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20. April 2004 (Aus den Städten)

Mehr Wohn-Qualität für schrumpfende Städte

Ruhrgebiet muss auf Bevölkerungsverlust reagieren - In den letzten Tagen haben viele Medien eine Bevölkerungsprognose des NRW-Landesamtes für Statistik zum Anlass genommen, mit drastischen Schlagzeilen die angebliche „Entvölkerung“ des Ruhrgebietes und anderer Großstädte in NRW zu thematisieren. Bei dieser Debatte wird häufig der Eindruck erweckt, die bisherigen Einwohner verließen die Stadtregionen fluchtartig.

„Das Gefährliche an solchen Fehlinterpretationen ist, dass sie zu falschen politischen Schlussfolgerungen in der Wohnungs- und Planungspolitik führen können“, erklärt Knut Unger vom Mieterforum Ruhr. So werde in vielen Städten versucht, die Abwanderung mit umfangreichen Baulandausweisungen für Eigenheime am Stadtrand zu stoppen. Auch mit riesigen Einkaufsmeilen und Urban Entertainment-Projekte soll die Attraktivität der Ruhrgebietsstädte erhöht werden.
Wenn aber, wie zahlreiche neuere Unter-suchungen bestätigen, der zukünftige Bevölkerungsrückgang nicht vorrangig auf Abwanderung, sondern auf dem regionalen Geburtendefizit beruht (wobei das Ruhrgebiet wegen des hohen Anteils älterer Leute eine Vorreiterrolle spielt), führen derartige Bemühungen lediglich zu einem verschärften Konkurrenzkampf innerhalb der schrumpfenden Region. Und das drängt benach-teiligte Stadtteile an den Rand, von den ökologischen Folgen der Baulandausweisung ganz zu schweigen.
Wie eine Studie im Auftrag des KVR ergeben hat, ziehen die meisten Menschen innerhalb des Ruhrgebietes um. Die meisten „Wegzieher“ bleiben Mieter. Nur bei den – quan-titativ in Zukunft unbedeutender werdenden – Familien mit Kindern und ausreichendem Einkommen gibt es einen überwiegenden Trend zum Eigentum, das dann auch häufig am Rande des Ruhrgebiets liegt. Mindestens ebenso bedeutend ist aber, dass ältere Mieter-Ehepaare kleinere Städte mit guter Lebens-qualität innerhalb der Region bevorzugen.
Die Verlierer dieser Umschichtungen inner-halb des Ruhrgebietes sind die Emscherregion und besonders Stadtteile wie die Dortmunder Nordstadt. Hier vermissen die Einwohner-Innen soziale und Umweltqualitäten.
Weder die demographischen Tatsachen, noch den Bedeutungsverlust des Ruhrgebietes als Industriestandort kann man durch Stadtent-wicklungspolitik grundsätzlich ändern. Das Ruhrgebiet insgesamt wird unvermeidlich mit einem erheblichen Bevölkerungsverlust leben müssen, zunächst in den benachteiligten Stadtgebieten und Großstädten, dann auch in den Mittelstädten am Rande. Die Haupt-herausforderung ist, diese „Schrumpfung“ so zu gestalten, dass Wohn- und Lebensqualität und die Kinderfreundlichkeit im BESTAND erhöht wird. Wer weiter den Neubau von Sonderghettos für den Mittelstand fördert, schreibt dagegen die benachteiligten Stadtviertel ab und wird sich sehr bald mit noch mehr sozialer Deklassierung und einem massiven Abrissproblem auseinandersetzen müssen.
Wenn sich Stadterneuerung und Woh-nungspolitik auf die soziale und ökologische Verbesserung der Lebensqualität im Bestand konzentriert, hat das Ruhrgebiet das Potential zu einer lebenswerten und familienfreund-lichen Stadtregion für eine schrumpfende, buntere und ältere Bevölkerung. Dazu muss es eine wesentlich verbesserte Regional-planung und deutlich mehr Stadtteilorientierung geben.
Nötig ist nicht weniger, sondern eine andere Wohnungspolitik.


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