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27. September 2007 (Ohne Kategorie)

Code EK 02

88 Mrd. Euro Wohnungskapital frei für die Abschöpfung durch die Anteilseigner - EK 02. Unter diesem Zeichen ringen zur Zeit Immobilien-Lobbyisten, Finanzinvestoren und -politiker um ihren Anteil an einem gewaltigen Batzen Beton-Gold. EK 02. Das ist das Code-Wort für 88 Mrd. Euro Eigenkapital, das, durch hohe Ausschüttungssteuern geschützt, in deutschen Wohnungsunternehmen lagert. EK 02. Das sind 20.000 Euro, die durchschnittlich in jeder der 3,8 Mio. ehemals gemeinnützigen Wohnungen in Westdeutschland stecken. EK 02. Das sind Steine, Spülbecken und Iso-Fenster. Das sind bislang nicht privatisierte Wohnungen, heile Dächer und bezahlbare Mieten. EK 02. Wer bekommt die Schürfrechte zugesprochen?

In diesem Sommer hat das Bundeskabinett ein "Jahressteuergesetz 2008" beschlossen. Inzwischen hat es den Bundesrat erreicht. Hinter der scheinbar trockenen Materie verbirgt sich eine Neuaufteilung von Vermögen, das mit Hilfe staatlicher Subventionen von den Beschäftigten der Wohnungs-wirtschaft und den treu zahlenden Mietern geschaffen wurde. 78 Mrd. Euro stecken allein in den 3,8 Mio. westdeutschen Mietwohnungen, die einst zur gemeinnützigen Wohnungswirtschaft gehörten: Genossenschaften, kommunale Wohnungsunternehmen; auch Staatsunternehmen wie die Gagfah, die inzwischen längst von Finanz-Investoren geschluckt wurden. Schluckspechte wie Fortress, Cerberus und TerraFirma können nur so lange Rekord-Renditen ausschütten und mit den Wohnungen auf den internationalen Finanzmärkten jonglieren, wie sie freien Zugriff auf den Kapitalstock haben. Bislang aber ist ein Teil des Eigenkapitals der Wohnungsunternehmen durch eine hohe Steuer davor geschützt, beliebig ausgeschüttet zu werden.

Dieser Eigenkapitalanteil stammt in Westdeutschland aus stillen Reserven der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Bei deren Abschaffung 1989 wurden sie steuerlich aufgedeckt. Um die Unternehmen nicht zu plündern, durften sie nach dem damals geltenden Körperschaftssteuerrecht diese Werte als unversteuerte Rücklagen behalten. Wurde aus dieser Reserve an die Anteilseigner ausgeschüttet, wurde eine hohe "Strafsteuer" fällig. Auch nach Änderung der Körperschaftssteuer 2000 blieb der Sonderstatus von "EK 02" für einen Übergangszeitraum bis 2019 erhalten. Wer daraus ausschüttet, muss 45 % Steuern bezahlen: eine Hürde für die Plünderung der Eigenkapitalbasis und damit auch ein Hemmnis beim Verkauf.

Das Finanzministerium wollte nun die hohe Ausschüttungsteuer durch eine radikal geminderte, nur 3%ige Regelsteuer ersetzen. Diese Regelung sollte die Steuerpflicht auf EK 02 ein für alle mal abgelten. Sie wäre unabhängig von einer Ausschüttung angefallen.

Dagegen lief der GdW (Verband der Wohnungswirtschaft) Sturm. Denn die pauschale Besteuerung hätte zahlreiche Genossenschaften und kommunale Unternehmen finanziell überfordert. Das Finanz-Ministerium kam den Unternehmen entgegen und wollte steuerbefreiten Genossenschaften und 100 % öffentlichen Wohnungsunternehmen erlauben, sich auf Antrag von der Pflichtbesteuerung befreien zu lassen. Das war dem GdW aber nicht genug.

Der Finanzausschuss des Bundesrates plädiert nun dafür, dass ALLE Wohnungsunternehmen frei entscheiden können, ob sie die Abgeltungssteuer zahlen und damit ausschütten können, oder ob sie steuerfrei bleiben, solange sie nicht aus der Rücklage ausschütten.

Geschenk an die "Heuschrecken"
Diese "Nachbesserung" beseitigt zwar den unmittelbaren Druck auf kommunale Unternehmen und Genossenschaften. Es bleibt aber bei einem riesigen Anreiz, aus den Rücklagen Gewinne zu entnehmen. Von den Finanzinvestoren kann die kleine Abgeltungssteuer problemlos beglichen werden. Im Gegenzug handeln sie sich den freien Zugriff auf einen gigantischen Kapitalstock ein.

"Die Bundesregierung würde mit einer solchen Regelung zum Handlanger der 'Heuschrecken'", erklärte Mieterbund-Präsident Rips. Das ist keineswegs Kaffeesatzleserei. Mit der Begründung, jetzt ja Zugriff auf die Rücklagen zu haben, hat die Gagfah die Rückverlagerung des Unternehmensstandortes von der Steueroase Luxemburg nach Deutschland angekündigt. Nicht ohne Grund hat auch die NRW-Regierung sich schon früh im Bundesrat für die Freigabe der Rücklagen eingesetzt. Denn das lässt den Preis, den z.B. die Gagfah für die LEG zahlt, steigen. Im Gegenzug verliert der Staat allerdings immens Steuern.

Angeblich ist die bisherige "Bestrafung" von Ausschüttungen u.a. an ausländische Anleger nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Würde die Regelung beibehalten und dann EU-rechtlich komplett einkassiert, gingen dem Staat noch mehr Steuern verloren, behaupten die Befürworter der EK 02-Opferung.

Gigantische Umverteilung zu Lasten der Mieter
Ob nun die EU oder die Bundesregierung der Auslöser ist: Es droht eine gigantische Umverteilung von in der Wohnungssubstanz enthaltenen Kapitalwerten. Die Freigabe der EK 02-Rücklagen würde die Übernahme durch Private Equity Fonds ebenso anheizen wie die Schadloshaltung klammer Kämmerer an der wohnungswirtschaftlichen Substanz. Die Folgen wären wirtschaftlich labile Unternehmen, unterlassene Instandhaltungen, noch mehr Verkäufe und Privatisierungen. Bezahlen müssen das am Ende alles die, die ermöglicht haben, dass diese Kapitalreserven überhaupt existieren: die Mieter/innen.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

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