Seitdem das Land NRW seine Immobilientochter LEG im Jahr 2008 an den Goldman-Sachs-Immobilienfonds Whitehall verkauft hat, wurde es für die Mieter in den knapp 95.000 Wohnungen des Unternehmens ungemütlich. Abnehmende Investitionen in die Instandhaltung, weniger Nähe zum Mieter, dafür aber Mieterhöhungen, die es in sich haben. Und die nicht selten gegen die geltende Rechtsprechung verstoßen.
So versuchte das Unternehmen vor gut drei Jahren, seinen Mietern mit Hilfe der „Mieterhöhung nach Vereinbarung“ und dem §557 BGB eine höhere Miete unterzujubeln. Viele Mieter verwechselten dies mit einer „normalen“ Mietspiegel-Mieterhöhung. Erst als dieses Vorgehen von zahlreichen Mietervertretern massiv kritisiert wurde und Medien überregional berichteten, lenkte das Unternehmen ein und bedauerte, „dass offensichtlich einige Mieter die Angebote auf Abschluss einer Vereinbarung zur Mieterhöhung anders verstanden haben, als dies von der LEG beabsichtigt war.“
Im Herbst 2012 versuchte das Unternehmen, die freiwilligen Mieterhöhungen als „Mietpreis-Garantie für 24 Monate“ zu verkaufen. Dass in vielen Fällen die Mieten bereits überdurchschnittlich hoch und Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel somit ausgeschlossen waren, verschwieg man. Und versucht auch weiterhin das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Für das Unternehmen wohlgemerkt.
Gekauft und erhöht
Und so verstärkt der Immobilienriese seit einigen Monaten erneut den Druck auf seine Mieter und erhöht die Miete vielfach bis an die Obergrenze der ortsüblichen Vergleichsmiete. Insbesondere in den Dortmunder Ortsteilen Bodelschwingh, Kirchlinde und Bövinghausen, in denen die LEG im Sommer vergangenen Jahres rund 1.000 Wohnungen aus dem Bestand der Promontoria Holding kaufte, gingen nach Informationen des Mietervereins flächendeckend Mieterhöhungsschreiben an die Mieter. So bekam Lothar Ehrlichmann eine Erhöhung, die sich gewaschen hatte. Von 4,47 Euro/m² soll die Miete nun auf 5,21 Euro/m² steigen. Am Zustand der Wohnung hat sich allerdings nichts getan. „Kurz bevor die Häuser an die LEG verkauft wurden, sind die Fassaden gestrichen worden. Aber noch nicht einmal alle. Das Haus, in dem ich mit meiner Frau wohne, sah wohl noch zu gut aus.“ Ansonsten entspricht die Ausstattung der Gebäude größtenteils dem Baujahr 1950. An die letzten Modernisierungen kann sich Ehrlichmann, der dort seit mehr als 60 Jahren wohnt, noch erinnern: „1974 wurden die Bäder gemacht und Doppelkastenfenster eingesetzt.“ Das war vor 40 Jahren. Für die LEG Grund genug, die Mietpreisspanne bis fast zum Oberwert auszureizen.
Mietspiegeltheorie
Der Mietspiegel ist in vielen Kommunen das Instrument, mit dessen Hilfe Mieter und Vermieter einen angemessenen Mietpreis finden und aushandeln können. Der Mietspiegel wird nach strengen wissenschaftlichen Kriterien anhand einer Vielzahl von Wohnwertmerkmalen, z.B. Baujahr und Ausstattungsmerkmalen, ermittelt. Zugrunde liegen repräsentative Daten, in Dortmund von über 32.000 Wohnungen. In einem zweistufigen Verfahren werden diese Daten abgefragt und ausgewertet. Das Ergebnis sind Tabellenfelder für Wohnungen der unterschiedlichen Baualters- und Ausstattungsklassen. Aufgrund der hohen Datenmenge und der Genauigkeit der statistischen Methode gibt dieses Verfahren mit einer hohen Verlässlichkeit die ortsübliche Vergleichsmiete wieder. Dortmunder und Bochumer Mietspiegel tragen daher das Gütesiegel „qualifizierter Mietspiegel“.
Aufgrund der Datenmenge weist eine Mietspiegeltabelle in der Regel eine mehr oder weniger große Preisspanne auf. So liegen in Bochum zwischen Ober- und Untergrenze meist nur zehn bis 20 Cent pro Quadratmeter; in Dortmund sind es nicht selten 1,50 Euro bis 2,00 Euro. Der Mittelwert dieser Spannen wird als Median bezeichnet. Er gibt die ortsübliche Vergleichsmiete für eine Durchschnittswohnung wieder. Abweichungen nach oben und unten innerhalb dieser Spannen bedürfen einer Begründung – etwa durch eine über- oder eben auch unterdurchschnittliche Ausstattung der Wohnung.
