26. Juni 2012 ()

Bundessozialgericht entscheidet über Angemessenheitsgrenzen in NRW

Wohnkosten bei Hartz IV und Sozial­hilfe in NRW seit 2010 falsch berechnet - Das Bundessozialgericht hat am 16.05.2012 entschieden: Bei der Berechnung von Angemessenheitsgrenzen sind in NRW seit dem 01.012010 die seit diesem Zeitpunkt geltenden Wohnraumnutzungsbestimmungen anzuwenden. Dieses beinhaltet in den meisten Fällen 5 m2 mehr beim Rechenfaktor Wohnfläche. MieterForum erläutert den Hintergrund und welche Möglichkeiten Betroffene jetzt haben.

Wer Hartz IV oder Sozialhilfe bezieht, hat einen Anspruch auf Mietkosten. Im Gesetz steht, dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen sind, soweit diese angemessen sind (§ 22 SGB II). Ganz wichtig: Es geht nur um die Kosten, nicht um die tatsächliche Größe oder den Standard der Wohnung. Letzteres geht keinen etwas an, solange die Kosten hierfür angemessen sind.

Angemessenheitsgrenzen
Um derartige Angemessenheitsgrenzen zu bestimmen, muss eine maximale angemessene Wohnfläche mit einem maximalen angemessenen Quadratmeterpreis multipliziert werden. Den Quadratmeterpreis muss jede Kommune vor Ort selbst ermitteln. Bei der Fläche hatte das Bundessozialgericht bereits 2009 entschieden, dass hierzu die jeweiligen aktuellen landesrechtlichen Vorschriften, in NRW die zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen, heranzuziehen sind. Bis 2010 galt die Formel 45 m2 für die erste und weitere 15 m2 für jede weitere Person eines Haushalts.

Wichtig dabei ist, dass bei dieser Multiplikation nur das Ergebnis zählt. Angemessen ist jede Wohnung, die den Gesamtpreis nicht überschreitet. Wie groß die Wohnung tatsächlich ist, spielt keine Rolle. Es geht um die Definition eines Grenzwertes, nicht die Beschreibung einer Beispielswohnung.

Das Urteil des BSG
Fast alle Kommunen in NRW kalkulieren bis heute auf der Grundlage der 45 m2. Auch das Land NRW hatte als Aufsichtsbehörde dieses den Kommunen ausdrücklich so empfohlen. Die hierbei herangezogenen Wohnraumnutzungsbestimmungen hat das Land NRW aber zu Beginn 2010 geändert, seitdem gilt ein Wert von 50 m2 für einen Haushalt mit einer Person, für jede weitere Person kommen 15 m2 hinzu. Das BSG hat nun geurteilt , dass ab Anfang 2010 diese neuen Werte gelten.

Das Urteil des BSG gilt ab sofort. Ab sofort sind die neu kalkulierten Werte zu berücksichtigen. Das ist vollkommen unabhängig davon, ob einzelne Kommunen ihre Richtlinien bereits geändert haben oder nicht! Mieten dürfen nur dann gekürzt oder zum Umzug darf nur dann aufgefordert werden, wenn die Berechnung der Angemessenheit auch auf den neuen Flächenwerten beruht. Das gilt auch für die Angemessenheit der Kosten der neuen Wohnung. Davon hängen bei erforderlichen Umzügen die Umzugskosten, die Kaution und u.U. eine Erstausstattung ab.

Überprüfungsanträge stellen
Das Urteil gilt auch rückwirkend. Jeder Betroffene kann auch für die Vergangenheit einen Überprüfungsantrag stellen. Rückwirkend gibt es aber nur Erstattungen für das letzte Jahr vor Antragsstellung. Auch hier geht es nicht nur um Miete, u.U. auch Heiz- und Betriebskosten, sondern auch um Umzugs- und Kautionskosten, die verweigert worden waren, weil die angemietete Wohnung damals zu teuer, nach den neuen Werten aber angemessen teuer war.

Wichtig ist hierbei: In der Vergangenheit war die Frage, ob rückwirkende Erstattungen zulässig sind, sehr umstritten. Bei der Frage der vor 2011 relevanten Bemessung von Warmwasserkosten als Bestandteil der Heizkosten ist dieses aber entschieden worden. Danach ergibt sich, dass für den Fall der Flächenfaktoren eine rückwirkende Erstattung möglich ist. Ausgeschlossen wäre diese nur dann, wenn das Bundessozialgericht eine neue Rechtsprechung begründet hätte, die zudem von einer einheitlichen Praxis der Bundesagentur abweicht. Nur dann würde dieses Urteil nur für die Zukunft gelten. Beides ist aber nicht der Fall. Das BSG selbst legt Wert darauf, diese Frage bereits 2009 geklärt zu haben. Die jetzige Rechtsprechung ist daher alles andere als neu. Des weiteren gab es keine einheitliche Handhabung der Bundesagentur.

Ein Mustertext für einen Überprüfungsantrag findet sich unter www.mieterverein-bochum.de/fileadmin/inhalte/pdf/download-seite/Muster%20%DCberpr%FCfungsantrag%20KdU%205-2012%20NRW.pdf

Das Urteil selbst ist bereits verkündet, aber noch nicht im Volltext publiziert. Hier der offizielle Terminsbericht

juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py

Wichtige Hinweise finden sich auf den Seiten

www.tacheles-sozialhilfe.de

Hinweise zur Berechnung der Kosten der Unterkunft in Dortmund finden sich unter

www.mieterverein-dortmund.de


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