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4. Dezember 2009 (Land NRW)

Bilanz: Fünf Jahre schwarz-gelbe Wohnungspolitik

Fünf Jahre schwarz-gelbe Wohnungspolitik haben NRW verändert - nicht gerade zum Vorteil der Mieter. Eine Bilanz

Als CDU und FDP vor fast fünf Jahren die Macht am Rhein übernahmen, hatten sie sich einiges vorgenommen - auch im Bereich der Wohnungspolitik. Der Wohnungsmarkt in NRW schien ihnen überreguliert, und nichts hassen Neoliberale mehr als Regularien. Konkret empfanden sie diese als Standortnachteile für NRW. Deregulierung war also ihr Programm. Rechtzeitig vor der nächsten Landtagswahl hat MieterForum nachgeschaut, was sie dabei erreicht haben.

Gestrichen: Belegungsbindung
Wer vor fünf Jahren in NRW eine Sozialwohnung vermieten wollte, hatte eine feste Anlaufadresse: Die Wohnungsämter der Kommunen. Denn die hatten ein Vorschlagsrecht für die Wiederbelegung aller Sozialwohnungen. Möglich machte dies eine Verordnung nach § 5a des Wohnungsbindungsgesetzes, die die alte rot-grüne Landesregierung in Zeiten der Wohnungsnot erlassen hatte. Die Ämter machten danach einen sogenannten "Dreier-Vorschlag" - drei potentielle Mieter, von denen der Eigentümer sich einen aussuchen durfte.
Die Verordnung war zeitlich befristet. am 31. 12. 2005 lief sie aus - und wurde nicht verlängert. Die neue Landesregierung unter Jürgen Rüttgers hielt sie für überflüssig. Kommunen haben jetzt nur noch Belegungsrechte an den immer weniger neu gebauten oder mit Förderung modernisierten Sozialwohnungen. Wenn das nicht reicht, müssen Belegungsrechte gekauft werden.

Gestrichen: Zweckentfremdungsverordnung
Wohnraum ist zum Wohnen da. Das war früher ehernes Gesetz. Jede andere Verwendung von Miet-Wohnraum als zu Wohnzwecken bedurfte der ausdrücklichen Genehmigung durch die örtlichen Wohnungsämter. Erfasst davon war nicht nur die Umnutzung zu gewerblichen Zwecken - um Beispielsweise eine Arztpraxis oder eine Anwaltskanzlei darin einzurichten -, sondern auch der Abriss oder auch nur der Leerstand über einen längeren Zeitraum. Die Behörden konnten die Genehmigung verweigern, wenn der Wohnungsmarkt in der Region eng war, oder von Auflagen abhängig machen, etwa der Schaffung von Ersatzwohnraum oder einer Ausgleichszahlung. Sie konnten die Zweckentfremdung aber auch ohne Auflagen erlauben, wenn sie in öffentlichem Interesse war - beispielsweise, weil ein Arzt im Stadtteil fehlte. Ein rundum flexibles Instrument also.
Vorbei. Die Regierung Rüttgers hat die Zweckentfremdungsverordnung, die schon 2001 in ihrem Geltungsbereich deutlich eingeschränkt worden war und seither nur noch in 45 Städten an Rhein und Ruhr galt, zum 31. 12. 2006 ersatzlos gestrichen. Seither darf jeder Vermieter in NRW mit seinen Wohnungen machen, was er will, auch abreißen oder jahrelang leer stehen lassen.

Gestrichen: Fehlbelegungsabgabe
Sozialwohnungen sind für Sozialmieter gedacht. Das sind Menschen aus dem unteren Einkommensdrittel. Damit auch diese Mieter Wohnraum finden, den sie bezahlen können, werden die Wohnungen aus Steuermitteln gefördert und die Mieten sind niedriger als anderswo.
Einkommensverhältnisse aber ändern sich schon mal. Wer im Laufe von 5, 10, 20 oder noch mehr Jahren Mietdauer zu Wohlstand kam, galt bisher als „Fehlbeleger“ der eine aus öffentlichen Mitteln heruntersubventionierte Miete nicht mehr braucht. Er wurde deshalb zur Zahlung einer Fehlbelegungsabgabe herangezogen, die um so höher war, je mehr er verdiente. Und aus den Einnahmen dieser Abgabe wurden wieder neue Sozialwohnungen gefördert. Eigentlich eine faire Sache, auch wenn Mieter die Leidtragenden sind.
Ebenfalls Schnee von gestern. Ex-Bauminister Oliver Wittke, der die Abgabe eigentlich langsam abschmelzen wollte, hat sie im Frühjahr 2006 rückwirkend zum 1. Januar ersatzlos gestrichen. Das hat etliche Mieter mit mittleren und guten Einkommen entlastet - aber dem Wohnungsbau in NRW auch Mittel in 8-stelliger Höhe entzogen.

