Die Kampagne #wirwollenwohnen richtet sich nur in ihrem ersten Teil primär an die Landespolitik. Nämlich da, wo es um den Erhalt der Mieterschutzverordnungen geht. Im zweiten Teil werden vor allem die Kommunen angesprochen. Sie sollen ihre Kommunalen Wohnungsunternehmen zur Schaffung preiswerten Wohnraums einsetzen. Seit die Stadt ihren Anteil an den Vereinigten Bochumer Wohnstätten (VBW) auf fast 80 % erhöht hat, hat Bochum ein kommunales Wohnungsunternehmen. Doch an dessen Geschäftsgebahren müsste sich Einiges ändern, sollte sie diesem Ziel dienen.
Einer Mehrheit im Rat ist die städtische Beteiligung an der VBW besonders lieb. Zum Einen ist die VBW recht umtriebig im Bereich der Stadtentwicklung. Immer wieder hat sie durch mutige Investition mitgeholfen, aus hässlichen Ecken schmucke Quartiere zu machen: Bahnhof Präsident, Altenbochumer Bogen, Grummer Karree viele Millionen sind hier investiert worden. Zum Anderen kommt aber auch Bochums Kämmerin Dr. Eva Maria Hubbert regelmäßig in den Genuss der inzwischen einträglichen Beteiligung der Stadt an der VBW: 7,5 Mio. Überschuss hat das Unternehmen 2018 erwirtschaftet, 3 davon zahlt sie an ihre Anteilseigner aus wie auch schon in den Vorjahren. Knapp 2,4 Mio. davon landen in der Stadtkasse.
Aus Sicht des Mietervereins und ganz sicher vieler ihrer Mieterinnen und Mieter ist die VBW vor allem etwas anderes: teuer. Zweimal hat das Unternehmen in den letzten Jahren versucht, Mieten an der Obergrenze der Preisspanne des Mietspiegels zu nehmen, beim ersten Versuch ganz ohne Begründung, beim zweiten mit unzulässigen Begründungen. Erst massive Proteste des Mietervereins führten zur Umkehr und heute stellt sich das Problem nicht mehr. Denn der aktuelle Mietspiegel enthält auf Drängen des Mietervereins (wegen solcher Erfahrungen) keine Preisspannen mehr.
Doch auch so wurde kräftig an der Preisschraube gedreht. Um 12,6 % stiegen in den Jahren 2012 bis 2017 die Mieten bei der VBW, folgt man nur ihren eigenen Geschäftsberichten. Im gleichen Zeitraum stiegen die Durchschnittsmieten im Stadtgebiet, die die Mietspiegel-Erhebungen erfasst haben, nur um 10,8 %.
Das bekommen die Mieter zu spüren. Einer von ihnen ist Winfried Dentel aus Altenbochum. Ich wohne seit 1988 hier, seither ist in meiner Wohnung kein Hammerschlag gemacht worden, es sei denn von mir selbst. Das Haus ist Baujahr 39, und so sieht es auch aus. Unter meinen Holzdielen liegt noch Straßenasche. Aber Mieterhöhungen habe ich regelmäßig bekommen, 2015, 2017, jetzt wieder. Ich bin jetzt bei 322,74 für 54,6 qm.
Schon einige Sträuße mit der VBW ausgefochten hat Marlies Seidelmann (Name geändert) aus der Küppersstraße. Sie soll zum 1. April 113,81 mehr zahlen als bisher. Dabei hat die VBW einen Mietspiegel-Zuschlag von 68 Cent pro qm für einen gehobenen Bodenbelag berücksichtigt. Der Korkboden aber gehört der Mieterin selbst, was die VBW in einem Protokoll nach der Modernisierung 2012 noch ausdrücklich quittiert hat. Zieht man diesen Zuschlag ab, bleiben von der Mieterhöhung gerade noch 39,42 übrig. Marlies Seidelmann: Ich lass mich nicht einschüchtern. Wenn ich etwas nicht zahlen muss, dann zahle ich das auch nicht. Ich finde es schade, dass so viele Mieter sich nicht wehren.
