Der Tod kommt auf Raten: Finanzinvestoren haben als Wohnungsunternehmen keine Zukunft - Beschleunigt durch die Finanzkrise zeichnete sich in den letzten Monaten ein steiler Absturz der Beteiligungen von Finanzinvestoren an Mietwohnungsbeständen in Deutschland ab. Insolvenzen nehmen zu, Aktienkurse sinken. Teile der Immobilienbeteiligungen in Deutschland gelten als "toxisch" und befinden sich in der Abwicklung. Auch die größten und professionellsten "Heuschrecken" auf dem deutschen Wohnungsmarkt treiben ihre Wohnungsbestände immer mehr in die Zukunftslosigkeit.
Der Tod kommt auf Raten. Und die zahlen die Mieter. Wie lange?
Die Pleite des Finanzinvestors "Level One" mit mehr als 24 000 Wohnungen im letzten Jahr galt noch als Ausnahme. Inzwischen ist klar, dass die Finanzkrise erhebliche Teile der in den letzten Jahren auf dem deutschen Wohnungsmarkt aufgetauchten Finanzinvestoren erfasst hat. Im mehreren Stadtteilen im Ruhrgebiet haben zwei Pleiten "kleinerer Heuschrecken" für viele Probleme gesorgt: Die Insolvenz des dänischen Investors Griffin und dann die Pleite der Nau Group. Nicht übersehen werden darf aber auch eine Großpleite, die über 45.000 Wohnungen in Deutschland betrifft: die Insolvenz des großen australischen Finanzinvestors Babcock & Brown im März diesen Jahres.
BABCOCK & BROWN: Über 29.000 Wohnungen auf internationalen Verschiebebahnhöfen
Am 13. März 2009 bestellte die große australische Investmentgesellschaft Babcock & Brown Ltd. freiwillig einen Insolvenzverwalter, nachdem andere Rettungspläne gescheitert waren.
Über verschiedene Investmentfonds – zumeist GmbHs in Luxemburg – war Babcock & Brown an zahlreichen Wohnungsbeständen in Deutschland beteiligt, u.a. ehemaligen Werkswohnungen in Salzgitter, ehemaligen kommunalen Wohnungen in Wilhelmshaven, ehemaligen Wohnungen der Wohnungsgesellschaft Münsterland in Münster-Kinderhaus, Beständen in Recklinghausen und in Essen-Katernberg.
Über die Barg-Holding kontrollierte Babcock & Brown außerdem die Krüger Immobilien GmbH, mit über 45.000 verwalteten Wohnungen eine der größten Wohnungsverwaltungsgesellschaften in Deutschland.
Seit langem schon klagten die Mieter in all diesen Wohnungsbeständen über völlig unzureichende Instandhaltungen und falsche Nebenkostenabrechnungen.
Nach vielen Auseinadersetzungen – zum Teil auch mit Hilfe von KommunalpolitikerInnen – war es in der letzten Zeit an einzelnen Standorten gelungen, die Wohnungsverwaltungen zu Investitionszusagen zu bewegen. Aber dann kam die Pleite in Australien. Erneut ist fraglich, was aus vernachlässigten Siedlungen wie Münster-Kinderhaus wird. Mieter und Kommunen wissen zum Teil bis heute nicht wer Eigentümer ist. Die Wohnungsverwaltung der unterschiedlichen Babcock-Bestände wurde unterdessen auf unterschiedliche Unternehmen verteilt, u.a. die Mannheimer Firmen Treubau und Treureal. Diese können zum Teil auch nicht die erforderlichen Auskünfte geben.
Verwirrend ist die Nachvollziehung der finanziellen Eigentümerstrukturen.
Die im Grundbuch eingetragenen juristischen Eigentümer sind luxemburgische "Papierfirmen" wie zum Beispiel "Babcock & Brown, Residential Proberty 4. S.à.r.l. & Co. KG" (Münster-Kinderhau). Ein wesentlicher Teil der Beteiligungen an diesen Firmen wurde über eine Luxemburger "BGP Investment" (29.000 Wohnungen) organisiert, an der wiederum neben Babcock & Brown-Fonds (nicht die Bacock selbst) u.a. auch Fonds der GPT Group, eines weiteren großen australischen Finanzinvestors, beteiligt
waren.
