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4. Dezember 2008 (Sonstige Unternehmen)

Die Finanzkrise ist auch eine Wohnungskrise

Die Zerstörung des sozialen Wohnungsbaus und der weltweite Siegeszug der Eigenheimideologie war eine Grundlage der Immobilienblase auf Pump. Nun verlieren Millionen Menschen aufgrund der Krise ihre Wohnung.

Seit Monaten jagt eine Schreckensnachricht aus der internationalen Finanzkrise die andere. Bei der Entstehung dieser schwersten Wirtschaftskrise seit 1929 spielt(e) die internationale Immobilienspekulation eine Schlüsselrolle.
Entsprechend radikal sind die Auswirkungen auf den Immobilien- und Wohnungssektor; zunächst vor allem in den USA, wo Millionen nach Insolvenzen ihre Häuser und Mietwohnungen verloren haben. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass es auch in Deutschland aufgrund der Kreditklemme vermehrt zu Pleiten von Immobilien-Investoren kommt. Wie darauf reagiert wird und welche Rolle der Wohnungssektor für die Überwindung der Krise spielen soll, ist bislang völlig offen.

30 Jahre lang predigten die Anhänger der neo-liberalen Weltordnung die Segnungen des entregelten Marktes. Schranken der Finanz-, Währungs- und
Immobilien-Spekulation wurden international eingerissen, Steueroasen und abenteuerliche Anlageformen gebilligt, staatliche Wohnungsbauprogramme eingestampft und soziale Wohnungen privatisiert. Der private Hausbesitz wurde weltweit zum Gesellschaftsmodell schlechthin und Bereicherung durch Spekulation wurde zur Bürgerpflicht.

Innerhalb weniger Wochen hat sich nun die Stimmung gedreht. Auf einmal ist "Gier" eine Untugend, der "Casino-Kapitalismus" böse, und der Staat soll die Scherben zusammen fegen. Die Regierungen der Industrienationen stellen unvorstellbare Summen bereit, um Banken zu retten und die Konjunktur zu stabilisieren. Von einer Korrektur der verfehlten Wohnungs- und Stadtpolitik, von dem Skandal, dass Trillionen Euro verbrannt werden, während eine Milliarde Menschen weltweit in absolutem Wohnungselend haust, sprechen die Regierenden, zum Beispiel die "G 20" beim Krisengipfel in Washington im November, nicht.

Diese Krise ist nicht einfach ein Betriebsunfall wirtschaftlicher Entwicklung im Zeitalter der Globalisierung. Sie beruht auf handfesten Interessen und einer Politik, die eine riesige Umverteilung der Einkommen zu Gunsten spekulativer Finanzanleger begünstigt hat und durch Privatisierungen dem angehäuften Finanzkapital öffentliches Eigentum zur Ausplünderung überließ. Die nun geplatzte Immobilienblase ist auf der Grundlage fauler Kredite für den Hauserwerb einfacher und armer Menschen in den USA entstanden, und zwar nachdem die US-Regierung die Programme für den sozialen Wohnungsbau radikal gekappt hatte.
Als nach dem Platzen der Dotcom-Blase das Finanzkapital nach neuen Anlagesphären suchte, erleichterte die USRegierung die Kreditvergabe an wohnungssuchende Haushalte. Die Senkung der Leitzinsen und die Erfindung immer undurchsichtigere Verbriefungen halfen, diesen von vornherein auf Sand gebauten Boom international anzuheizen.
Die Agenten der Deutschen Bank gehören in den Armutszonen der US-Städte nach den Hauspleiten heute zu den größten Grundeigentümern. Ebenso haben angelsächsische Investmentfonds gleichzeitig zum Hauspreisrennen in den USA die niedrigen Zinsen genutzt, um u.a. in Deutschland auf Pump riesige Wohnungsbestände zu kaufen.

Heute ist das Modell dieses auf der Eigenheimideologie errichteten Casino-Kapitalismus bankrott. Die Kosten werden zu Lasten der Öffentlichkeit sozialisiert. Wenn die Bürgschaften fällig werden, droht eine gigantische öffentliche Verschuldungskrise, die sehr wahrscheinlich wieder zu Lasten des Sozialen geht.

Erforderliches wäre stattdessen die Rückgewinnung öffentlicher Kontrolle über Boden- und Immobilienmärkte. Erforderlich wäre ein aus Spekulationsbesteuerungen finanziertes, international koordiniertes Ausgabenprogramm für die soziale und ökologische Verbesserung der Wohnbedingungen und der lokalen Infrastruktur.

Bewohnerorganisationen aus aller Welt – darunter Mieterforum Ruhr – haben sich in diesem Sinne an die G20 und die Europäische Union gewandt.
Vielleicht beinhaltet diese Krise auch die Chance einer sozialen Wende? Die Hoffnung stirbt zuletzt.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

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