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14. November 2016 (Land NRW)

Mieterforum Ruhr positioniert sich zu Wohnungsgemeinnützigkeit und Wohnungsbauförderung

Seit einigen Monaten wird die Wiedereinführung einer Wohnungsgemeinnützigkeit diskutiert

1. Wohnungsgemeinnützigkeit und Wohnungsbauförderung

Das Land sollte nicht nur günstige Baukredite zur Verfügung zu stellen. Es sollte auch dafür sorgen, dass es in den Städten und Regionen ausreichend gemeinnützige  Wohnungsanbieter gibt, die diese Mittel zielgerecht einsetzen, weil sie dauerhaft als Partner einer sozialen Wohnraumversorgung zur Verfügung stehen. Solche Partner sind gegenwärtig schwach vertreten, weil es keinen systematischen Rahmen mehr für eine nicht vorrangig renditeorientierte Wohnungswirtschaft gibt.

Um die erforderlichen Wohnungsanbieter zu schaffen oder zu stärken, kann das Land einen Teil des ehem. Wohnungsbauvermögens einsetzen. Voraussetzung ist, dass das Kapital der öffentlichen Hand dabei dauerhaft als Sondervermögen erhalten bleibt und dass sein Einsatz ausschließlich öffentlichen, gemeinwirtschaftlichen Zwecken dient. Dafür muss einerseits eine entsprechende Institution zur Sicherung und Verwaltung des wohnungspolitischen Beteiligungsvermögens auf  Landesebene geschaffen werden. Andererseits muss es eine dauerhafte Verpflichtung der begünstigten Wohnungsanbieter auf soziale Versorgungsziele und eine demokratische Verwaltung geben. Die institutionelle Klammer dieses Wohnungsbausektors nennen wir „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“.

Schritte zur Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit auf Landesebene

Das Land sollte Ziele, Zwecke, Grundsätze und Regeln einer gemeinnützigen Wohnungswirtschaft erarbeiten, die in geeigneter Weise – z.B. einem Landesgesetz –  verbindlich fixiert werden. Wohnungsunternehmen könnten sich ganz oder teilweise auf diese  Grundsätzen und Regelungen verpflichten. Die Verpflichtungen könnten auf verschieden Weise (Gesellschaftervertrag, Beteiligungen, Gesetz, Grundsicherung  etc.) verbindlich verankert werden, so dass dauerhafte soziale Bindungen der Unternehmen und ihres Vermögens entstehen,  wobei auch Abstufungen („graduelle Gemeinnützigkeit“) denkbar sind.

Im Gegenzug zu dieser gemeinnützigen Bindung und die Bereitstellung der benötigten Wohnungen sollten die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen besondere Förderungen und Unterstützungen durch die öffentliche Hand erhalten, die über die allgemeine soziale Wohnraumförderung hinausgehen. Zum Beispiel könnte das Land direkt oder über öffentliche/gemeinnützige Zwischenträger durch Anteile oder Hybridkapital die Eigenkapitalbasis bei gemeinnützigen Unternehmen stärken, um diese zu befähigen, mehr sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Ebenso könnten gemeinnützigen Unternehmen günstige Konditionen bei der Vergabe von sozialen Wohnraumfördermitteln und von Grundstücken erhalten. Außerdem wäre die landesgeförderte Entwicklung von Kooperationen für Planung, Entwicklung und Qualifizierung unter den gemeinnützigen  Unternehmen denkbar.

Ziele und Zwecke der Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit

Der Tätigkeitsbereich der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sollte auf den Bau, die Beschaffung und die Bewirtschaftung von Miet- und Genossenschaftswohnraum und ihres Wohnumfeldes beschränkt werden.

Das Vermögen der gemeinnützigen Unternahmen muss dauerhaft zweckgebunden sein, was durch geeignete rechtliche Instrumente garantiert werden muss. Gewinne sollen in den Ausbau oder die Verbesserung des gemeinnützigen Wohnungsbestandes reinvestiert werden. Gewinnausschüttungen und Finanzmarktgeschäfte werden beschränkt.

Die grundsätzliche Zielgruppe für die Vermietung im Bestand soll so breit gefasst werden, wie dies im Rahmen des EU-Rechts möglich ist, d.h. die Zielgruppe wird über die Einkommensgrenzen der sozialen Wohnungsbauförderung hinaus gehen. Der Schwerpunkt der Neuschaffung von Wohnraum soll jedoch im sozialen Wohnungsbau liegen, wobei die Befriedigung des dringenden Bedarfs einkommensarmer und unterversorgter Haushalte Vorrang hat. Kommunen sollen dauerhafte Belegungsrechte besitzen.

Gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sollen zu einer transparenten Unternehmensführung verpflichtet werden. In größeren Wohnanlagen sollen Mieterräte mit verbindlichen Informations- und Anhörungsrechten eingerichtet werden. Auch auf Unternehmensebene soll es Mitbestimmungsgremien geben.

Die Mieten für alle Wohnungen sollen jeweils unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Insgesamt müssen die Mieten auf Unternehmensebene kostendeckend sein. Innerhalb dieser Grenzen sollen auf regionaler oder landesweiter Ebene auch einkommensabhängige Mieten geschaffen werden können, die der Refinanzierung des sozialen Wohnungsbaus gemeinnütziger Träger dienen.

Neuausrichtung der Wohnraumförderung

Die Wohnraumförderung soll wie bisher vorrangig auf der zinsvergünstigten Kreditvergabe für soziale Maßnahmen im Neubau und im Bestand beruhen, die sich an alle Bauwilligen richten kann. Für verbindlich an die Wohnungsgemeinnützigkeit gebundene Wohnungsunternehmen soll es aber zusätzliche Fördermittel in der Form von Zuschüssen (Tilgungsverzichten), Eigenkapitalerhöhungen durch Anteile des Landes (besser einer zweckgebundenen Holding, bzw. einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft) und eigenkapitalähnlichen Fördermitteln geben, um diese Unternehmen zu befähigen die erforderlichen gemeinnützigen Leistungen zu erbringen.

Die Bevorzugung der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ist insofern berechtigt, als das öffentliche Kapital dauerhaft sozial zweckgebunden bleibt und der Versorgung der Zielgruppe dient.

Mögliche ergänzende Struktur des neuen wohnungsgemeinnützigen Sektors

Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sollen perspektivisch über eigene mitbestimmte Dachstrukturen verfügen, die den einzelnen Unternehmen Beratung, Qualifizierung, Forschung & Entwicklung, Planungskapazitäten und weiteren Serviceleistungen zur Verfügung stellen.

Die öffentliche Kreditfinanzierung von Bau- und Bestandsprojekten soll möglichst zu Rückflüssen für den Aufbau eines dauerhaft zweckgebundenen revolvierenden Fonds führen.

Zusätzlich soll über gemeinnützige  Fondsstrukturen privates ethisches Kapital mobilisiert werden.

Es können Dachstrukturen geschaffen werden, die als zweckgebundene gemeinnützige Holding von Gesellschaftsanteilen dienen.  Diese Gesellschafteranteile könnten zu Sperrminoritäten ausgebaut werden, die zu einer weiterem Absicherung der gemeinnützigen Bindung führen.

Ebenso ist die Entwicklung eines vergemeinschafteten Bodenfonds denkbar, der an die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen Grundstücke in Erbpacht vergibt.

Übergangsschritte

Der Ausbau eines neuen gemeinnützigen Sektors wird Zeit beanspruchen und dann an Fahrt gewinnen, wenn auch bundesrechtlich entsprechende Weichen gestellt werden. Auch auf Landeseben können aber wichtige Schritte erfolgen.

Im Vorfeld der oben skizzierten Lösung könnten zunächst auch projektbezogene Bindungen geschaffen werden. Wenn z.B. ein nach eigenem Selbstverständnis gemeinnütziges kommunales Wohnungsunternehmen ein größeres soziales Wohnungsbauvorhaben realisiert, könnte es zusätzliche eigenkapitalähnliche Mittel erhalten, wenn es sich grundbuchrechtlich verpflichtet, die Mietpreis- und Belegungsbindung auch nach Rückzahlung der Mittel  beizubehalten, dem Land oder der Kommune ein privilegiertes Vorkaufsrecht einzuräumen und einen Mieterrat für das Gebiet einzurichten. Es könnten Regelungen zur Mitbestimmung und Miethöhe auch in Mietverträgen verankert werde. Es wäre eine abgestufte Förderung denkbar, deren Höhe sich danach richtet, zu wie vielen Punkten das Unternehmen verbindliche Bindungen eingeht.

Das grundsätzliche Ziel des Aufbaus eines neuen gemeinnützigen, renditebeschränkten Sektors an Wohnungsunternehmen darf dabei aber nicht aus den Augen verloren werden.

Zusätzliche Mittel für die Wohnungsbauförderung

Es ist auch im Rahmen der Verschränkung mit der Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit eine starke und dauerhafte Aufstockung des Volumens der Wohnungsbaufördermittel durch Haushaltmittel des Bundes und des Landes erforderlich. Der sich aus der Zuwanderung ergebende Mehrbedarf sollte aus öffentlichen Haushaltsmitteln gedeckt werden, wobei die Rückflüsse möglichst in einem neuen revolvierenden Fonds in Form einer Anstalt öffentlichen Rechts für zukünftige Bauaufgaben gesichert werden sollten.


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