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2. Dezember 2021 (Aus den Städten)

Neu gegründete Mieterinitiative in Dortmund: Nichts zu tun ist keine Option

Mal sind es falsche Betriebskostenabrechnungen, mal ausufernde Modernisierungsmaßnahmen, mal eine generelle Unzufriedenheit über den Zustand des eigenen Wohnumfeldes. Die Auslöser warum sich MieterInnen in Initiativen zusammenschließen sind vielfältig. Ein Grund wird aber fast immer genannt: Gemeinsam ist man stärker.

Eigentlich ist es wirklich schön hier. Der Regenpfeiferweg im Dortmunder Stadtteil Kleinholthausen ist eine kleine Sackgasse: kein Durchgangsverkehr, viel Grünflächen zwischen den Häuserzeilen, jede Menge alter Baumbestand. Doch Vivawest modernisiert hier seit vielen Monaten die klassischen Mietshäuser der Wirtschaftswunderzeit. Rund um die Gebäude sieht man Baufahrzeuge, Baumaterialien und nicht abgeschlossene Arbeiten. Ein Zustand, der MieterInnen nervt. Vor allen Dingen, wenn der Eindruck entsteht, dass diese Arbeiten einfach nicht zum Abschluss kommen.

Kleiner Auslöser

„Es ist die schlechte und intransparente Kommunikation, es sind die im Detail wenig durchdachten und oft schlecht ausgeführten Maßnahmen und der Dreck, der liegen bleibt, die immer wieder für Diskussionen bei den MieterInnen sorgen“, sagt Andrea Lennardt. „Wobei der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, eine Ankündigung zum Einbau von digitalen Erfassungsgeräten für die Warmwasser- und Wärmeversorgung war“, ergänzt Barbara Rothtauscher. „Die Kosten von 25 bis 35 Euro sollten von den MieterInnen getragen werden. Der Mieterverein machte uns auf die Möglichkeit eines Widerspruchs aufmerksam.“ Das war im Sommer dieses Jahres. Unabhängig von einander hatten die beiden den Impuls, den Frust in der Siedlung zu bündeln und die insgesamt 62 Parteien mit einer Stimme in der Kommunikation mit Vivawest zu vertreten. Jede der beiden sprach Nachbarinnen und Nachbarn an, um für den Widerspruch zu werben, dabei lernte man sich kennen.

„Wichtig war, dass wir von Anfang an den Kontakt zum Mieterverein gesucht haben. Schließlich hat man dort Erfahrungen, was es alles zu berücksichtigen gibt, wenn man eine Mieterinitiative gründen möchte“, sagt Andrea Lennardt. Und ihre Mitstreiterin ergänzt: „Außerdem ist es ein wichtiges Signal an die Nachbarinnen und Nachbarn, dass wir es wirklich ernst meinen und nicht nur eine tolle Idee im Kopf haben, die dann aber weder eine rechtliche Grundlage noch Hand und Fuß hat.“

Großer Zuspruch

Gesagt, getan. Innerhalb von ein paar Wochen organisierten sie eine erste MieterInnenversammlung, bei der auch Mietervereinssprecher Markus Roeser anwesend war. Mehr als die Hälfte der 62 Mietparteien waren anwesend. Der Stand der Widersprüche für die digitalen Erfassungsgeräte wurde besprochen und zahlreiche weitere Probleme innerhalb der Siedlung gesammelt. „Wichtig war uns beiden auch, dass wir durch die anderen Mietparteien eine Art Legitimation bekamen, im Namen der Siedlung zu sprechen“, sagt Andrea Lennardt. „Wir haben uns sozusagen ‚zur Wahl‘ gestellt“, ergänzt Barbara Rothtauscher. „Denn wir wollten deutlich machen, dass wir alle gemeinsam an diesem Strang ziehen und wir beide nicht automatisch vorgeben, wie und in welche Richtung die Initiative agiert.“

Eine E-Mail-Adresse der Initiative wurde eingerichtet und nur kurze Zeit später gab es eine weitere Versammlung, in der von dem Mieterverein zur Verfügung gestellten Mängelanzeigen zum Ausfüllen verteilt wurden, um die vielen Probleme der MieterInnen zu bündeln und sie in komprimierter Form der Vivawest zukommen zu lassen. Für die Neulinge bedeutet das alles: viel Arbeit und eine steile Lernkurve. „Natürlich waren unsere ersten Infoblätter nicht perfekt und uns fielen Sachen auf, die wir in Nachhinein vielleicht anders hätten formulieren können“, erklärt Barbara Rothtauscher. „Insbesondere am Anfang hat das schon Zeit gekostet. E-Mail-Listen mussten erstellt werden, aber insbesondere bei den älteren MieterInnen, muss es die persönliche Ansprache sein, denn die haben meist keine E-Mail-Adresse“, führt Andrea Lennardt aus. „Und sie brauchen auch viel mehr Unterstützung bei Ihren Problemen.“

Ihr Engagement in der Initiative ist ein aktiver Kampf gegen das Gefühl der Hilflosigkeit, auch wenn ihnen bewusst ist, dass sie bislang nur wenig Einfluss auf die Entscheidungen bei der Vermieterin haben. „Ich war an dem Punkt angekommen, wo ich etwas machen musste“, so Rothtauscher. „Und ich glaube, dass man als Gemeinschaft effektiver arbeitet und mehr erreichen kann.“

Positive Veränderungen

Erste Erfolge kann die Initiative schon verbuchen: Die Kommunikation zu Vivawest hat sich deutlich verbessert. „Ich habe das Gefühl, es wird auf E-Mails und Telefonate reagiert, die vorher gerne mal unbearbeitet blieben und dass man uns eher auf Augenhöhe begegnet“, sagt Lennardt. So konnten für einige offene Punkte bereits Lösungen gefunden werden.

Mitte November gab es zudem zwei Vor-Ort-Termine, bei denen sich die MieterInnen mit Vertretern der Vivawest auf sehr konstruktive Art und Weise austauschen konnten. Andrea Lennardt beschreibt weiterhin, dass auch die Gespräche zwischen den BewohnerInnen zugenommen haben und das Miteinander verbessert wurde. „Man kennt sich jetzt, ist mit vielen per Du. Wir sind ein Stück weit näher zusammengewachsen.“

Tipps für andere MieterInnen in anderen Siedlungen, die sich ebenfalls zusammenschließen möchten, haben die beiden auf jeden Fall: „Den Hintern hochzukriegen ist wichtig. Die Arbeit und Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen, entlastet den Einzelnen. Sich im Netz zu informieren, hilft sehr, dort teilen viele andere Initiativen nämlich ihr Know-how. Und wenn man dann noch den Kontakt zum Mieterverein sucht, ist man auf jeden Fall schonmal ganz gut beraten.“


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