Wohnungspolitik > Bundespolitik
7. August 2004 (Bundespolitik)

Hartz IV-Wohnkosten: Fakten statt Beschönigungen!

Mit einer Verordnung zu Hartz IV soll Clement Wohnungsverluste von Arbeitslosen ausschließen - Mieterforum Ruhr hat Arbeitsminister Clement aufgefordert, umgehend eine Verordnung zum Sozialgesetzbuch II zu erlassen, damit die Arbeitslosen ab 1. Januar ihre bisherigen Mieten bezahlen können und nicht gezwungen werden, sich innerhalb eines halben Jahres eine billige Bleibe zu suchen.

Nach dem Hartz IV-Gesetz (§ 22 SGB II) werden die Kosten für Unterkunft und Heizung „in der Regel“ nur in „angemessener Höhe“ übernommen. Wer mehr bezahlt, muss nach spätestens einem halben Jahr mit Kürzungen der Wohnkostenzahlungen rechnen. So steht es im Gesetz. Was „angemessen“ ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Von seinem Recht, eine Verordnung zu dieser Frage zu erlassen, will Arbeitsminister Clement auch nach Verstärkung der Kritik in der Öffentlichkeit keinen Gebrauch machen.
Damit legen die kommu-nalen Träger bzw. die neu zu gründenden Arbeitsgemeinschaften zwischen Kommunen und Arbeitsagenturen fest, was „angemessen“ ist. Und damit ist nach Ansicht von Mieterforum Ruhr der Willkür Tür und Tor geöffnet.

In einer Pressemitteilung hatte das Ministerium am 28.7. auf die wachsenden Befürchtungen reagiert, die Wohnkostenregelungen könnten zu massenhaften Zwangsumzügen führen. Demnach geht das Ministerium davon aus, dass bisherige lokale Sozialhilferegelungen auch beim ALG II zur Anwendung kommen und dass das nur in „geringfügigen Ausnahmefällen“ zu einem Umzugszwang führt. Das Ministerium macht auch konkrete Ausführungen zu den vermutlichen Angemes-senheitsgrenzen.
„Leider ist dieser Beruhigungsversuch ohne Hand und Fuss“, beklagt
Mieterforum Ruhr.

Dass die bisherigen Sozialhilfegeregelungen auf das ALG II angewendet werden müssen, sei nirgendwo gesetzlich geregelt. Die Bestimmungen des SGB II zu den Wohnkosten seien außerdem wesentlich schärfer als der Wortlaut der Regelsatzverordnung zur Sozialhilfe. Bei restriktiver Auslegung von § 22 SGB II könne die Mietzahlung schon früher als nach 6 Monaten gekürzt werden, wenn der Arbeitslose nicht nachweist, dass ein Umzug unzumutbar ist. Nach 6 Monaten komme es nach dem Wortlaut auf die
„Zumutbarkeit“ „in der Regel“ gar nicht mehr an. „Hier folgt das Gesetz der restriktivsten Sozialhilfe-Rechtsprechung“, erklärt Mieterforum Ruhr. „Ohne Klarstellungen müssen wir befürchten, dass sparwütige Kommunen noch weniger Wohnkosten zahlen als bislang in der Sozialhilfe.“

So bleiben einige Kommunen – z.B. Mannheim - bei der zulässigen Wohnungsgröße schon heute unter den vom Ministerium zitierten Werten nach dem Wohnungsbindungsgesetz. Die in diesem Gesetz für Sozialwohnungen vorgesehenen Zuschläge (z.B. für Alleinerziehende) werden fast nie beachtet. Weil außerdem bei den Wohnberechtigungsscheinen oft tolerant verfahren wird, haben nicht wenige Mieter eine Sozialwohnung, die nach Sozialhilferecht „unangemessen“ ist.

Durch Rechtsprechung ist geklärt, dass Sozialhilfeempfänger mit den billigsten Tabellen-Mieten nach den Mietspiegeln wohnen müssen. Dabei wird oft verkannt, dass die Mietspiegel vor allem die Mieten langjähriger Mieter wiedergeben. „Aussagen zu den Mieten, die bei Neuanmietung verlangt werden und über die Anzahl der zur Verfügung stehenden Wohnungen sind ohne zusätzliche Erhebungen und Auswertungen
nicht möglich.“ Auch bei den Betriebskosten gelten oft sehr niedrige Richtwerte.

Deshalb komme es schon jetzt in der Sozialhilfe in vielen Städten zu Verdrängungen. Die Hilfeempfänger müssten mit schlechten Wohnungen Vorlieb nehmen. Bei Umzugsaufforderungen seien „angemessene“ Wohnungen nur mit großer Mühe zu finden.

