Arbeitslosengeld II darf einem Langzeitarbeitslosen nicht allein deshalb verweigert werden, weil er sich weigert, unangemeldeten Hausbesuchen durch die ARGE zuzustimmen, die auf diese Weise feststellen will, ob er in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Das hat das Sozialgericht Lübeck geurteilt.
Paare, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, werden beim Arbeitslosengeld II ebenso wie Ehepaare als "Bedarfsgemeinschaft" behandelt. Bezieht einer der Partner ausreichend Einkommen, muss er für den Unterhalt des anderen aufkommen. Arbeitslosengeld II kann dann nicht beantragt werden.
Nach dem Gesetz wird ein "wechselseitiger Wille, füreinander zu tragen und füreinander einzustehen" dann vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen wohnen. Diese Jahresfrist ist nach dem Urteil des SG Lübeck entscheidend für die Beweislast. Besteht die Wohngemeinschaft kürzer als ein Jahr – was hier der Fall war – trage die ARGE die Beweislast dafür, dass eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe. Erst wenn die Partner länger als ein Jahr zusammen wohnen, kehrt sich die Beweislast um.
Die ARGE hatte den Beweis durch einen Hausbesuch erbringen wollen und auch in einem Formblatt darauf hingewiesen, dass Antragsteller dies zu dulden hätten, wenn Zweifel an der Hilfsbedürftigkeit bestünden. Das Amtsgericht Lübeck sah hierfür jedoch keine Rechtsgrundlage.
Da ein Hausbesuch gleich mehrere Grundrechte erheblich berühre (Unverletzlichkeit der Wohnung, Recht auf informationelle Selbstbestimmung), müsse es eine gesetzliche Grundlage für ein solches Vorgehen geben. Im Sozialgesetzbuch II sei aber keine enthalten. Zwar gibt es in § 6 einen Satz, nach dem die ARGEn "einen Außendienst zur Bekämpfung von Leistungsmussbrauch einrichten" sollen. Daraus könne man aber keine Berechtigung zu einem unangemeldeten Hausbesuch ableiten; es handele sich um eine reine "Kompetenz- bzw. Organisationsnorm" und nicht um eine "Eingriffsermächtigung".
SG Lübeck, AZ: S 27 AS 106/08 ER
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