Vor zwei Jahren haben sie Kyrill überstanden und im Februar auch Xynthia. Doch ein amtliches Gutachten bescheinigt 4 Bäumen im Malerviertel in Weitmar Bärendorf, dass ihre Standfestigkeit bedroht ist. Die Baugenossenschaft Bochum eG versucht seit April letzten Jahres, die Bäume zu fällen. Nicht wegen der Krankheit, sondern weil sie ihren Umbauplänen im Weg sind. Beherzte Mieter haben das bisher verhindert.
Im Februar kamen sie jedoch zu spät, zumindest für die Hälfte der Bäume. An dem Gutachten, das der Fällgenehmigung zu Grunde liegt, haben die Mieter massive Zweifel.
Ohne jede Vorankündigung rückten am Rosenmontag um 7.30 Uhr die Fahrzeuge der Gartenbaufirma Emkes an und begannen sofort mit den Fällarbeiten. Gleichzeitig wurden von der Genossenschaft mit dem Motto "Wohnen Sie gut!" Zettel an die Haustüren gehängt, die erklärten, dass die erteilte Fällgenehmigung nun umgesetzt würde. Sieben Fällgenehmigungen stammen noch aus dem Jahre 2008 und wurden erteilt, weil vier der Bäume krank sind, drei Wohnungen verschatten. Sieben weitere Bäume, die fallen sollen, sind von der Baumschutzsatzung nicht erfasst.
Bereits im Frühjahr 2009 hatte die Genossenschaft die Fällung versucht, war aber von Mietern gestoppt worden. Die hatten die Presse informiert und 133 Unterschriften gegen die Fällung gesammelt. Darunter waren 97 der 142 unmittelbaren Anwohner - mehr als zwei Drittel. Auch das Umweltamt wurde eingeschaltet, weil in den Bäumen bereits Vögel nisteten. So musste die Aktion vorerst verschoben werden.
Gespräche gescheitert
Gespräche zwischen den Mietern und der Genossenschaft seien gescheitert, hatte Umweltamtsleiter Gerhard Zielinski den Umweltausschuss, der zu dem Thema eine "Mitteilung der Verwaltung" auf der Tagesordnung hatte, erst in der Woche davor informiert. Eine Mieterin und ein Mieter aus der Siedlung erhielten die Möglichkeit, die Situation zu schildern. Eingreifen aber mochte der Ausschuss nicht. Er hätte auch nicht die Möglichkeit gehabt, da die Genehmigungen streng nach Baumschutzsatzung erteilt waren.
Am Rosenmontag versuchte die Baugenossenschaft dann, die Mieter zu überrumpeln. Doch die waren auf der Hut. Kaum hallte die Säge durch das malerische Viertel, waren sie draußen und stellten sich unter die Bäume. Für drei Birken und etliche Büsche war es da allerdings schon zu spät. Die herbeigerufene Polizei erteilte Platzverweise, die die Mieter aber nicht befolgten. Die Polizei verzichtete dann darauf, die Platzverweise durch "freiheitsentziehende Maßnahmen" durchzusetzen. Das sei unverhältnismäßig. Allerdings wurden die Personalien aufgenommen und der Genossenschaft zur Verfügung gestellt. Die Gartenbaufirma rückte also wieder ab und nahm das bisher gefällte Holz mit, "damit sich niemand verletzt".
Da die Polizei nicht bereit war, die Aktion durch ein Großaufgebot zu schützen, änderte die Baugenossenschaft ihre Taktik. Am Freitag Vormittag war die Firma Emkes wieder da und setzte ohne jede Absperrung sofort die Säge an. Als die ersten Mieter auf dem Plan erschienen, verzogen sich die Mitarbeiter sofort wieder und ließen die gefällte Birke völlig ohne Sicherungsmaßnahmen liegen - wochenlang.
Die Befürchtung, die Baugenossenschaft werde sich nun jeden Baum einzeln holen, war allerdings unbegründet. Am 22. Februar verkündete Vorstandschef Klaus Werner, bis zum Herbst keine weiteren Bäume fällen zu lassen. Nachgiebigkeit ist daraus allerdings nicht zu lesen: Die Mieter bekamen Abmahnungen - für etliche nicht die erste - und die Ankündigung von Schadensersatzforderungen. Außerdem erteilte er den Mietern Hausverbot für sämtliche Außenanlagen im Besitz der Genossenschaft. Ein bemerkenswertes Vorgehen, denn die Mieter haben ein im Mietvertrag garantiertes Gartennutzungsrecht.
Auch gegenüber den übrigen Mietern geht der Vorstand inziwschen in die Offensive. Während auf den Zetteln, die am Rosenmontag an die Türen geheftet wurden, ausschließlich von Krankheit und Verschattung als Fällgründe die Rede ist, wurden am 26. 2. ganz andere Schreiben in die Briefkästen geworfen. Darin heißt es eine kleine Gruppe von Mitgliedern lenke durch das Thema Baumfällung bewusst davon ab, dass sie eigentlich um die Sanierung der Häuser einschließlich Balkon- und Terassenbau gehe. Darauf allerdings stützt sich die Fällgenehmigung nicht.
Fällgenehmigung rechtens?
Unterdessen sind an den Fällgenehmigungen ernsthafte Zweifel aufgekommen. Ein Anwohner der Schwindstraße hat die Beschreibungen der Baumkrankheiten, wie sie dem Umweltausschuss vorgelegt worden waren, gegoogelt - und ist fündig geworden. Die Texte sind wörtlich aus verschiedenen Internet-Seiten herauskopiert. Bemerkenswert dabei: Auf diesen Internet-Seiten wird zur Bekämpfung der Krankheiten alles mögliche empfohlen, nur nicht die Fällung.
Dem Vorwurf, sich an Manipulationen beteiligt zu haben, tritt die Stadtverwaltung jedoch massiv entgegen: "Die Fällung der Bäume ist von Fachleuten beantragt worden", heißt es in der Antwort auf eine Anfrage dieser Zeitung. "Qualifizierte Baumkontrolleure der Stadt Bochum haben daraufhin die Bäume in Augenschein genommen. Es wurde eine begründete Fällgenehmigung erteilt."
Der Mieter ist nun auf der Suche nach Rechtsexperten, die mit ihm aus ehrenamtlichem Engagement mögliche juristische Konsequenzen aus dem fragwürdigen Gutachten prüfen. Auch die Klage einer anderen Mieterin auf Unterlassung ist inzwischen anhängig.
Inzwischen gleicht die östliche Hälfte des Karrees Menzelstraße, Dürerstraße, Lenbachstraße, Schwindstraße einer Mondlandschaft. Um die andere Hälfte wird weiter gekämpft.
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