„Selbst wenn nur eine kleinerer Teil der über 2,2, Mio. Arbeitslosenhilfeempfänger höhere Wohnkosten zahlt als nach der Sozialhilfe erlaubt, ist der in vielen Städten sehr knappe Markt für billige Wohnungen schon nach wenigen Zwangsumzügen dicht“, befürchten die Mieterschützer.

Mieterforum Ruhr geht nach eigener Erfahrung davon aus, dass nicht wenige Arbeitslosenhilfe- und ALG I-Empfän-ger deutlich höhere Wohnkosten haben als Sozialhilfeempfänger. Dies sei insbesondere bei Arbeitslosen der Fall, die vor nicht allzu langer Zeit noch „anständig“ verdient hätten. Für ein arbeitsloses Angestelltenehepaar ist es zum Beispiel nicht ungewöhnlich, eine Wohnung von 80 qm zu bewohnen. Das aber liegt deutlich über den Angemessenheitsgrenzen der Sozialhilfe.

Auch Singles und Alleinerziehende haben nach Beobachtungen im Ruhrgebiet häufig größere Wohnungen, vor allem wenn die Quadratmetermieten günstig sind. Sehr billige Wohnungen würden vor allem von Arbeitslosen belegt, die noch nie die Chance auf ein ordentliches Einkommen hatten. „Für ausgebildete Leute bedeutet Hartz IV auch bei den Wohnkosten eine massive Degradierung unter die Armutsgrenze.“

Die Wohngeldstatistik lasse dazu kaum zuverlässige Aussagen zu. „Wir wundern uns, wo die vorbereitenden Untersuchungen zu diesem Gesetz sind“.

******************************
Klarstellung durch Verordnung
******************************

„Eine unverbindliche Presserklärung kann diese Befürchtungen nicht aus der Welt schaffen. Wenn es der Minister ernst meint mit seinem Versprechen, dass es nicht zu nennenswerten Zwangsumzügen kommen wird, dann muss er jetzt handeln“, fordert Mieterforum Ruhr.

Eine Verordnung zu § 22 SGB II müsse u.a. folgende Punkte verbindlich regeln:

- Die Wohnkosten sind zum 1. Januar 2005 zu zahlen und nicht am 31. „Denn das letzte Wohngeld für die Betroffenen gab es für Dezember!“

- Für einen Übergangszeitraum soll auf Kürzungsaufforderungen in der Regel verzichtet werden. Denn: „Die Behörden werden anderes zu tun haben.“ Außerdem kann man später auf der Grundlage der Daten aus den ALG II-Anträgen eher eine erträgliche Regelung finden.

- Für Arbeitslose, die aus ALHI oder ALG I in den ALG II-Bezug „fallen“, sollte es Übergangsbestimmungen geben, die auch größere und teurere Wohnungen tolerieren. „Wer weiß, ob diese Leute nicht doch bald wieder Arbeit haben. Warum sie auch noch mit Wohnungssuche und Umzug belasten?“

- Wer eine Arbeit in Aussicht hat, wegen Erreichung des Rentenalters demnächst ausscheidet usw., der soll mit Umzügen immer in Ruhe gelassen werden. Das gleiche gilt für Haushalte mit minderjährigen Kindern, für Behinderte und für Menschen, die lange in einer bestimmten Wohnumgebung wohnen. „Die Folgekosten einer Vertreibung wären viel höher als die Einsparungen“.

- Bei den Arbeitsagenturen sollten unabhängige Beschwerdestellen oder Härtefallkommissionen eingerichtet werden.

- Die Stadt muss nachweisen, dass eine „angemessene“ Wohnung verfügbar ist. Nicht umgekehrt.

- Akzeptable Richtwerte für die Angemessenheit müssen auf statistischen Erhebungen zu den verfügbaren Wohnungen am lokalen Markt basieren. In der Regel sollte sich die „Angemessenheit“ am Durchschnittsverbrauch orientieren und nicht an den aller Ärmsten.

- Es sollten auf dieser Grundlage örtliche Pauschalen für die Gesamtmieten einer angemessenen Wohnung gebildet werden. Dem Hilfeempfänger soll frei-gestellt werden, ob er die Pauschale komplett für das Wohnen ausgibt oder ob er durch billigeres Wohnen seine knappen Grundbezüge aufbessert. „Dann muss die Behörde die Quadratmeter nicht mehr zählen und die Betroffenen haben einen Anreiz, günstige Wohnungen zu finden und ihre Mieterechte durchzusetzen.“

Bis zum Vorliegen einer derartigen Verordnung liege die Verantwortung bei den Kommunen, betont Mieterforum. „In allen Städten sollten sich Bündnisse bilden, die dafür kämpfen dass es zu erträglichen kommunalen Regelungen kommt“.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

Twitter


Arbeitsgemeinschaft der Mietervereine Bochum, Dortmund, Witten, Mietergemeinschaft Essen

Kontakt | Sitemap | Datenschutz | Impressum