Wohnungspolitik > Aus den Städten
24. November 2020 (Aus den Städten)

Kein Bauboom in Bochum

Am 2017 beschlossenen Handlungskonzept Wohnen hat der Mieterverein wiederholt kritisiert, dass es einseitig auf Neubau setzt. 800 Wohnungen jährlich sollten neu errichtet werden, davon 200 gefördert. Das hat allerdings nie geklappt, und die Zahlen deuten an, dass es selbst mit dem kleinen Zwischenhoch schon wieder vorbei sein könnte. Unterdessen legen gleich drei Studien den Schluss nahe, dass in Bochum sogar zuviel gebaut wird.

Die Baugenehmigungen von heute sind die Fertigstellungen von morgen? An dieser These können Zweifel aufkommen, wenn man sich die Bochumer Zahlen der letzten 10 Jahre anschaut (Grafik unten).  So findet man zwar das Jahr 2016, in der die Zahl der Baugenehmigungen mehr als doppelt so hoch war wie die der Fertigstellungen – und richtig steigt die Zahl der Fertigstellungen 2017 deutlich an. Doch 2018/19 gibt es diesen Effekt nicht, im Gegenteil. Trotz fast 800 Baugenehmigungen 2018 wurden 2019 nicht mal 400 Wohnungen fertiggestellt. Und so ist zweifelhaft, was aus der Rekordzahl an Bauanträgen des Jahres 2019 wird. Offenbar gibt es Bauträger, die Baugenehmigungen auf Vorrat beantragen und – selbst wenn diese erteilt werden – nicht alle davon umsetzen.

Schon zuviel?

Insgesamt jedoch ist die Tendenz steigend. Und schon gibt es Stimmen, dass in Bochum sogar zuviel gebaut wird. Im Auftrag des Landesbauministeriums hat das GEWOS-Institut den Neubaubedarf in NRW bis zum Jahre 2040 ermittelt und beziffert ihn auf 46.000 jährlich – zusammen fast 1 Mio. Allerdings entwickele sich der Bedarf örtlich sehr unterschiedlich. „Dynamisch“ blieben die Hot-Spots Bonn, Köln, Düsseldorf und Münster, in Bewegung auch deren „Speckgürtel“ und Großstädte wie Essen, Dortmund, Aachen, Solingen und Bielefeld. In Ruhrgebietsstädten wie Bochum, Duisburg, Herne, Mülheim oder Recklinghausen sehen die Forscher wenig absoluten Mengenbedarf, sondern eher eine „qualitative Neubaunachfrage“. Sprich: Alter Wohnraum müsste durch neuen, qualitativ besseren (zum Beispiel barrierearmen) ersetzt werden. Für Bochum wird der Neubaubedarf mit jährlich 430 Wohneinheiten beziffert. Tatsächlich gebaut worden seien im Schnitt der Jahre 2017 bis 2019 aber 480, also fast 12 % über Bedarf.

Die Immobilienberater Wüest Partner aus Frankfurt kommen in einer Untersuchung der Wohnungsmärkte in 20 westdeutschen Städten zu ganz ähnlichen Ergebnissen. In Bochum stünden für 191.170 Haushalte 198.850 Wohnungen zur Verfügung, was eine Versorgungsquote von 104 % entspricht. Trotz dieser Überversorgung werde in Bochum 13,6 % über Bedarf gebaut. Ganz anders in der Nachbarschaft: Essen baut nur 63,2 % des Bedarfs, Dortmund gar nur 51,5 %.

Die Mieten haben sich in allen drei Städten nach Wüest in den letzten Jahren kräftig nach oben entwickelt: Essen + 31,1 %, Bochum + 37,4 %, Dortmund + 46,3 %. Die Wohnkostenbelastungsquote ist allerdings in allen drei Städten ähnlich: Bochum und Essen 19,9 % vom Einkommen, Dortmund 21,1 %.

Im Trend gleich, in der Ausprägung deutlich schärfer sind die Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Danach werden in Dortmund nur 59, in Essen 72, in Bochum hingegen 128 % des Bedarfs gebaut. Dies hat nicht nur mit der Bautätigkeit zu tun, sondern auch mit der Bevölkerungsentwicklung. Während für Essen und Dortmund bis 2030 mit einem Wachstum von bis zu 5 % gerechnet wird, soll die Einwohnerzahl Bochums in gleichem Maße sinken.

Also nicht mehr bauen?

Solche Zahlen sind natürlich Wasser auf die Mühlen zahlreicher Initiativen, die sich derzeit gegen Bebauungspläne auf der grünen Wiese wehren, ob nun „Gerthe West“, „Schloßstraße“ in Weitmar oder „Hinter der Kiste“ in Linden. Sie argumentierten von Anfang an, das Bochum gar nicht so viel Neubau braucht, und dass es unverantwortlich ist, in einer Stadt, die zu den 10 am dichtesten versiegelten in Deutschland gehört, weitere Freiflächen zu opfern. Und auch die neue und alte rot-grüne Koalition in Bochum hat sich darauf verständigt, die Ziele des Handlungskonzepts Wohnen von 2017 überprüfen zu wollen (siehe S. 21).

Allerdings ist das Thema nicht neu. Das IW hatte schon 2019 ganz ähnliche Zahlen veröffentlicht. Damals hatte die Stadt das Institut empirica beauftragt, die eigenen Zahlen aus dem Handlungskonzept Wohnen zu aktualisieren. Ergebnis: An den Zielen des Konzepts sei weiter festzuhalten.


>>> Rechtsberatung für Mieterinnen und Mieter
 

Twitter


Arbeitsgemeinschaft der Mietervereine Bochum, Dortmund, Witten, Mietergemeinschaft Essen

Kontakt | Sitemap | Datenschutz | Impressum