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26. Juni 2012 (Sonstige Unternehmen)

Die Rückkehr der Heuschrecken

Einige Jahre war es ruhig im großen Roulette der Wohnungsverkäufe. Das Geschäftsmodell der Heuschrecken schien durch die Finanzkrise obsolet geworden. Mit ganz wenig Eigenkapital und viel geliehenem Geld zu niedrigen Zinsen große Wohnungsgesellschaften aufzukaufen und auszuschlachten – das schien nicht mehr zu gehen. Der letzte große Deal war der Verkauf der LEG in Nordrhein-Westfalen durch die Rüttgers-Regierung.

Außerdem schien die Politik eine Lektion gelernt zu haben. Privat vor Staat – diese Maxime des Neoliberalismus – war durch die Finanzkrise widerlegt. Nirgendwo konnte man besser sehen als auf dem Wohnungsmarkt, welche verheerenden Auswirkungen der Einstieg internationaler Finanzinvestoren haben kann. "Wer Geld verdienen darf, der wird auch investieren" war allzu offensichtlich eine fromme Wunschvorstellung, die mit der Realität nichts zu tun hatte. In NRW setzte der Landtag sogar eine Enquete-Kommission ein, um über die Lösungen für die wachsende Zahl der "Schrottimmobilien" gründlicher nachzudenken, als es das politische Alltagsgeschäft normalerweise zulässt.

Der Ausverkauf ehemals öffentlicher Wohnungsunternehmen schien gestoppt. Nicht zuletzt die öffentliche Hand hatte die Heuschrecken ja erst zu dem gemacht, was sie heute sind. 64.000 Eisenbahnerwohnungen, mit denen 2001 die britische Fondsgesellschaft Terra Firma auf dem deutschen Wohnungsmarkt einstieg, gehörten mal dem Bund. 82.000 Gagfah-Wohnungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gingen 2004 an den US-Fonds Fortress. 66.000 GSW-Wohnungen des Landes Berlin, 38.000 WoBa-Wohnungen der Stadt Dresden, 28.000 Nileg-Wohnungen der Nord-LB, 10.000 Heimbau-Domizile der Stadt Kiel und zuletzt 95.000 LEG-Wohnungen des Landes NRW – das Sündenregister ist lang. Regierungen jedweder Farbzusammensetzung haben sich dabei die Hände schmutzig gemacht. Doch 2009 schien ein Ende erreicht.

Das Spiel beginnt neu
Doch jetzt dreht sich das Karussell wieder. Anfang 2012 entschied die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg, die 21.000 Wohnungen ihrer Landesbank an einen privaten Investor zu verkaufen. Besonders perfide: Dieser hatte nur schlappe 30 Millionen Euro mehr geboten als das sogenannte Baden-Württemberg-Konsortium aus Stadt Stuttgart und vier Wohnungsunternehmen unter öffentlicher Kontrolle. Angesichts eines Kaufpreises von 1,4 Milliarden Euro ein Kleckerbetrag. Für den warf die Landesregierung sogar ihren eigenen Koalitionsvertrag über den Haufen, in dem geschrieben steht, dass die Wohnungen nur an einen nachhaltig wirtschaftenden Investor mit Erfahrungen auf dem baden-württembergischen Wohnungsmarkt, der sich zudem als verlässlicher Partner der Kommunen erwiesen haben soll, verkauft werden.

Der Käufer, Patrizia mit Namen, ist jedoch ein neu gegründetes Konsortium aus Versicherungen und Pensionsfonds, darunter auch ausländische, die bisher im Schwabenländle nicht als Wohnungsbewirtschafter aufgetreten sind. Patrizia wirbt sogar ganz offen mit ihren Erfolgen bei Privatisierungen, Personaleinsparungen und Mieterhöhungen – also der ganzen bekannten Litanei.

Und der Deal ist kein Einzelfall. 25.000 Wohnungen der DKB, einer Tochter der Bayerischen Landesbank, gingen klammheimlich an die Hamburger TAG-Immobilien – für knapp eine Milliarde Euro. Auch die Bundesregierung mischt wieder mit: Finanzminister Wolfgang Schäuble hat die 12.000 TLG-Wohnungen, deren Verkauf 2008 an der Finanzkrise scheiterte, erneut ausgeschrieben. Für die hat interessanterweise auch die Partei "Die Linke" über die "Treuhandliegenschafts-Genossenschaft Fairwohnen" ein Gebot abgegeben, damit nicht "irgendeine Heuschrecke" zum Zuge kommt. Fraktionschef Gregor Gysi will mit dem Ankauf ein Zeichen setzen und den Mitgliedern der Genossenschaft sehr weit reichende "basisdemokratische" Mitspracherechte zubilligen. Ob "Fairwohnen" zum Zuge kommt, oder ob dem Finanzminister die gebotenen 569 Millionen Euro zu wenig sind, wird sich im Sommer entscheiden.


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