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14. März 2006 (Ohne Kategorie)

Ratgeber: Wohnen mit Hartz IV

Wer heute länger als ein Jahr arbeitslos ist, bekommt keine Arbeitslosenhilfe mehr, die sich in der Höhe am letzten Einkommen orientiert hat, sondern das sogenannte „Arbeitslosengeld II“ - im Volksmund Hartz IV genannt. Für die meisten ist das erheblich weniger als das Arbeitslosengeld I, weshalb erhebliche finanzielle Einbußen die Folge sind. Das betrifft auch die Wohnung. Dieser Ratgeber will erklären, welche Regeln gelten und was man als Langzeitarbeitsloser tun kann.

Die Rechtslage

Das Arbeitslosengeld II besteht vor allem aus

- dem Regelsatz,

- den „Kosten der Unterkunft“ (KdU) - z. B. der Miete.

Die KdU werden nach dem Gesetz in voller Höhe übernommen, „soweit sie angemessen sind“. Was „angemessen“ ist, bestimmen die Kommunen. Diese haben dazu in der Regel eigene Richtlinien erlassen, die gleich oder ähnlich den Richtlinien sind, die früher auch schon für Sozialhilfe-Empfänger/innen gegolten haben.

Für die Kaltmiete gilt die sogenannte „Produkttheorie“: Angemessene Größe multipliziert mit dem angemessenen Quadratmeterpreis ergibt die angemessene Miete. Das heißt: Ist die Wohnung deutlich kleiner als erlaubt, kann der Quadratmeterpreis duchaus auch höher sein und umgekehrt.

Für die Wohnungsgröße gelten in den meisten Städten Grenzen, die gleich oder ähnlich denen sind, die auch für den Sozialen Wohnungsbau gelten:

- 45 qm für 1 Person,

- 60 qm für 2 Personen,

- 75 qm für 3 Personen,

- 90 qm für 4 Personen,

- und so weiter (je Person 15 qm mehr).

Der angemessene Quadratmeterpreis wird meist anhand des unteren Drittels des örtlichen Mietspiegels bestimmt. Das heißt in der Regel:

- älteres Baujahr,

- normale Wohnlage,

- einfache Ausstattung.

Die Heizkosten und die kalten Betriebskosten (Wasser, Müllabfuhr etc.) müssen zusätzlich übernommen werden (auch Nachzahlungen aus der Jahresabrechnung), aber ebenfalls nur, „soweit sie angemessen sind“. Das heißt aber nicht, dass die Behörde mit Pauschalen arbeiten und jede Zahlung verweigern darf, die diese Pauschalen überschreitet. Denn auf die Höhe der meisten Betriebskosten hat der Mieter gar keinen Einfluss. Nur dem, der beispielsweise nachweislich „zum Fenster heraus heizt“, darf die Zahlung gekürzt werden.

Bestehen Sie deshalb grundsätzlich darauf, das Heiz- und Betriebskosten in voller Höhe übernommen werden und legen Sie im Zweifelsfall Widerspruch ein!

Vorsicht: Ist Ihre Wohnung deutlich größer als „angemessen“, die Miete aber unterhalb der Obergrenzen, z. B. weil es sich um einen billigen Altbau handelt, kann die Behörde trotzdem die Nebenkosten als „unangemessen“ bezeichnen, weil diese ja auch oft nach Quadratmetern umgelegt werden.

Zu teuer?

Wer „unangemessen“ teuer wohnt, wird von der Behörde aufgefordert, die Kosten der Unterkunft zu senken. Dazu hat man nach dem Gesetz „in der Regel“ ein halbes Jahr Zeit und drei Möglichkeiten:

- durch Umzug,

- durch Untervermietung,

- auf sonstige Weise.

Wer nach Ablauf der Frist immer noch unangemessene KdU hat, muss damit rechnen, dass die Behörde die Zahlung kürzt. Übernommen wird dann nur noch der „angemessene“ Teil der KdU. Voraussetzung für die Kürzung ist aber, dass es Ihnen möglich uns zumutbar war, die Kosten der Unterkunft zu senken.

Was heißt möglich?

Die Senkung der KdU ist Ihnen nicht möglich, wenn

- Ihre Wohnung zu klein oder zu ungünstig geschnitten für eine Untervermietung ist;

- Sie trotz eifriger Suche keine billigere Wohnung finden können; (Die Suche müssen Sie dokumentieren, z. B. indem Sie alle in Frage kommenden Angebote aus der Zeitung ausschneiden und notieren, warum Sie die Wohnung nicht bekommen haben!.);

- Ihr Vermieter auch nicht bereit ist, mit der Miete herunter zu gehen.

Was heißt zumutbar?

