In einer gemeinsamen Erklärung wenden sich 21 Organisationen und Verbände, darunter der Deutsche Mieterbund NRW, das Bündnis „Wir wollen wohnen!“ und viele Sozialverbände an die Landesregierung. Sie fordern ein klares Bekenntnis zur Barrierefreiheit im Wohnungsbau. Anlass ist eine Novelle der Landesbauordnung.
Zu viele ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen in NRW leben bereits in Wohnungen, die nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Das große Missverhältnis zwischen Bedarf und Angebot wurde zuletzt durch die Untersuchungen der Wohnungsmarktprognose des Landes NRW zum Ausdruck gebracht.
Die gemeinsame Erklärung beinhaltet daher die Forderung, dass zukünftig Wohnungen im Neubau generell barrierefrei gemäß der Definition von Barrierefreiheit gebaut werden.
Im Gegensatz dazu wird der Begriff der Barrierefreiheit in der Landesbauordnung aufgeweicht. Wohnungen sollen zukünftig nur noch „im erforderlichen Umfang“ barrierefrei sein. Die Einfügung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs würde zu erheblicher Unsicherheit führen, da völlig unklar ist, was damit gemeint ist. Kein anderes Bundesland verwendet in seiner Bauordnung diese Formulierung in Bezug auf barrierefreie Wohnungen. Nordrhein-Westfalen würde damit einen Sonderweg beschreiten, der vor allem zu Lasten von älteren und behinderten Menschen ginge.
Seit die Partei „Die Linke“ im Bochumer Rat sitzt – also seit 2004 –, hat sich ihre Fraktion dort angewöhnt, die Verwaltung jedes Jahr nach der Anzahl der Zwangsräumungen zu fragen. Also jenen Terminen, bei denen eine Mietpartei durch einen Gerichtsvollziher aus der Wohnung geworfen wird. Und so ist für die letzten 16 Jahre lückenlos und öffentlich dokumentiert, wie viele solcher Fälle es jedes Jahr gegeben hat. Die neueste Zahl für 2020 zeigt, dass es trotz aller Beteuerungen fast aller großen Wohnungsunternehmen, im Corona-Jahr niemanden vor die Tür zu setzen, beim Thema „Räumungen“ zugegangen ist wie eh und je.
Zwar war die Zahl der durchgeführten Zwangsräumungen mit 134 so niedrig wie noch nie. Die Zahl der angesetzten Zwangsräumungen war aber mit 268 fast genauso hoch wie der Schnitt der letzten Jahre (sie Grafik unten).
Dazu muss man wissen: Wenn eine Zwangsräumung angesetzt, aber dann doch nicht durchgeführt wurde, bedeutet das nicht, dass die Mieter durch einen späten Akt der Gnade des Vermieters dann doch noch in der Wohnung bleiben durften. Es bedeutet in den meisten Fällen nur, dass der Gerichtsvollzieher den Mieter nicht mehr angetroffen hat, weil er es im letzten Moment doch noch geschafft hat, woanders unterzukommen. Die Wohnung ist für den Mieter aber in jedem Fall verloren.
Bevor es zu einer Zwangsräumung kommen kann, muss einiges passiert sein:
- Der Vermieter hat gekündigt.
- Der Mieter ist nicht ausgezogen.
- Der Vermieter hat auf Räumung geklagt.
- Er hat den Prozess gewonnen, evtl. über mehrere Instanzen.
- Das Urteil ist rechtskäftig geworden.
- Der Mieter ist immer noch nicht ausgezogen.
- Der Vermieter hat die Zwangsvollstreckung des Urteils beantragt.
Der häufigste Kündigungsgrund, der später zu einer Zwangsräumung führt, ist übrigens „Zahlungsverzug des Mieters“, nämlich laut Auskunft der Verwaltung in 9 von 10 Fällen. Eine viel geringere Rolle spielen „Vertragsverletzung des Mieters“ und „Eigenbedarf des Vermieters“. Eine hohe Zahl an Zwangsräumungen ist also ein Armutsindikator für die Stadt.
Dafür spricht auch, das fast alle betroffenen Mietparteien Transferleistungen bezogen haben, also Sozialhilfe, Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II. Und in 54 der betroffenen Haushalte lebten Kinder.
Immerhin: Obdachlos werden Zwangsgeräumte nicht automatisch. Denn nach dem Ordnungsbehördengesetz ist Obdachlosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, muss also vermieden werden. Die Stadt ist deshalb verpflichtet, Zwangsgeräumten ein Dach überm Kopf anzubieten, wenn diese am Räumungstag noch immer keine Bleibe gefunden haben. Im schlimmsten Fall in einer Notunterkunft.
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