlungsfestsetzungen der Energieversorgungsunternehmen, für die eine Vermutung der Angemessenheit spricht, sofern nicht durchgreifende Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten gegeben sind."

Damit ist eigentlich alles gesagt, und es gibt nicht den leisesten Hinweis darauf, dass das LSG seine Meinung in einer Hauptsachen-Entscheidung ändern könnte - zumal auch alle anderen Sozialgerichte ähnlich urteilen.

Es bleibt ein Geheimnis des Sozialausschusses, warum er auf ein "richtiges" Urteil des selben Gerichtes wartet, bevor er - wie Astrid Platzmann-Scholten es für die rot-grüne Koalition formulierte - die Richtlinie "effizient ändert". Bis dahin dürfen Hartz-IVer frieren.


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