Das Wohnungsunternehmen VIVAWEST will im Quartier Karl-Zahn-Straße in der Nähe des Dortmunder Großmarktes Wohnhäuser modernisieren und die Mieten erheblich erhöhen. Mieter vor Ort kämpfen für eine sinnvolle und sozialverträgliche Modernisierung. In einem offenen Brief wandten Sie sich an die Politik und die Vertreter der beiden größten Gesellschafter: Hannelore Kraft als Mitglied im Kuratorium der RAG-Stiftung und Michael Vassiliadis als Vorsitzender der Gewerkschaft IGBCE. Bei einem zusätzlichen Termin erläuterten sie Politikern ihre Situation.
Eigentlich hätten die Bauarbeiten in den rund 100 Wohnungen schon längst im Gange sein sollen. Ende August 2013 erhielten die Mieter ein umfassendes Ankündigungsschreiben, das zahlreiche Bauarbeiten aufführte: Austausch der Fenster, Wärmedämmung von Fassade, Dachboden und Keller sowie Erneuerung der Balkone. Aus Unzufriedenheit mit einigen der geplanten Maßnahmen und aus Angst vor den zu erwartenden Mieterhöhungen gründete sich eine Mieterinitiative. Nach einer Unterschriftenaktion und zwei Gesprächen mit VIVAWEST landete Ende März eine neue Ankündigung in den Briefkästen der Mieter. „Die neuen Kaltmieten sollen zwei Jahre nach Abschluss der Baumaßnahmen bei 6,60 Euro/m² oder 7,60 Euro/m² liegen. Immerhin wurde im zweiten Anlauf eine Staffelmiete angeboten. Die Laufzeit ist jedoch viel zu kurz“, erläutert Lore Pütter von der Mieterinitiative. „Bisher zahlen Mieter mit einem neuen Bad ca. 0,40 Euro/m² mehr als Mieter mit altem Bad. Warum dieser Unterschied nach den Bauarbeiten auf 1,00 Euro/m² ansteigen soll, verstehen wir nicht“, wundert sich Lore Pütter.
Obwohl VIVAWEST auch Fördermittel der KfW-Bank des Bundes in Anspruch nimmt und den Zinsvorteil der verbilligten Kredite an die Mieter weitergibt, sollen die Kaltmieten zwei Jahre nach Abschluss der Bauarbeiten damit um Beträge von 2 bis zu 2,84 Euro/m² steigen. Eine Erhöhung von 40 % bis 60%!
Der Dortmunder Mietspiegel sieht zwar lediglich maximal 5,69 Euro/m² für diese Baualtersklasse vor, greift aber bei solchen Modernisierungen nicht. Generell erlaubt das Mietrecht, 11% der jährlichen Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen. „Hier besteht für die Bundesregierung großer Handlungsbedarf. Die bisherige Regelung belastet Mieter zu stark und bietet wenig Anreize für effiziente Modernisierungsmaßnahmen“, kritisiert Dr. Tobias Scholz, wohnungspolitsicher Sprecher des Mietervereins Dortmund, das geltende Mietrecht.
Hans-Jörg Heims, Leiter Kommunikation bei VIVAWEST, verweist hingegen auf die politischen Ziele der Bundesregierung und die Vorteile auf Mieterseite: „VIVAWEST leistet damit einen aktiven Beitrag, um die von der Politik beschlossene Energiewende umzusetzen und deren Ziele zu erreichen. […] Durch die Dämmung der Gebäudehülle und den Einbau einer modernen Heizungsanlage werden die Mieter auf der Nebenkostenseite spürbar entlastet. Die maximal mögliche Mieterhöhung gemäß §559 BGB ff läge zwischen 3,24 und 3,55 Euro. Die angekündigte Mietererhöhung wird auf durchschnittlich 2,00 bzw. 2,27 Euro gekappt.“
In den Ankündigungsschreiben wird den Mietern eine vielversprechende Energie-Einsparquote von 73% in Aussicht gestellt. Der Mieterverein Dortmund hält diese Berechnungen für unrealistisch: „VIVAWEST geht je nach Gebäudetyp von 318 bzw. 368 kwh/m²/Jahr aus. Nach Auswertungen von zwölf Abrechnungen der Einzelgasthermen eines Abrechnungsjahres liegt der durchschnittliche Verbrauch nach Abzug der Warmwasserkosten aber bei nur 205 kwh/m². In diesem Quartier gehen wir von einer durchschnittlichen maximalen Energieeinsparung in Höhe von 0,60 bis 0,70 Euro/m² aus. Wir befürchten, dass die tatsächlichen Einsparungen noch weit darunter liegen werden. Leider erlaubt der Gesetzgeber die Berechnung mit standardisierten Werten, sodass Mietern in der Realität unerreichbare Einsparpotenziale vorgerechnet werden“, erläutert Dr. Tobias Scholz.
Die Mieterhöhung soll zudem um 0,30 Euro/m² höher ausfallen als in 2013 angekündigt, da nun auch noch Zentral-heizungen anstelle der bisherigen Gasetagenheizungen eingebaut werden. Hans-Jörg Heims verweist in einer Stellungnahme auf den expliziten Wunsch der Mieter nach dem Einbau einer modernen Gas-Zentralheizung, die seitens VIVAWEST zunächst gar nicht vorgesehen war.
„Dabei hatten wir doch nur angeregt zu prüfen, ob es denn sinnvoll sein kann, alte Thermen weiterlaufen zu lassen und das Haus teuer in Styropor einzupacken. Vielleicht wäre eine Erneuerung alter Thermen viel wirtschaftlicher, vielleicht eine Zentralheizung? Vergleichsberechnungen kennen wir nicht. Viele Mieter sind auch sehr verärgert, weil sie die Heizungen dann nicht mehr vollständig selbst regulieren und auch den Energieversorger nicht mehr wählen könnten“, ergänzt Mieter Benjamin Heine.
Kritik äußert der Mieterverein auch an den durch VIVAWEST in Ansatz gebrachten Instandsetzungsanteilen, die durch den Vermieter zu tragen sind „Aus dem Ankündigungsschreiben sind beispielsweise bei der Erneuerung der Heizungsanlage und der Fassade keine Instandsetzungsanteile zu erkennen“, erläutert Olga Merkel, zuständige Rechtsberaterin beim Mieterverein.
Auch die Erneuerung und Vergrößerung der Balkone und Terrassen ist ein Streitpunkt. Zudem beabsichtigt VIVAWEST, die Balkone zukünftig zu 50% statt nur noch zu 25% auf die Wohnfläche anzurechnen. „Das ist rechtlich nicht in Ordnung. Viele Mieter betrachten Ihre Balkone und Terrassen zudem als vollkommen ausreichend und wollen keine Wohnflächenvergrößerung durch die Hintertür. Eine Reihe von Mietern erwartet außerdem Nachteile, weil ihre wettergeschützte Loggien zurückgebaut und bisherige Möbel sich wegen zu verlegenden Balkontüren nicht mehr stellen ließen“, sagt Olga Merkel.
Beim Ortstermin sicherten die anwesenden Politiker/-innen zu, sich bei VIVAWEST für eine sozialverträgliche Modernisierung einzusetzen. „Mittlerweile ist wieder Bewegung in die Sache gekommen, und es steht ein Gesprächstermin Anfang Juni im Raum. Wir hoffen das VIVAWEST endlich das Herz zeigt, mit dem das Unternehmen für sich wirbt“, so Lore Pütter.
Kontakt | Sitemap | Datenschutz | Impressum