Im Zuge der Insolvenz von Babcock & Brown beschloss GPT im Jahr 2008, die Immobilienpakete in Deutschland abzuwickeln. Die Vermögensverwaltung ging zum 1.7.2009 auf die europäische GPT-Tochter GPT Halverton über, die mittelfristig auch verkauft werden soll. Die Finanzanlagen wurden inzwischen in einer neu gegründeten Auffanggesellschaft "BGP Holding" in Malta geparkt, die nicht an der Börse platziert ist. Dagegen protestieren einige Anleger, denen nur erlaubt ist, in börsennotierte Gesellschaften zu investieren. GPT verzichtet auf Gewinnausschüttungen aus dieser "Bad Bank". Es geht ihr darum, die "toxischen Papiere" los zu werden.
Bereits jetzt ist absehbar, dass die Weiterkaufswellen und unklaren Eigentumsverhältnisse anhalten werden. Auch wo es wieder ansprechbare Verwaltungsfirmen gibt, fehlt Mietern und Politik ein Unternehmen, mit dem über längerfristige Perspektiven zur Entwicklung der Siedlungen verbindlich gesprochen werden kann.
Die klaren Regelungen des deutschen Insolvenzrechts laufen hier ins Leere, weil die Insolvenz der Babcock & Brown Ltd. nicht automatisch auch die vielen Luxemburger Gesellschaften betrifft, die als Eigentümer gelten. Statt einer klaren Insolvenz ist das Ergebnis eine undurchsichtige internationale Abwicklungsstruktur. Eine Situation, die auch bei anderen Pleiten von Finanzinvestoren drohen dürfte. Denn fast immer sind die juristischen Eigentumsverhältnisse von den finanziellen getrennt. Dies ist eine aus Gründen der Haftungsbeschränkung und Risikominderung, der Steuerflucht und der Anlageorganisation systemtisch verfolgte Strategie, die im Zweifel auch der Vertuschung dient.
VIVACON AG: Pleite auf Raten
Nach im Mai präsentierten schockierenden Zahlen zu Liquiditätsengpässen hat die Vivacon AG im Juni für vier Wohnungsbestandsgesellschaften Insolvenz angemeldet. Es geht um fast 4.000 Wohneinheiten vor allem in Salzgitter und Kassel. Hier soll durch die "standortbedingt hohen Leerstandsquote der Immobilienbestände eine Liquiditätslücke" entstanden sein. Im August veräußerte die Vivacon erneut mehr als 2.400 Wohn- und Geschäftseinheiten mit einer Wohn- und Nutzfläche von insgesamt über 146.000 Quadratmetern, hauptsächlich in Westdeutschland. Außerdem wurde für eine weitere Bestandshaltungsgesellschaft mit 38 Wohneinheiten in Hameln Insolvenz angemeldet.
Weiterhin wurden fünf Projektentwicklungen in Berlin, Hamburg und Düsseldorf mit circa 610 Einheiten an den Schweizer Entwickler Peach Property Group verkauft. Dass die Vivacon nach diesem Aderlass überhaupt noch überlebensfähig ist, wurde in Frage gestellt.
Spitze eines Eisbergs
Obwohl bereits weit über 60 Tsd. Wohnungen von Heuschrecken-Konkursen betroffen sind, ist das nur die Spitze eines Eisbergs. Bundesweit befinden sich über 700.000 Mietwohnungen unter der Kontrolle von Finanzinvestoren und auch da, wo von drohenden Liquiditätskrisen noch keine Rede ist, wirkt sich das Geschäftsmodell dieser Investoren verheerend aus.
GAGFAH: Investor-Ausstieg über Aktien
Bei dem zweigrößten Wohnungsanbieter in Deutschland, der Gagfah, handelt es sich um eine Aktiengesellschaft nach luxemburgischen Recht, die extra gegründet wurde, damit die Wohnungsaufkäufer der Fortress-Fonds rechtzeitig den Ausstieg aus den Wohnungsinvestitionen einleiten konnten. Dies ist bislang nur zum Teil gelungen. Weiterhin halten Fortress-Fonds die Mehrheitsanteile an den Aktien.
Die Muttergesellschaft Fortress wurde durch die Finanzkrise stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Interesse der Fortress-Manger muss es sein, die Rendite aus der Gagfah – das heißt in diesem Fall: die Dividende – zu steigern. Das allein stützt auch den Aktienkurs und ermöglicht mit viel Glück weitere Verkäufe von Aktienpaketen, bevor es zu spät ist.
Eine der Hauptquellen für die Renditesteigerung sind niedrige Instandhaltungskosten. Im Jahr 2008 hat Gagfah laut Geschäftsbericht 8,33 Euro/qm für Instandhaltungen aufgewandt, gegenüber 8,23 Euro/qm in 2007. Seit Jahren häufen sich Meldungen über mangelnde Instandhaltung. Auch die Gagfah betreibt Personalabbau und Auslagerungen im großen Stil, um Kosten zu sparen.