Die Senkung der KdU ist ihnen nicht zumutbar, wenn Sie individuelle Härtegründe geltend machen können, aus denen Sie nicht umziehen können, etwa

- Krankheit,

- Behinderung,

- enger nachbarschaftlicher Kontakte, die beispielsweise der Betreuung Ihrer Kinder dient.

Leistungskürzung

Die Behörde kann niemanden zum Umzug zwingen. Sie kann sich aber - nach Ablauf der Frist - weigern, den unangemessenen Teil der KdU zu zahlen, egal ob das ein Teil der Kaltmiete oder der Heiz- oder Betriebskosten ist. Hierbei gibt es aber meist Toleranzgrenzen: Wenn ein Umzug teurer wird als durch die billigere Miete überhaupt eingespart werden kann, sehen die Behörden meist von einer Senkungsaufforderung ab. Wenn allerdings die Zahlung gekürzt wird, dann natürlich nicht nur auf die „Toleranzgrenze“, sondern auf die Mietobergrenze.

Bei den Heiz- und Betriebskosten gibt es manchmal Schwierigkeiten, wenn die Jahresabrechnung kommt: Wird eine hohe Nachzahlung fällig, hält die Behörde das oft für unangemessen. Hier muss man hart bleiben und auf Zahlung bestehen, denn es gilt das sogenannte „Zuflussprinzip“: Wird eine Nachzahlung fällig, muss die Behörde sie übernehmen, auch dann, wenn man im Abrechnungszeitraum noch gar kein Arbeitslosengeld II bezogen hat. Umgekehrt steht der Behörde aber auch eine eventuelle Rückzahlung zu, auch wenn man die monatlichen Abschläge, über die da abgerechnet wird, noch aus Arbeitslosengeld I gezahlt hat.

Wenn nach einer Abrechnung die monatlichen Abschläge erhöht werden, weil eine Nachzahlung fällig war, muss die Behörde diese ebenfalls übernehmen. Sollte sie sich mit dem Verweis auf „Unangemessenheit“ weigern, hilft wiederum nur der Widerspruch.

Auswege

Wenn man seine Kosten der Unterkunft senken muss, gibt es dazu - außer dem Umzug - mehrere Möglichkeiten:

Untervermietung:

Wenn die Wohnung groß genug ist, kann man ein Zimmer untervermieten. Der Vermieter muss dazu unbedingt um Erlaubnis gefragt werden. Diese muss er zwar im vorliegenden Fall erteilen, aber ohne die formale Erlaubnis riskiert man eine fristlose Kündigung! (Siehe Ratgber „Untermiete“.)

Mietsenkung:

Der Vermieter kann freiwillig mit der Miete heruntergehen. Was so hypothetisch klingt, kann durchaus gelingen, wenn der Wohnungsmarkt am Ort so entspannt ist, dass es bereits Leerstände gibt, und die eigene Wohnung nicht grade zu den gefragten gehört (klein, ohne Balkon) - und wenn man selbst immer ein „vertragstreuer Mieter“ war!

„Sponsoring“:

Hat man jemand im Bekannten-/ Verwandtenkreis, der einerseits nicht unterhaltspflichtig ist, andererseits aber bereit ist, zu helfen, kann man einen „zweckgebundenen Zuschauss“ zur Miete vereinbaren. Viele Kommunen werten das jedoch als Einkommen und kürzen den Regelsatz entsprechend. Dann gibt es nur die Möglichkeit, dass der „Sponsor“ direkt an den Vermieter zahlt und der - siehe oben -die Miete senkt.

Ersparnisse:

Als Arbeitslosengeld II-Empfänger/in darf man Ersparnisse in Höhe von 200 € pro Lebensjahr haben und behalten. Diese kann man natürlich zur Deckung der Mietdifferenz verwenden.

Nebeneinkünfte:

Wer legale Nebeneinkünfte hat - beispielsweise aus geringfügiger Beschäftigung - besser bekannt als „1-Euro-Job“ -, kann daraus die Mietdifferenz decken, soweit sie nicht zur Deckung von „Mehrbedarf“ benötigt werden.

Regelsatz:

Schließlich kann man auch versuchen, den Differenzbetrag aus dem Regelsatz zu begleichen. Dem sind aber - angesichts der Höhe des Regelsatzes - Grenzen gesetzt. Wenn die Differenz nicht nur ein paar Euro beträgt, wird die Behörde vermuten, dass man Nebeneinkünfte verschweigt. Wer beispielsweise als allein Stehender um 100 Euro zu hohe KdU hat, wird kaum glaubhaft machen können, das aus dem Regelsatz zu decken und von nur 245 Euro monatlich zu leben.

