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1. Oktober 2003 (Bundespolitik)

Zwei Jahre nach der Mietrechtsreform:

BGH schafft Klarheit - Das Gesetz soll einfach und verständlich sein. Das war eines der Hauptziele der
Mietrechtsreform. Ob das gelungen ist, daran gibt es Zweifel. Sicher ist aber, dass die Richter nicht arbeitslos geworden sind seit dem 1. September 2001. Deren Job ist es nämlich, den Willen des Gesetzgebers zu interpretieren und Zweifelsfälle zu klären.

Da das nicht immer einfach ist, gibt es auch hier mehrere Instanzen. Auf ein Urteil kann die Berufung folgen, auf die Berufung die Revision. Irgendwann hat der Bundesgerichtshof das letzte Wort. Dieses höchste deutsche Zivilgericht, das wie das Verfassungsgericht in Karlsruhe sitzt, hat stets die Aufgabe, abschließend zu klären, was der Gesetzgeber offen gelassen hat.
Diese Funktion verleiht den Bundesrichtern oft ein gewisses Selbstbewusstsein. Schließlich steht es auch in ihrer Macht, dem Gesetzgeber zu bescheiden, ob er gut oder schlecht gearbeitet hat. Spektakulär war zum Beispiel die Entscheidung, dass, anders als vom Gesetzgeber gewollt, bei älteren Mietverträgen doch nicht die kurze Kündigungsfrist von drei Monaten für Mieter gilt, die wir in der letzten Ausgabe ausführlich vorgestellt haben. Lieber Gesetzgeber, schienen die Richter da zu sagen, wenn du das wolltest, dass auch in allen alten Mietverträgen die kurze Frist gilt, dann hättest du das auch ins Gesetz hineinschreiben müssen. Der Geist eines Gesetzes gilt eben nur dann, wenn er sich auch im Buchstaben widerspiegelt.
Nun, der Streit um die Kündigungsfristen war nicht der einzige, bei dem der BGH in diesem Jahr über Auslegungsfragen des neuen Mietrechts entschieden hat. MF dokumentiert hier alle BGH-Entscheidungen zum Mietrecht aus diesem Sommer. Nicht zuviel renovieren

Vermieter dürfen Mieter nicht gleichzeitig zu laufenden Schönheitsreparaturen während der Mietzeit und zur Renovierung beim Auszug verpflichten. Zwar ist jede Verpflichtung einzeln zulässig. Die Kombination von zwei entsprechenden Klauseln in einem Mietvertrag aber benachteiligt den Mieter unangemessen und ist deshalb nichtig. Das entschied der Bundesgerichtshof Anfang Juli.
Nichtig kann auch schon eine einzelne Klausel sein, nämlich wenn sie den Mieter verpflichtet, auf jeden Fall und unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Renovierung alle Schönheitsreparaturen beim Auszug durchzuführen. In diesem Fall ist auch eine zweite Klausel an anderer Stelle, die den Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen während der Mietzeit verpflichtet, nichtig.
Nichtig bedeutet, dass keine der beiden Klauseln wirksam ist: Es wird so getan, als ob sie gar nicht im Mietvertrag stünden. Ohne (wirksame) vertragliche Regelung fallen aber auch Schönheitsreparaturen (Tapezieren, Streichen) unter die allgemeine Instandhaltungspflicht des Vermieters. Mieter müssen dafür nicht zahlen. Folgerichtig wies der BGH die Klage eines Vermieters über 16.000 € ab, dessen Mieter 20 Jahre lang gar nicht renoviert hatte.
AZ: VIII ZR 308/02

Mietminderung nach Zeitablauf
Das Auftreten eines Wohnungsmangels nach Beginn des Mietverhältnisses berechtigt den Mieter zur Zahlung einer geminderten Miete. Dieses Mietminderungsrecht wurde jedoch nach altem Mietrecht verwirkt, wenn der Mieter längere Zeit nach Auftreten des Mangels (6 Monate) die Miete in vollem Umfang weiter zahlte. Es galt der Grundsatz: Alsbald mindern oder gar nicht.
Mit der Mietrechtsreform vom 1.9.2001 wurde diese Beschränkung aufgehoben; wegen der komplizierten Regelung im Gesetz gab es dennoch unterschiedliche Urteile zum Thema. Der BGH hat jetzt klargestellt, dass auch später noch gemindert werden kann, damit nicht ausgerechnet die Mieter, die es zunächst einmal im Guten versuchen, bestraft werden. Dies gilt auch für Mietverträge, die vor dem 1. 9. 2001 abgeschlossen wurden, sofern nur der Mangel nach dem 1. 9. 2001 aufgetreten ist.
Ausgeschlossen bleibt das Recht zur Mietminderung also nur in zwei Fällen:
• Der Mangel lag schon beim Einzug des Mieters vor und konnte bei der Wohnungsbesichtigung mit geringer Sorgfalt festgestellt werden.
• Der Mieter hat dem Vermieter den Mangel gar nicht angezeigt.
AZ: VIII ZR 274/02

Ersatzwohnraum bei Eigenbedarf
Ein Vermieter, der wegen Eigenbedarfs kündigt, aber selbst eine andere, freie Wohnung besitzt, muss dem Mieter diese als Ersatzwohnung anbieten. Dies steht zwar nicht im Gesetz, ist aber seit Jahren Tenor der Urteile der meisten Gerichte.
Diese Rechtsprechung hat der BGH jetzt bestätigt, aber gleichzeitig auch eingeschränkt. Grundsätzlich hat der BGH die Anbietpflicht des Vermieters bejaht, da er verpflichtet sei, den „erheblichen Eingriff in die Lebensumstände“ des Mieters so schonend wie möglich auszuüben.
Allerdings sieht der BGH diese Pflicht nur bis zum Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist, aber nicht mehr danach. Denn wenn diese Pflicht auch während eines eventuellen Räumungsprozesses noch fortbestehen würde, so der BGH, würde der Mieter ermuntert, es auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen, in der Hoffnung, dass während der Prozessdauer eine Ersatzwohnung frei werde.
Außerdem hat der BGH die Pflicht des Vermieters, leer stehenden Ersatzwohnraum anzubieten, auf Wohnungen im gleichen Haus bzw. der gleichen Wohnanlage beschränkt.
Vor allem diese Einschränkung stößt auf massive Kritik beim Mieterbund. DMB-Direktor Franz-Georg Rips: „Es ist nicht einzusehen, dass sich die Anbietpflicht nur auf leer stehende Wohnungen im selben Haus oder in der selben Wohnanlage beschränken soll. Ob entfernter liegende Wohnungen für den Mieter als Alternativobjekt tatsächlich in Frage kommen oder nicht, muss der betroffene Mieter letztlich selbst entscheiden können. Das ist nicht Sache des Vermieters.“
AZ: VIII ZR 311/02
+ VIII ZR 276/02


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