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1. Dezember 2011 (Aus den Städten)

Roma in Dortmund - Keine Wohnung frei!?

Kriminalität, Ekelhäuser, Matratzenlager. Das sind nur ein paar Stichworte, die im Zusammenhang mit den bulgarischen und rumänischen Zuwanderern in Dortmund stehen. Die Vorurteile gegenüber diesen Menschen, die zum Großteil der Volksgruppe der Roma angehören, sind ebenso zahlreich wie die Probleme, die sie bewältigen müssen.

Momentan leben offiziell etwa 1.400 Bulgaren und 1.100 Rumänen in Dortmund. Tatsächlich sind es sehr viel mehr, denn die Dunkelziffer ist hoch. Seit 2007 haben bulgarische und rumänische Staatsbürger, laut EU, das Freizügigkeits-Recht. Sie dürfen sich hier aufhalten, es gibt aber Einschränkungen in Bezug auf ihre Arbeitserlaubnis. Bis 2014 dürfen sie in Deutschland aus­schließlich selbstständige Arbeiten verrichten oder müssen eine Arbeitsgenehmigung beantragen. Die bleibt ihnen jedoch meist verwehrt, auch Sozialhilfe steht ihnen nicht zu. Kein Wunder, dass sich viele der Menschen in Schwarz­arbeit flüchten. Auch der Straßenstrich weitete sich dermaßen aus, dass die Stadt die komplette Schließung als einzige Lösung sah. Frank Merkel, Integrationsagentur der Caritas, und Tülin Kabis-Staubach vom Planerladen bezweifeln, dass dieser Schritt die Prostitution in Dortmund eindämmt. Sie gehen davon aus, dass es nun mehr illegale Wohnungsprostitution gibt.

Kein Wohnraum vorhanden?
Die Probleme der Neuankömmlinge beschränken sich nicht auf die Arbeitssuche. Eine große Schwierigkeit ist, dass sie keine Wohnung finden – trotz vorhandenem Wohnraums. Die 23-jährige Bulgarin Iliyana Georgieva erzählt: "Immer wenn ich sagte, woher ich komme, hat der Vermieter aufgelegt." Es wird diskriminiert auf dem Wohnungsmarkt. Das weiß auch Tülin Kabis-Staubach: "Es gibt Vermieter, die sagen: Wir nehmen gerne Menschen mit Migrationshintergrund. Aus der Türkei, aus Russland. Aber bei Rumänen und Bulgaren sagen sie nein."

Kakerlaken
Zu schockierend sind die Schlagzeilen der Vergangenheit, vor allem die Roma gelten als kriminell. Außerdem kennt man die Geschichten vom Arbeiterstrich und von skrupellosen Mittelsmännern. Und dann sind da noch die komplett verwahrlos­ten Ekelhäuser. Dort wohnen zahlreiche Menschen, die horrende Mieten von mehreren hundert Euro für eine Matratze bezahlen. Völlig verdreckte Sanitäranlagen und von Kakerlaken übersäte Fußböden sind keine Seltenheit. Klar ist, dass sich eine Vielzahl dieser Häuser bereits in einem schlechten Zustand befand, bevor die Bulgaren und Rumänen nach Dortmund kamen. Dennoch sehen sich die Eigentümer nicht in der Pflicht, auch selbst gegen den Verfall vorzugehen. Sie wälzen die Schuld komplett auf die Mieter ab. Es gibt auch jene Fälle, in denen Menschen überhaupt keine Wohnung finden. Bevor sie auf der Straße oder im Auto leben müssen, versuchen sie bei Bekannten und Verwandten unterzukommen, was wieder zu überfülltem Wohnraum führt.

Salonfähige Vorurteile
"Das große Problem sind die Vorurteile gegenüber den Roma", sagt Frank Merkel. "Es gibt in Deutschland, aus meiner Sicht, keine andere Gruppe gegenüber der sie so hartnäckig und dabei auch noch salonfähig sind." Schade, für diejenigen, die nicht zu den Problemverursachern gehören. "Die meis­ten dieser Menschen kommen aus enormer Armut hierher, in der Hoffnung auf ein besseres Leben", so Merkel. "Einmal hier, wird aus ihrer großen Existenznot Profit gemacht."

Zwielichtige Mittelsmänner
Es ist nicht leicht, hinter die Fassaden zu blicken. Zu viel passiert in diesem Milieu über Mittelsmänner, die einem Arbeit beschaffen oder eine Wohnung. Schriftliche Verträge gibt es keine, alles läuft über mündliche Vereinbarungen. So kann sich niemand wehren, wenn er zu wenig Lohn oder einen weiteren Mitbewohner in die Wohnung gesetzt bekommt. Auch Iliyana Georgieva hat schlechte Erfahrungen gemacht. Ihr vermeintlicher Vermieter erklärte sich bereit, die Stromabschläge über die Miet­­nebenkosten an den Stromversorger weiterzuleiten. Zwei Jahre lang
schien das gut zu gehen. Dann kamen hohe Forderungen der DEW per Post, und schließlich wurde der Strom abgestellt. Der Mann ist inzwischen untergetaucht. Außerdem stellte sich heraus, dass er lediglich der Verwalter des Hauses war. Der wahre Vermieter, der im Sauerland lebt, ist erst jetzt auf die Miss­­stände in seinen Immobilien aufmerksam geworden. Er überlegt, rechtliche Schritte gegen seinen Verwalter einzuleiten.

Wegsehen hilft nicht
Die Probleme sind vielfältig. Der Planerladen wollte mit der Aktion "Blickwechsel", darauf aufmerksam machen, dass Wegsehen nicht hilft. Dafür wurden im Mai 2011 in der Nordstadt Banner aufgehängt, die die Problematik offen ins Blickfeld der Menschen rücken sollten. Doch die Aktion war nur von kurzer Dauer. Nach einem Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord im September musste der Planerladen die Banner wieder entfernen. Der Planerladen spricht von Zensur. Trotz aller Hindernisse zeigt sich Tülin Kabis-Staubach offensiv: "Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, auch weiterhin für die Schwächs­ten im Stadtteil und gegen Diskriminierung zu kämpfen."

Offener Brief
Der Mieterverein Dortmund, der Planerladen und bodo e.V. forderten die Stadt Dortmund Anfang Dezember in einem offenen Brief auf, sich der Wohnungsfrage für Neuzuwanderer aus Bulgarien und Rumänien anzunehmen und insbesondere gegen Wuchermieten und die Eigentümer der sogenannten Problemhäuser vorzugehen. "Der Teufelskreis lässt sich nur durchbrechen, wenn die Betroffenen eigene Wohnungen finden können. Ansons­ten laufen sie Gefahr ohne Obdach dazustehen, wenn sie sich gegen Wuchermieten wehren wollen", so Dr. Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund.


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