Bis zur Oberkante
Diesen Spielraum reizt die LEG nun bei zahlreichen Mieterhöhungen aus und drückt die Mietpreise ohne Begründung über den Median. Dabei müsste das Unternehmen diese Gründe bereits in der Mieterhöhung nennen. Legen Mieter Widerspruch ein, wird in der Regel auf die besondere Lage einer Wohnung verwiesen. Doch eine derartige Begründung reicht nicht. Bereits im Juli 2012 entschied das Landgericht Dortmund (11 S 90/12 und 11 S 57/12), dass zunächst der jeweilige Medianwert des Mietspiegels korrekt ist. Für höhere Werte müsse eine Wohnung in allen wichtigen Kriterien überdurchschnittlich sein, eine Lagebegründung allein reiche nicht aus.
In Dortmund-Wickede versuchte es die LEG in der Meylantstraße mit dem Argument der besonders guten Infrastruktur. Ob man damit die in Hör- und Sichtweite startenden Flugzeuge des Dortmunder Flughafens meinte, ließ das Unternehmen offen. Hier befand das Amtsgericht Dortmund, dass die genannten Gründe auf 70 bis 80% des Dortmunder Stadtgebiets zuträfen und somit nicht ausreichten.
Die Mieterhöhung von 306 Euro auf 351 Euro am Wittener Vormholzer Ring wurde durch die LEG fadenscheinig mit neuen Wasserleitungen und einer neuen Heizanlage begründet. Der Mieter wollte dem nicht zustimmen, also musste das Amtsgericht Witten entscheiden. Und die Richter stellten sich auf die Mieterseite: Die Instandhaltung alter Wasserleitungen und Heizungsanlagen erhielte lediglich die Substanz der Grundausstattung, sei aber keine Qualitätsverbesserung.
Vor Gericht
In der Düsseldorfer Konzernzentrale schluckt man diese Urteile, macht aber trotzdem weiter und setzt reihenweise Wohnungen an der Obergrenze der Mietpreisspanne an. In Witten, in Bochum, in Dortmund. Gebetsmühlenartig beteuert das Unternehmen, dass jede Wohnung individuell bewertet würde und verweist auf die vermeintlich gute Ausstattung oder Lage. Widerspricht der Mieter der Erhöhung, werden die Gerichte befragt und die Mieter auf Zustimmung zur Mieterhöhung verklagt. Wie in dem aktuellen Fall aus der Knappensiedlung in Witten-Herbede. Das Amtsgericht Witten wies Ende Januar eine Klage der LEG auf Zustimmung zur Mieterhöhung ab. Schlicht und einfach, weil eine Begründung für solch eine Erhöhung nicht erfolgte.
Dass diese Mieterhöhungspraxis weiterhin betrieben wird, lässt darauf schließen, dass die LEG, trotz Anwaltskosten, trotz Niederlagen vor Gericht und trotz der Rücknahme von Mieterhöhungen immer noch ein dickes Plus verzeichnet. Denn nicht jeder Mieter prüft eine Mieterhöhung. Andere haben Angst verklagt zu werden oder zahlen aus Bequemlichkeit eine überhöhte Miete. Weil sie sich für 10 oder 20 Euro im Monat nicht vor Gericht streiten wollen.
Im Dezember vergangenen Jahres forderte das Mieter Forum Ruhr in einem offenen Brief den Vorstand der LEG auf, dieses Vorgehen zu stoppen. Die unbefriedigende und zynische Antwort des Unternehmens ließ nicht lange auf sich warten. Man klage in erster Linie, „um für beide Seiten Sicherheit zu schaffen: für unsere Mieter und für unser Unternehmen.“ Gleichzeitig verwies die LEG auf einige Urteile, in denen die Richter die Erhöhung des Unternehmens als rechtens ansahen. Auf Anfrage des Mietervereins Dortmund stellte sich allerdings heraus, dass diese vereinzelten „Erfolge“ allesamt an Amtsgerichten erzielt wurden. Die bisher vor – den höhergestellten – Landgerichten behandelten Fälle gingen stets zugunsten der Mieter aus. Zudem zog die LEG oftmals ihre Klage zurück, wenn eine Niederlage vor Gericht drohte, sodass es zu keinem Urteil und somit zu keinem verlorenen Prozess kam.
Auch in diesem Jahr wird es also viel Arbeit für die Mietervereine geben. Und für die Gerichte. Sie werden Sicherheit schaffen müssen: für die Mieter.
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