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15. August 2013 (Aus den Städten, Sonstige Unternehmen)

Gemeinschaftliche Wohnprojekte: Nur für Menschen mit Geld?

Gemeinschaftliche Wohnprojekte werden für immer mehr Menschen zu einer interessanten Wohnalternative. Gelebte Nachbarschaft und die gegenseitige Hilfe machen Wohnprojekte attraktiv. Auch für Menschen, die sich wegen eines geringen Einkommens keine bezahlte Unterstützung - in welchen Dingen auch immer - einkaufen können. Doch sind gemeinschaftliche Wohnprojekte auch für Menschen mit geringen Einkommen erschwinglich?


Auch Wohnprojekte setzen nicht die Rahmenbedingungen des Wohnungsmarktes außer Kraft. Wer über ein höheres Einkommen oder Vermögen verfügt, hat auch hier mehr Möglichkeiten, sich mit angemessenem Wohnraum zu versorgen und ihn seinen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. Während die Pionier-Projekte des gemeinschaftlichen Wohnens oft noch im Eigentum umgesetzt wurden, eröffnen sich heute aber – gerade für einkommensgemischte Projekte – weitere Möglichkeiten: Projekte in Zusammenarbeit mit Wohnungsunternehmen oder Investoren und die Gründung einer eigenen Wohnprojekt-Genossenschaft können mögliche Wege sein.

Finanzstarker Partner

Investoren oder Wohnungsgesellschaften können eine Lösung sein, wenn es an Eigenkapital fehlt. Gleichzeitig wird häufig auch die komplette Bauabwicklung durch die Investoren übernommen. Da es sich bei den realisierten Projekten häufig um Neubauten handelt, sind hier grundsätzlich auch die Mieten höher als im Bestand. Der hohe Energiestandard im Neubau erhöht die Baukosten etwas. Im Alltag können dann Heizkosten gespart werden.

Zugangshürden für Menschen mit geringem Einkommen in solchen Projekten können dabei einerseits hohe Mieten sein, und andererseits Wohnungsgrößen, deren Finanzierung im Rahmen von Transfereinkommen nicht übernommen wird.

Beide Schwierigkeiten können im Zuge der Realisierung überwunden werden. Durch die Einbeziehung der sozialen Wohnraumförderung kann die Miethöhe der geförderten Wohnungen „gedeckelt“ werden. Die Wohnungsgrößen müssen dann auch auf die gesetzlichen Wohnflächenobergrenzen ausgerichtet werden. In Nordrhein-Westfalen kann zudem ein Gemeinschaftsraum finanziell gefördert werden.

Lässt sich der Investor nicht auf die die Vorgaben der Wohnraumförderung ein, kann ein interner Solidarausgleich eine Alternative darstellen. So wurde in einem Wohnprojekt einer Wohnungsgesellschaft eine durchschnittliche Miethöhe von 7,40 €/m² (kalt) festgelegt, die aber für einige Mitglieder nicht leistbar gewesen wäre. Für die insgesamt 32 Wohnungen wurden daraufhin unterschiedliche Mietniveaus zwischen 5,60 € und 7,85 € erarbeitet, die sich im Durchschnitt innerhalb des Hauses zur geforderten Miethöhe von 7,40 € ergänzen. Gleichzeitig wurde der Größenmix der Wohnungen optimiert, so dass sich letztlich Warm-Mieten zwischen 300,- € (für eine 40 m²-Wohnung) und 945,- Euro (für eine 99 m²-Wohnung) ergeben.

Neue Genossenschaft

Eine neu gegründete Genossenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie– anders als bei älteren bestehenden Genossenschaften –noch über kein Eigenkapital verfügt. Die Genossen müssen das Eigenkapital in Form von Genossenschaftsanteilen selbst aufbringen. Zusätzlich zahlen sie in der Nutzungsphase ein der Miete vergleichbares Nutzungsentgelt.

Auch in dieser Rechtsform kann mit entsprechenden Wohnungsgrößen und der Einbeziehung der Wohnraumförderung der Zugang für Menschen mit geringen Einkommen ermöglicht werden. Zudem können Projekte darüber hinaus unterschiedliche Quadratmetermieten festlegen, die sich z.B. an sozialen Kriterien orientieren. Eine Besonderheit bei neu gegründeten Genossenschaften sind jedoch die als Eigenkapital aufzubringenden Genossenschaftsanteile. Sie können für Menschen ohne Vermögen und mit geringem Einkommen eine beträchtliche Hürde darstellen (bei einem Wohnprojekt mit zeitgemäßem Ausbaustandard im Altbau etwa 400,- €/m, bei einer Wohnung mit 50 m² also 20.000,- €). Wie kann hier eine Integration verschiedener unterschiedlicher Einkommens- und Vermögensgruppen funktionieren?

Der überwiegende Anteil des Eigenkapitals einer neu gegründeten Genossenschaft wird typischerweise durch das jeweilige Mitglied direkt aufgebracht (60-80%). Dies kann beispielsweise eigenes Vermögen, oder privat geliehenes Geld bzw. ein vergünstigter Kredit der KfW-Bank sein. Für die verbleibenden 20 bis 40% des für die Finanzierung notwendigen Eigenkapitals besteht dann die Herausforderung, eine auf das Projekt abgestimmte Finanzierungsstruktur zu entwickeln, die allen Mitgliedern die Teilnahme ermöglicht. Zu unterscheiden sind hier interne und externe Ansätze.

Projekt-intern können auf individueller Ebene Vereinbarungen getroffen werden, um die Einzahlung von Anteilen zu strecken oder die private Übernahme von Anteilen zu ermöglichen. Eine besondere Möglichkeit bietet jedoch die solidarische Querfinanzierung. Dabei erklärt sich ein Teil der Mitglieder bereit, einen höheren Genossenschaftsanteil zu zahlen, wodurch anderen Mitgliedern ein geringerer Anteil ermöglicht wird.

Außerhalb verfügen viele Wohnprojekte über einen Sympathisantenkreis von Menschen, die die Planung und Realisierung des Projektes verfolgen, und die Idee auch finanziell mit tragen möchten, ohne selbst einziehen zu wollen. Diese können beispielsweise Darlehen in Form von langfristigen sog. nachrangigen Darlehen oder sogenannten Genussrechten einbringen, die einen Teil des erforderlichen Eigenkapitals ersetzen.

In der Umsetzung der konkreten Projekte wird in der Arbeit der WohnBund-Beratung NRW jedoch deutlich, dass Gruppen meist eher an der mangelnden Fähigkeit zur Selbstorganisation, als an einer fehlenden Finanzierbarkeit scheitern. Die Finanzierung ist daher nicht die zentrale Herausforderung, die eine Wohnprojekt-Gruppe zu bewältigen hat.

Micha Fedrowitz
Der Autor arbeitet bei der WohnBund-Beratung NRW GmbH, Bochum, www.wbb-nrw.de


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