Im September 2008 lagerte die Gagfah die Instandhaltung an die GFP Enders Projektmanagement GmbH und B&O aus. Einen Monat später wurden die Mehrheitsanteile an GFP Enders Projektmanagement von der Alba Facility Solutions GmbH übernommen, einem führenden Unternehmen in der Müllwirtschaft.
In 2008 steigerte die Gagfah die Anzahl der Einzelprivatisierungen um 98 %. Gagfah sieht sich offenbar genötigt, die Einzelprivatisierungen auch bei fallenden Preisen zu realisieren. In 2008 wurde außerdem Steigerungen der Kaltmiete um 2 % und eine Senkung der Leerstandsquote von 4,4% auf 3,9% realisiert.
Trotz all dem wurde 2008 – vor allem aufgrund von Abschreibungen – ein Verlust vor Steuern in Höhe von 119,5 Mio Euro eingefahren. Gleichwohl präsentierte Gagfah einen "Erfolgsbericht", der sich auf die Kennzahlen zum Cashflow und den Gewinn nach Steuern stützte. Der Aktienkurs dankte es. Kurzfristig.
Der Geschäftsbericht für das erste Halbjahr 2009 belegt erneut, dass die Gagfah zunehmend mit den Zahlen kämpft. Vor Steuern kam es zu Verlusten in Höhe von 33,7 Millionen Euro, vor allem aber brach die in der Branche wichtige Kennzahl EBIT um 43,1 Prozent ein.
Inzwischen ist es zu einem erneuten Kursverfall gekommen und große Banken bieten riesige Aktienpakete zu Schleuderpreisen an. Dafür sind neben wirtschaftlichen Problemen der Anleger die zunehmend realistischeren Einschätzungen zur Überlebensfähigkeit der Gagfah-Strategie maßgeblich: Die Gagfah kann ihre Dividenden nur durch ein weiteres Auszehren der Bestände und der Unternehmen erwirtschaften. Hinzu kommen enorme Risiken in Folge des Auslaufens mehrerer Großkredite 2013.
ANNINGTON: Schönrednerei und Verwahrlosung
Wie alle Private Equity Fonds orientiert auch Annington-Eigentümer Terra Firma darauf, die gekauften Unternehmen nach einigen Jahren mit Gewinn weiter zu veräußern. Um das zu erreichen, wird bei der Instandhaltung gespart und massiver Personalabbau betrieben. Mit unglaublichen Märchen versucht sich die Annington dabei als guter, professioneller Vermieter darzustellen. Bei der Einführung der zentralen "Mieterhotline" ist ihr das gründlich misslungen. Alle Welt erlebt, was man auch jederzeit an den Zahlen überprüfen kann: Es geht um die Einsparung von 50 Mio. Euro im Jahr durch eine radikale Rationalisierung.
Nicht nur für die Mieter, auch für die Beschäftigten ist diese Rationalisierung ein Fiasko. Mit 300 Beschäftigten weniger soll ohne hinreichende Schulungen mit noch nicht erprobter Technik über Nacht die industrielle Revolution der Wohnungsverwaltung verwirklicht werden. Die hoffnungslos überforderten MitarbeiterInnen an den Telefonen und im Außendienst bekommen nun die volle Wucht des Mieterärgers ab. Das Betriebsklima ist vernichtet. Solche Abenteuer unternimmt nur, wem das Wasser bis zum Hals steht.
Der Annigton-Slogan "Schön hier zu Wohnen" wird zum Gespött. Dazu haben nicht nur empörte Mieter beigetragen, für die der Vermieter bei wichtigen Angelegenheiten wie der Anmietung einer Wohnung nicht mehr zu erreichen sind. Einmal aufs Korn genommen, wurde auch der hohe Instandhaltungsstau deutlich, der viele Annington-Siedlungen prägt.
Den Reparaturstau hat die Annington schon von ihren Vorgängern, vor allem der Viterra, übernommen. Das ändert aber nichts an den Tatsachen: Wo 25 Euro pro Quadratmeter und Jahr investiert werden müssten, um die Wohnungen zu erhalten, investierte die Annington in den letzten Jahren lediglich zwischen 9,63 € und 9,72 €/qm/Monat in die Instandhaltung und Modernisierung der Wohnungen.
Aber weder Knauserei noch Personalbbau und hyperaktive Umfinanzierungen haben die Annington in eine Goldmine verwandelt. Das Geschäftsjahr 2008 schloss die DAIG mit einem erheblichen Verlust in Höhe von 258 Mio. € (nach Steuern) ab. Entsprechend schrumpften die Gewinnrücklagen, und die Eigenkapitalquote sank von 16 auf 14,2 Prozent. Die "Rendite" auf das Eigenkapital betrug MINUS 17,7 %.
