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5. Dezember 2005 (Ohne Kategorie)

Heizkostenschock: Protestwelle gegen Energiepreise

Die Energiepreise steigen drastisch. Nach einer Analyse des Statistischen Bundesamtes werden die Deutschen 6,8 Mrd.Euro mehr für Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl ausgeben müssen als im Vorjahr. Der Deutsche Mieterbund beziffert die Mehrausgaben für Energie auf jährlich bis zu 500 Euro je Haushalt. Wer nur über ein niedriges Einkommen verfügt muss Rücklagen bilden oder frieren. Der Protest gegen die „Abzocke“ durch die Energiekonzerne wächst.

Jede Menge Kohle für die Energiemonopole

Jede Menge Kohle für die Energiemonopole

Bisher schienen die Energiekonzerne kassieren zu können, was der Markt hergibt. Die Preisbildung, aber auch die Zahlungs- und Leidensbereitschaft der VerbraucherInnen ähnelte der für Hochpreisturnschuhe und Trikots von Spitzenfußballern. Jetzt scheint die Schmerzgrenze erreicht. Der „Bund der Energieverbraucher“ schätzt die Zahl der protestierenden GasabnehmerInnen bundesweit auf mittlerweile 500.000 und auf eine Quote zwischen 2 und 4 Prozent je nach Region.
Nach Aussage der Dortmunder Energie und Wasser (DEW21), einem Gemeinschaftsunternehmen aus Dortmunder Stadtwerken und RWE, haben 4.500 KundInnen, größtenteils auf Vordrucken der Verbraucherzentrale NRW und des Mietervereins, Widerspruch gegen die Gaspreiserhöhung zum 01. Oktober 2005 eingelegt und Zahlungen unter Vorbehalt angekündigt.
Der Endversorger erhöht binnen eines Jahres den Gaspreis für Haushaltskunden um ein Drittel. Selbst wenn möglicherweise nicht alle auch tatsächlich einen Liefervertrag mit der DEW haben, ist es bei ca. 230.000 Verbrauchsstellen in Dortmund und Herdecke die größte Protestwelle, die je einen der Monopolisten im Ruhrgebiet erreicht hat.
Mehr Transparenz

Besonders die Stadtwerke sehen sich „als letztes Glied in der Kette“ zu Unrecht in der Kritik. Sie wollen den „Schwarzen Peter“ wieder los zu werden, in dem sie den Nachweis zu erbringen versuchen, dass sie lediglich die Preiserhöhungen ihres Vorlieferanten weitergegeben und dabei keine Erlössteigerungen erzielt haben. Die DEW21 sagte gegenüber Mieter- und Vermieterverbänden zu, die Entwicklung der Bezugspreise zwischen dem 1. Oktober 2004 und dem 31. Dezember 2005 durch einen vereidigten Wirtschaftsprüfer untersuchen zu lassen. Dieser testierte (erwartungemäß), dass nicht einmal der volle Erhöhungsspielraum ausgenutzt wurde. Der Aufforderung, nunmehr die Mitglieder aufzurufen, auf weitere Wiedersprüche zu verzichten, entzogen sich die Verbände aber. Der Mieterverein Dortmund hat deutlich gemacht, dass die Offenlegung der Bezugspreisentwicklung eine Offenlegung der gesamten Preiskalkulation nicht ersetzen kann. Die Verbraucherzentrale NRW stellt rein kommunalen Stadtwerken die „Absolution“ in Aussicht, wenn sie ein von ihr entwickeltes„Transparenzabkommen“ unterzeichnen. Das erste soll zum 1. Januar 2006 mit den Stadtwerken Lünen wirksam werden. Auch hier sollen die Bezugspreise gegenüber einem Wirtschaftsprüfer offengelegt werden. Ergibt auch diese Prüfung, dass nicht an einer Gaspreiserhöhung verdient wurde, verzichtet die Verbraucherzentrale auf die Empfehlung, Preiserhöhungen nicht oder nur unter Vorbehalt zu zahlen. Das Bemühen der Verbraucherzentrale entspricht dem wachsendem Bedürfnis in der Bevölkerung, die Energiepreise nachzuvollziehen. Eine Preisstabilisierung oder gar -senkung ist auch davon so schnell nicht zu erwarten. Die Stadtwerke Schwerte haben im vergangenen Jahr ihre Preiskalkulation gegenüber der Kartellbehörde NRW offen gelegt und dennoch eine Erhöhung der Gaspreise um 25 Prozent genehmigt bekommen.

Punktsiege vor Gericht

Möglicherweise sind entscheidende Schritte zur Preistransparenz erst von den anstehenden Gerichtsentscheidungen zu erwarten. Die aktuellen Einsprüche und Sammelklagen beziehen sich auf die „Billigkeit“ im § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Sinngemäß bedeutet die Vorschrift, dass eine Leistung, wenn sie durch einen Vertragspartner einseitig festgelegt wird, angemessen sein muss. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um monopolartige Strukturen handelt.
Das „billige Ermessen“ kann nach Absatz 3 auch durch ein Gericht überprüft werden. Die „Speerspitze“ des Protestes befindet sich in Ostwestfalen-Lippe und zielt auf die Eon-Westfalen-Weser. Die Bürgerinitiative „Gaspreise-runter-OWL“ hat den Regionalversorger mit einer von der Verbraucherzentrale NRW unterstützten Sammelklage aufgefordert, seine Preiskalkulation offen zu legen. Zwei Verfahren befinden sich beim „Kartellsenat“ des Dortmunder Landgerichts. Voraussichtlicher Verhandlungstermin: 6. April 2006. Das Verfahren der Eon Hanse vor dem Landgericht Hamburg hat die Mauertaktik der Versorgungskonzerne ins Wanken gebracht. Seitdem kündigen immer weitere die Offenlegung ihrer Kalkulation an, wenn auch in einem Umfang, der die KritikerInnen nicht überzeugt.

Der Rückhalt für den Protest wächst auch bei den staatlichen Stellen. Noch vergleichen die Kartellbehörden lediglich die Energiepreise in einer Region miteinander. Nur die „Preisführer“ müssen mit einem Missbrauchsverfahren rechnen. Das Bundeskartellamt in Bonn hat bereits die langen Laufzeiten der Lieferverträge ins Visier genommen. Die DEW21 hat sich z.B. für die Dauer von 20 Jahren an ihren Vorlieferanten gebunden. Diese Bindungen will die Behörde verbieten und damit einen Markt herstellen. Aber auch hier sind Preissenkungen nicht zwingend. Die Stadtwerke Lünen wiederum haben sich die Möglichkeit erstritten, 20 Prozent ihres Gasbedarfs auf dem freien Markt einzukaufen, haben aber aktuell keinen günstigeren Lieferanten gefunden. Das könnte auch anderen Endversorgern so gehen. Die oft entscheidende Hürde für Wettbewerb sind die so genannten Netznutzungsentgelte. Die Bundesnetzagentur in Bonn prüft vor dem Hindergrund einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Angemessenheit der Durchleitungsgebühren für die Stromnetze. Hier sind partiell Preissenkungen möglich und von einzelnen Stromlieferanten auch angekündigt. Um das Verfahren auf den Gasmarkt übertragen zu können, müssen die lokalen Versorger die Bereiche „Handel“ und „Netzbetrieb“ trennen. Diese Aufspaltung schreibt eine europäische Richtlinie bis spätestens Juli 2007 vor.


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