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25. Mai 2020 (Aus den Städten)

Nachbarschaftshilfe in Krisenzeiten: Alte Werte neu entdeckt

Die Corona-Krise hat das Alltagsleben radikal verändert. Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, Reisewarnungen und geschlossene Sozialeinrichtungen treffen insbesondere ältere MitbürgerInnen übermäßig hart. Die oft wenigen sozialen Kontakte fallen weg, der Gang zum Supermarkt wird zur Gefahr. Doch in diesen ungewöhnlichen Zeiten erfährt die Idee einer solidarischen Nachbarschaftshilfe eine Renaissance: Man kümmert sich umeinander.

„Der Ansturm zu Beginn der Coronakrise war schon riesig“, sagt Karola Jaschewski, Geschäftsführerin der FreiwilligenAgentur Dortmund und bemerkt, dass dieser Ansturm vor allen Dingen durch BürgerInnen, die ihre Hilfe anboten zustande kam. „Es meldeten sich deutlich mehr Helfende als Hilfesuchende. Bei Letzteren herrscht immer noch eine gewisse Scheu“, erklärt sie. Mit dieser direkten Vermittlung betrat die seit 2002 bestehende FreiwilligenAgentur im März Neuland. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand die Hauptaufgabe der MitarbeiterInnen in der Vermittlung von Ehrenamtlichen an „passende“ soziale Institutionen.

Viele Akteure

Doch wer sich in seinem Umfeld durch Botengänge oder Einkäufe für Risikogruppen engagieren möchte, kann neben der FreiwilligenAgentur auf eine ganze Reihe weiterer Anlaufstellen zurückgreifen. Doch der erste Blick sollte immer in die direkte Nachbarschaft geworfen werden. Viele kleine und lokal sehr begrenzte Initiativen arbeiten ohne feste Strukturen und werden dabei von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Sich in seiner Hausgemeinschaft oder Wohnanlage gegenseitig zu helfen oder ein Nachbarschaftsfest zu organisieren ist für viele BürgerInnen selbstverständlich.

Innerhalb von Siedlungen oder Quartieren übernehmen häufig soziale Akteure die Vernetzung der BewohnerInnen. So betreibt etwa DOGEWO21 gemeinsam mit der Diakonie gleich vier Nachbarschaftsagenturen. In Löttringhausen, Mengede, Wambel und Wickede haben interessierte Nachbarn die Möglichkeit, sich kennenzulernen, auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen.

Eine weitere wichtige Anlaufstelle für HelferInnen und Hilfesuchende sind die zwölf, über das gesamte Stadtgebiet verteilten, Seniorenbüros. Gemeinsam mit allen großen Wohlfahrtsverbänden bietet die Stadt Dortmund dort zahlreiche Informations- und Hilfsangebote für ältere BürgerInnen. Und eben auch die Vernetzung von Menschen.

In der Nachbarschaft

Darüber hinaus bieten viele Ortsgruppen der Sozialverbände weitere Möglichkeiten zur Nachbarschaftshilfe an – so etwa die AWO Asseln oder der DRK Kreisverband. Auch der Planerladen fördert als Träger des Quartierstreffs „Concordia“ das nachbarschaftliche Engagement der Spar- & Bau-MieterInnen in der Nordstadt. Sollte es in Ihrer Nachbarschaft bislang keine Angebote geben, ist vielleicht Ihre Nachfrage bei den Sozialverbänden oder Wohnungsgesellschaften der entscheidende Impuls, aus dem sich etwas Neues entwickelt.

Im Internet

Insbesondere im Internet sind in den vergangenen drei Monaten die Plattformen zur nachbarschaftlichen Vernetzung wie Pilze aus dem virtuellen Boden geschossen: der Platzhirsch nebenan.de, wirhelfen.eu, nachbarschaftshilfe.nrw, wirgegencorona.de oder coronaport.net sind nur einige dieser Portale. Manche agieren eher regional, andere wollen Menschen im ganzen Bundesgebiet vernetzen.

Aktivität und Nutzeranzahl halten sich bei vielen dieser Portale in Grenzen. Verständlich, denn die neuen Angebote treffen auf unzählige, größtenteils privat organisierte und oft schon lang bestehende Facebook- und WhatsApp-Gruppen. Ein Effekt, den Karola Jaschewski kennt. „Ähnliches passierte auch im Jahr 2015 bei der Flüchtlingskrise. Viele Menschen hatten eigene Ideen und wollten helfen. Es entstanden zahlreiche Projekte, die sich inhaltlich jedoch teilweise überschnitten und erst in eine gemeinsame Struktur gefasst werden mussten.“

Auf eigene Faust

Natürlich können Sie sich auch auf eigene Faust auf den Weg machen und Hilfsangebote in Ihrer direkten Nachbarschaft bündeln und veröffentlichen. Ein Kontakt zur FreiwilligenAgentur lohnt sich trotzdem. Auf der Webseite finden Sie neben zahlreichen Infos auch PDF-Vorlagen für Aushänge im Treppenhaus. Rechtlich gibt es wenig, was es zu beachten gilt. Auch die oft gestellte Frage nach dem Versicherungsschutz kann Karola Jaschewski schnell beantworten: „Sollte es während der ehrenamtlichen Tätigkeit etwa zu einem Unfall kommen, ist der Helfende im Zweifelsfall über die Unfallversicherung des Landes NRW geschützt.“ Selbst bei Haftpflichtschäden besteht eine Möglichkeit, dass die Landesversicherung einspringt.

Gesellschaftliche Veränderung

Entgegen dem Klischee der individualisierten und anonymen Gesellschaft, scheint sich ein neues solidarisches Miteinander zu entwickeln. Die Corona-Krise ist zwar nicht der Auslöser dieses Booms an Nachbarschaftshilfe, aber sie beschleunigt diese Entwicklung. Das bestätigt auch Karola Jaschewski: „Die Zahl der ehrenamtlich Engagierten nimmt stetig zu. Man engagiert sich jedoch nicht mehr langfristig in bestimmten Vereinen oder Verbänden. Ehrenamt bedeutet heute, sich vielfach kurzfristig in eher lockeren und weniger strukturierten Initiativen zusammenzufinden.“ Insgesamt sieht sie in der Krise durchaus eine Chance für das soziale Engagement. „Da ist gerade viel in Bewegung. Ehrenamt verändert sich und neue Formate entstehen. Das ist gut. Und der Kern unserer Arbeit – das ehrenamtliche Engagement – bleibt ja erhalten.“

Kontakte

FreiwilligenAgentur Dortmund
www.freiwilligenagenturdortmund.de
Tel. 0231 5010600

Übersicht aller Seniorenbüros
https://bit.ly/3cdq1WI
www.dortmund.de/seniorenbueros

Nachbarschaftsagenturen
von DOGEWO21 und Diakonie
https://www.nachbarschafts-agentur.de

Ortsverband AWO Asseln
www.awo-asseln.de
Tel. / WhatsApp: 0172 1751849

Quartierstreff Concordia
Mail: quartierstreff-concordia@planerladen.de
Tel. 0231 13720282

DRK Kreisverband Dortmund
https://www.drk-dortmund.de/ehrenamt.html


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