Gekürzt: Kündigungssperrfrist
Das größte Schreckgespenst für Mieter ist eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters, denn sie führt meist zum Verlust der Wohnung. Nun können Besitzer von Mehrfamilienhäusern natürlich nicht beliebig viele Wohnungen wegen Eigenbedarf kündigen - weshalb es eher wenige trifft.
Anders sieht die Sache aus, wenn ein Haus in Eigentumswohnungen umgewandelt wird und diese dann einzeln verkauft werden. Jetzt hat jeder Mieter einen anderen Vermieter, und jetzt kann es jeden treffen. Um die Folgen abzumildern, hat der Gesetzgeber hier eine Kündigungssperrfrist geschaffen. Sie beträgt bundesweit - auch im letzten Kuhdorf - drei Jahre und kann in Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf per Landesverordnung auf bis zu 10 Jahre verlängert werden.
Die rot-grüne Landesregierung hatte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und in fast ganz NRW galt bis zum Jahre 2004 zehn Jahre Sperrfrist. 2004 wurde - nach aufwendiger wissenschaftlicher Untersuchung - die Verordnung gelockert. Seither galten in 54 Kommunen acht Jahre und in 45 weiteren sechs.
Alles nur Ballast für die neue schwarz-gelbe Regierung. Zum 31. 12. 2006 wurde die Verordnung ohne weitere Untersuchungen aufgehoben. Seither gilt in ganz NRW - also auch in den Rhein-Städten Bonn, Köln und Düsseldorf, wo der Wohnungsmarkt heute noch so eng ist wie in den 90ern - nur noch die drei Jahre Mieterschutz, die im Bürgerlichen Gesetzbuch stehen, auf das die Landesregierung keinen Einfluss hat.

Verkauft: Die LEG
Wer Regularien auf dem Wohnungsmarkt nicht mehr zu brauchen glaubt, der findet noch etwas anderes überflüssig: Eigene Wohnungen. Und so stand schon im Koalitionsprogramm, dass die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) auf den Verkaufsstand gehört.
Zu Zeiten von Wohnungsbauminister/innen wie Christoph Zöpel, Ilse Brusis oder Michael Vesper war die LEG das Paradepferd, wenn es darum ging, zukunftsweisende Projekte zu finanzieren, Industriebrachen zu entwickeln oder auch den Wohnungsbau voran zu treiben. Denn ganz nebenbei war die LEG auch das Wohnungsunternehmen des Landes, das zum Beispiel die Neue-Heimat-Wohnungen in NRW auffing und zuletzt noch fast 100.000 Wohnungen bewirtschaftete.
Überflüssig, fand die schwarz-gelbe Landesregierung. Trotz anhaltender Proteste mit über 60.000 Unterschriften wurde die LEG 2008 für 3,4 Milliarden Euro an Finanzfonds verkauft, die von der US-Großbank Goldmann Sachs unter dem Namen „Whitehall“ organisiert werden - eine klassische Heuschrecke also.
Reich geworden ist das Land NRW dabei nicht. Nach Abzug der LEG-Schulden klingelten nur 473 Millionen Euro in der Landeskasse. Mit den Wohnungen aber ging es fast sofort bergab, denn das erste, was die neue Besitzerin verfügte, war ein Investitionsstopp. Und die Sozialcharta, die angeblich die beste werden sollte, die je bei einem Großverkauf in Deutschland vereinbart wurde, ist so dürftig, dass sie kaum über die gesetzlichen Vorschriften hinausgeht.

Geplündert: Das Wohnungsbauvermögen
Ein Besonderheit in NRW, die den Wohnungsbau auch bei leeren öffentlichen Kassen immer noch besser dastehen ließ als in anderen Ländern, ist das Sondervermögen der Wohnungsbauförderungsanstalt (WFA). Das ist ein revolvierender Fonds, getrennt vom sonstigen Landeshaushalt, dessen Mittel ausschließlich zur Förderung des Wohnungsbaus ausgegeben werden, ein Topf, der nie leer wird, weil die Fördermittel ja im Laufe von 20 bis 30 Jahren zurück gezahlt werden und dann für weitere Projekte vergeben werden können. Nachdem schon zu rot-grünen Zeiten für den Wohnungsbau keine Mittel aus dem laufenden Haushalt mehr ausgegeben wurden und ab 2006 auch die Fehlbelegungsabgabe ausfiel, ist das WFA-Vermögen die einzige Quelle zur Finanzierung von Wohnungsbau in NRW.
Richtiger sollte es bald heißen: „war“. Denn CDU und FDP griffen, seit sie in Düsseldorf die Regierung stellen, immer öfter und immer schamloser in diesen Topf, um andere Dinge als Wohnungsbau daraus zu finanzieren - Stadtumbau zum Beispiel oder Infrastrukturmaßnahmen. Zweifellos wichtige Dinge, die man aber ohnehin fördern muss, auch ohne dafür Wohnungsbaumittel zu zweckentfremden. Und auch für den allgemeinen Schuldendienst wurden WFA-Mittel verwendet, also zum Stopfen von Haushaltslöchern.
Aktuell berät der Landtag über ein Gesetz, nachdem der Sonderfonds komplett aufgelöst und das Vermögen in die NRW-Bank überführt werden soll. Natürlich übernimmt diese dann auch die Aufgabe der Wohnungsbauförderung, und es fehlt nicht an Lippenbekenntnissen bei Schwarz-Gelb, dass diese Aufgabe weiterhin für ganz wichtig gehalten wird. Aber der entscheidende Schritt ist getan, sich aus diesem Politikfeld komplett zurück zu ziehen und den Wohnungsmarkt sich selbst zu überlassen - ganz so, wie es neoliberaler Doktrin entspricht.

Fazit
Eines kann man CDU und FDP in NRW zumindest im Bereich Wohnungspolitik nicht vorwerfen: Dass sie die Wähler getäuscht hätten. Nach der Wahl taten sie genau dass, was sie vor der Wahl angekündigt hatten. Und sie taten es schnell, effizient und vollständig. Die Liste ist abgearbeitet, kein Vorhaben blieb unerledigt oder musste verschoben werden. Aus wohnungspolitischer Sicht braucht Schwarz-Gelb keine zweite Legislaturperiode in NRW.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

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