Zwei von vielen. York Redeker ist nur einer von sechs Rechtsberatern beim Mieterverein. Doch allein er hat derzeit 25 Akten mit VBW-Mieterhöhungen auf seinem Schreibtisch. Viele davon erfordern Korrekturen. Ein häufiges Problem ist, dass ein Zuschlag für eine gute Energieklasse gemacht wird, ohne dass der Energiepass beiliegt. Viele Wohnungen haben einen einfachen Bodenbelag, aber der Abschlag von 18 Cent, der im Mietspiegel steht, ist nicht gemacht worden. Das sind aber noch Themen, bei denen wir mit ein bisschen Hin- und Herschreiben weiterkommen. Wobei gar nichts läuft, ist beim Abschlag für einfaches Bad. Im Mietspiegel steht: Wenn alt, eng und einfach, dann 22 Cent weniger. Aber da gibt die VBW keinen Zentimerter nach. Das werden wir irgendwann mal durchfechten müssen.
Das Bild ist immer gleich: Mit jedem neuen Mietspiegel kommt bei der VBW die Mieterhöhung, und dabei wird ausgereizt bis zum letzten Cent, auch bei strittigen Fragen. Doch Mieterhöhungen im Bestand sind nur das Eine. Noch kräftiger bedient sich die VBW beim Mieterwechsel eigentlich ein typisches Markenzeichen kommerzieller Vermieter.
Der Mieterverein hat sich die Mühe gemacht, eine Woche lang die aktuellen Wohnungsangebote der VBW bei Immoscout24 auszuwerten. 80 Wohnungen hatte die VBW in dieser Woche im Angebot, zu einer Durchschnittsmiete (soweit freifinanziert) von 6,93 pro qm. Zum Vergleich: Die Durchschnittsmiete der 5.300 Wohnungen, die für den aktuellen Mietspiegel erfasst wurden, liegt bei 6,07 .
Daran, dass die VBW-Wohnungen eben viel besser zum Beispiel, weil frisch modernisiert sind, kann der Preisunterschied von 86 Cent pro qm kaum liegen. Die 80 ausgewerteten VBW-Wohnungen hatten einen durchschnittlichen Energie-Kennwert von 132,82 KWh/A. Das ist alles andere als ein toller Wert, liegt in der Energieeffizienzklasse D (die mittlere von 9 Klassen), und brächte im Mietspiegel nicht mal einen Zuschlag für Wärmedämmung.
Die VBW ist mit 12.700 Wohnungen die mit Abstand größte Wohnungsanbieterin in Bochum. Zusammen mit den 1.200 verwalteten Fremdwohnungen bestimmt sie die Miete in fast jeder zehnten Mietwohnung in dieser Stadt. Ihr Einfluss auf das Preisgefüge ist also enorm mehr als doppelt so hoch beispielsweise wie das der Vonovia. Dieses deutschland- und europaweit größte Wohnungsunternehmen hat zwar seinen Sitz in Bochum, hier aber nur noch ca. 7.000 Wohnungen im Bestand. Und obwohl es sich hier um einen börsennotierten DAX-Konzern handelt, der renditehungrige Aktionäre befriedigen muss, wird man in der Größenordnung 6,90 pro qm bei Vonovia durchaus auch fündig.
Wenn ein Unternehmen mit einer Marktposition der VBW überdurchschnittlich hohe Mieten verlangt, dann zieht das nach und nach alle Mieten in der Stadt nach oben. Denn bei der Datenerhebung zum nächsten Mietspiegel ist dann ja auch jeder zehnte Datensatz eine VBW-Miete. Und das beeinflusst den Durchschnitt.
Michael Wenzel, Geschäftsführer beim Mieterverein, hält diese Mietenpolitik noch aus einem anderen Grund für unklug: Der Kommunalpolitik muss klar sein, dass ihr diese Geschäftspolitik früher oder später vor die Füße fällt. Wenn von den freifinanzierten Wohnungen praktisch keine mehr für die 30.000 Transferleistungsempfänger geeignet ist, dann wird das nicht nur auf die Zusammensetzung der Wohnquartiere durchschlagen, sondern vor allem bei der Wohnkostenübernahme durch das Jobcenter.
Wenn man in Bochum preiswert wohnen will, kommt man also bei der Städtischen nicht weit. Eine Anlaufstelle könnten dagegen Genossenschaften sein, deren meist in der Satzung festgeschriebens Ziel es ist, nicht Aktionäre zu befriedigen, sondern ihren Mitgliedern preiswerten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Das merkt man. Der Mieterverein hat im gleichen Zeitraum auch die Wohnungsangebote von Genossenschaften ausgewertet. Ergebnis: 6,08 als Durchschnittsmiete.
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