Entscheidend zu diesem Ergebnis beigetragen hat eine drastische Neubewertung des Bestandes an für die Vermietung vorgesehenen Immobilien. Dazu hat nach Darstellung der DAIG vor allem die Umbuchung von Wohnungen aus dem bisherigen Verkaufsportfolio in das Vermietungsportfolio beigetragen. Der Verlust ist nach diesen Informationen zu einem erheblichen Teil auf frühere Überschätzungen der Verkaufspotentiale zurückzuführen. Die Anzahl der im Jahr 2008 veräußerten Wohnungen wurde erneut reduziert. Wurden im Jahr 2006 noch 7.601 Wohnungen verkauft, waren es 2007 nur noch 3.945 und 2008 kam es zu "lediglich" 2.542 Verkäufen, davon waren 1.417 Privatisierungen.
Das ist kein Einzelfall. Die Fonds können ihre auf dem Höhepunkt der Finanzblase überteuert eingekauften Wohnungsbestände nicht gewinnbringend veräußern.
Die Annington will die Strategie stark "selektiver" Verkäufe fortsetzen. Das soll heißen: Klasse statt Masse. Wenn verkauft wird, soll es sich auch lohnen. Eine Devise, die in der Tat für eine Geduld spricht, die man noch vor wenigen Jahren kaum vorfinden konnte bei renditeorientierten Wohnungsunternehmen. Aber das war gestern. Heute gilt bei der DAIG: "Das Marktumfeld bestimmt das Privatisierungspotential". Und dieses Marktumfeld spricht nun einmal zur Zeit nicht dafür, dass die BewohnerInnen der Annington-Wohnungen ihre Bleiben zu hohen Preisen kaufen.
Um trotz der hohen Verluste die operative Leistungskraft des Unternehmens zu betonen, beruft sich die DAIG auf die Steigerung einer besonderen Kennzahl, des sogenannten "adjusted EBITDA". Dieses ist laut Geschäftsbericht von 460,3 Mio. € im Jahr 2007 auf 473,1 Mio € im Jahr 2008 gestiegen. Der EBITDA - das heißt das Ergebnis vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen - gilt in der Private Equity Branche als zentrale Kennzahl zur Einschätzung eines des Erfolgs. Denn die Private Equity Fonds änderen ohnhin sämtliche nicht berücksichtigte Positionen fortlaufend: Sie verändern die Steuerbelastung durch Ansiedlung der Fonds in Steueroasen, belasten das Unternehmen mit hohen zusätzliche Schulden und bewerten die langfristigen Anlagen nach Marktwerten neu. Bereits in der Dotcom-Blase wurde mit dem EBITDA ein exzessiver Missbrauch betrieben, indem hohe reale Verluste mit dieser rein analytischen Kennzahl schön gerechnet wurden. Bei der Annington wird das Ergebnis zusätzlich auch noch um Wertänderungen bei Immobilien und "außerordentlichen Effekte" bereinigt. Dazu zählt die DAIG zum Beispiel die Kosten der begonnenen Restrukturierung. 53 Mio. Euro Kosten werden auf diese Weise aus der EBITDA-Ermittlung "eliminiert". Ohne diese Maßnahme wäre der EBITDA gegenüber dem Vorjahr nicht gestiegen.
Die Verbriefungen der Refinanzierung des Viterra-Kaufs laufen um 2013 aus. Bis dahin müsste Annington beweisen, dass mit minimalem Personal- und Investitionseinsatz die Mieter gehalten und die Mieten gesteigert werden können. So wie es jetzt aussieht, dürfte das schwer fallen. Solange an den Hauptstandorten wie dem Ruhrgebiet keine breite Wohnungsnot herrscht, kann die Miete ohne Investitionen nicht stark gesteigert werden und die Neuvermietung funktioniert zunehmend nur noch durch mehrmonatige Mietverzichte.
In dem angeschlagenen Beteiligungs-Imperium des Annington-Investors Terra Firma gilt die Deutsche Annington zwar noch als Lichtblick. Die Strategie von Fonds-Manager Guy Hands war in den letzten Monaten aber eher von vetrauensbildenden Maßnahmen gegenüber den Anlegern, Steuerflucht und neuen Großeroberungen geprägt. Wenn kein Wunder geschieht, wird Terra Firma wohl kaum das für ein wirklich zukunftsfähiges Wohnungsunternehmen erforderliche zusätzliche Eigenkapital in die Annington pumpen und das Personal wieder aufstocken. Das aber heißt auch hier: die Bestände werden weiter verwahrlosen.
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