Wenn nur der Umzug bleibt ...

... muss die neue Miete natürlich innerhalb der Angemessenheitsgrenzen liegen. Wichtig ist, die Behörde noch vor Unterschrift des neuen Mietvertrages zu fragen, ob die Miete für diese konkrete Wohnung übernommen wird.

Die Umzugskosten müssen in „bescheidenem Rahmen“ bleiben. Das heißt, dass man den Umzug grundsätzlich „in Eigenregie“ organisieren muss. Man darf also nicht einfach ein professionelles Umzugsunternehmen engagieren.

Andererseits darf die Behörde Sie auch nicht einfach mit irgendwelchen Pauschalen abspeisen, sondern muss die tatsächlichen Umzugskosten übernehmen. Dazu gehören:

- Miete für LKW,

- evtl. Fahrer (wenn man niemanden kennt, der das kann),

- Umzugskartons,

- Verpflegung für Helfer,

- evtl. Helfer (wenn man niemanden kennt, der es umsonst macht),

- evtl. Elektriker (Starkstromherd) und Klempner (Frischwasserleitungen),

- evtl. Schreiner (Einbauküche),

- Wohnungsbeschaffungskosten (Zeitungen, Inserate),

- doppelte Mietzahlung (wenn unvermeidbar).

Grundsätzlich gilt: Alles, was Sie irgendwie selbst erledigen können, müssen Sie auch selbst erledigen. Unvermeidbare Kosten aber muss die Behörde übernehmen. Tipp: Sprechen Sie vorher mit der Behörde, wenn bei Ihnen absehbar hohe Umzugskosten anfallen. Eventuell lohnt der Umzug dann gar nicht.

Wenn Sie selbst umziehen wollen ...

... muss die Behörde die Umzugskosten nur zahlen, wenn der Umzug notwendig ist - beispielsweise, weil die bisherige Wohnung zu klein (geworden) ist, schwere Mängel hat, unzumutbar ist (Beispiel: kein Bad), vom Vermieter gekündigt wurde, ein Paar sich getrennt hat oder Pflegebedürftigkeit eintritt.

Natürlich muss dann auch die neue Miete innerhalb der Angemessenheitsgrenzen liegen. Sie kann aber höher sein als die Miete in der bisherigen Wohnung. Solange die Miete unterhalb der Angemessenheitsgrenzen liegt, muss sie übernommen werden, auch dann, wenn der Umzug nicht notwendig war. Denn das Recht auf freie Wahl der Wohnung steht grundsätzlich auch Langzeitarbeitslosen zu - solange die Miete angemessen ist.

Vor einem Umzug sollten Sie mit der Behörde sprechen, um sicherzustellen, dass die Miete in der neuen Wohnung angemessen ist und übernommen wird. Soll die Behörde auch die Umzugskosten übernehmen, muss man begründen, warum der Umzug notwendig ist. Wenn man den Umzug selbst bezahlen kann und will, darf die Behörde ihre Zustimmung nur verweigern, wenn die neue Miete unangemessen ist.

Widersprüche

Es ist zu erwarten, dass die Behörden in vielen Fällen die Übernahme von allen möglichen Kosten verweigern wird. Hier hilft nur eines: Hartnäckig bleiben, sein Recht einfordern, bei nachteiligen Entscheidungen Widerspruch einlegen! Leider haben Widersprüche keine aufschiebende Wirkung. Wenn sonst schwere Nachteile drohen (beispielsweise Schulden oder gar Wohnungsverlust), muss man also parallel zum Widerspruch gleich zum zuständigen Sozialgericht gehen und dort einstweiligen Rechtschutz beantragen.

In vielen Fällen sind die Schreiben der Behörden mit der Aufforderung, die Unterkunftskosten zu senken, so abgefasst, dass sie keinen „Verwaltungsakt“ darstellen. Deshalb kann man dagegen keine Rechtsmittel einlegen. Also gibt es nur zwei Möglichkeiten der Gegenwehr:

Abwarten, bis die tatsächliche Zahlungskürzung kommt, dann sofort Widerspruch einlegen und einstweilige Anordnung beim Gericht beantragen.
Selber auf weitere Übernahme der Unterkunftskosten in der bisherigen Höhe klagen - und das Gericht von den Argumenten überzeugen, die die Behörde nicht gelten lassen wollte. Häufig ist das einfacher.

Wir hoffen, dass die Informationen in diesem Ratgeber für Sie von Nutzen sind. Bedenken Sie aber, dass auch eine noch so große Fülle an allgemeinen Informationen niemals die persönliche Beratung ersetzen kann. Fälle unterscheiden sich in Details, Gerichte urteilen verschieden ...

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Stand: März 2006


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