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26. Januar 2010 (Land NRW)

NRW-Wohnungsvermögen darf verzockt werden

Seit dem 1. Januar haftet das frühere Wohnungsbauvermögen vollständig für Geschäfte der NRW.Bank - Nach heftigen Auseinandersetzungen im Landtag und trotz breiter Kritik aus zahlreichen Fachverbänden wurde zum 1.1.2010 das 18,5 Mrd. Euro umfassende Wohnungsbauvermögen des Landes NRW als Stammkapital auf die NRW.Bank übertragen. Das Wohnungsbauvermögen, welches sich aus den Zinsen und Tilgungen der öffentlichen Wohnungsbaukredite speist, war die Hauptquelle für die soziale Wohnraumförderung in NRW. Landtags-Opposition und viele Verbände befürchten jetzt, dass diese verlässliche Quelle für die dringend erforderliche Wohnraumförderung auf Dauer versiegen könnte.

Bis vor etwa 10 Jahren stammten die Mittel für die der Wohnraumförderung in NRW vor allem aus vier Quellen: Mittel aus dem Bundeshaushalt, Mittel aus dem Landeshaushalt, Mittel aus der Ausgleichsabgabe etwas einkommensstärkerer Haushalte und Mittel aus rückfließenden Krediten, die im Wohnungsbausondervermögen gebündelt wurden. Dann blieb frisches Geld vom Staat zunehmend aus. Seit 2004 tragen Mittel aus dem Landeshaushalt überhaupt nicht mehr zur Finanzierung der Wohnraumförderung bei. Nach Abschaffung der Ausgleichsabgabe ist seit 2007 auch diese Quelle für die Finanzierung komplett versiegt. Die Bundesfinanzhilfen wurden mit der Föderalismusreform in Kompensationszahlungen umgewandelt, die seit 2004 zu etwa 8 bis 9 % zur Finanzierung beitragen.

Die gewachsene Rolle des Wohnraumsondervermögens
Im Ergebnis wurde die Wohnraumförderung in den letzten Jahren zu über 90 % aus den Mitteln des Wohnungsbausondervermögens getragen. Die Ausgaben aus diesem Vermögen schwankten in den letzten Jahren zwischen 740 Mio. € (2004) bzw. 761 Mio. € (2008) und 921 Mio. € (2010). Die gesamte Fördersumme betrug 2009 950 Mio. € und 2010 beläuft sie sich auf 1 Mrd. €.

Das frühere Wohnungsbausondervermögen stellte vor seiner Abschaffung die wichtigste und einzig verlässliche Quelle für die Finanzierung der sozialen Wohnraumförderung der Zukunft dar. Es ermöglichte eine kontinuierliche Finanzierung von Maßnahmen der sozialen Wohnraumförderung , unabhängig von der jeweiligen Haushaltslage des Landes. Geschaffen wurde es bereits 1958, um rückfließende Mittel (Zinsen und Tilgung) aus der Wohnraumförderung zweckgebunden zu bündeln. Es handelt sich also um Gelder, die aus den Mietzahlungen der Mieter und den Abzahlungen der Hauseigentümer stammen, nicht aus aktuellen Steuermitteln.

Die Zweckbindung blieb auch nach der Integration der Wfa zunächst in die WestLB, später in die NRW.BANK, bestehen. Allerdings geriet das gesonderte Wohnungsbauvermögen mit diesen Integrationen bereits unter politischen und finanzwirtschaftlichen Druck. Das Landeswohnungsbauvermögen belief sich 2009 auf rund 18,5 Mrd. Euro.

Die Vollintegration des Wohnungsbausondervermögens in die NRW.Bank
Am 2.12.09 hat der Landtag nach heftigen Auseinandersetzungen und mehreren Anhörungen das "Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen, zur Steigerung der Fördermöglichkeiten der NRW.Bank und zur Änderung anderer Gesetze" mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen. Damit wurden das Wohnungsbauvermögen und die dazugehörige Wohnungsbaufördernanstalt (WfA) zum 1.1.2010 vollständig in die NRW.BANK integriert.

Die seit 1958 bestehende Zweckbindung des Wohnungsbauvermögens wurde aufgehoben. Das Vermögen der Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen wurde Stammkapital der NRW.BANK.
Durch eine Änderung des Gesetzes über die NRW.BANK wurde ein "Beirat für Wohnraumförderung" bei der NRW.BANK gebildet. In einem komplizierten Abstimmungs- und Beteiligungsverfahren muss in Zukunft jährlich neu zwischen Landesregierung und Bankvorstand sowie der Gewährträgerversammlung der NRW.BANK über die finanzielle Ausstattung, Programminhalte und Fördervoraussetzungen verhandelt werden. Über die Programminhalte und Fördervoraussetzungen muss Einvernehmen mit dem Vorstand der NRW.BANK hergestellt werden, soweit dies Auswirkungen auf die Risikosteuerung und das Risikomanagement der Bank hat.

Hauptbegründung der Landesregierung für diesen Schritt war die Stärkung der Eigenkapitalbasis der NRW.Bank. Denn aufgrund der Zweckbindung wurden von den rund 18,5 Mrd. Euro lediglich gut 4 Mrd. Euro durch die BaFin als haftendes Eigenkapital der NRW.Bank anerkannt. Durch die Erhöhung des haftenden Kapitals kann die Bank ihre Geschäfte nun ausweiten, was angeblich auch der Wohnraumförderung zu Gute kommt. Außerdem wird der Landeshaushalt durch Übertragung von Tilgungsverpflichtungen gegenüber dem Bund auf die NRW.BANK etwas entlastet.

Die Vollintegration stieß auf die vehemente Ablehnung der Opposition und der meisten Fachverbände, darunter die kommunalen Spitzenverbände, der Bund freier Wohnungsunternehmen, der Deutsche Mieterbund, der DGB und große kommunale Wohnungsunternehmen. Befürchtet wurde vor allem:
- Die Wohnraumförderung verliere ihre Sonderrolle und müsse in Zukunft mit vielen anderen Förderbereichen der NRW.BANK um Mittel konkurrieren. Auch wenn zur Zeit eine Kontinuität der Förderhöhe politisch zugesagt werde, sei fraglich was geschehe, wenn sich in Zukunft die Konkurrenzkämpfe verschärften. "Angesichts langfristiger Planungs- und Realisierungsphasen benötigt der Wohnungsbau verlässliche und langfristig kalkulierbare Rahmenbedingungen auch in der Förderung. In dieser Situation wäre es fatal, wenn der Finanzrahmen für die Wohnraumförderung jährlich mit ungewissem Ausgang erneut auf den Prüfstand käme." (Städtetag NRW)
- Nach §6 Abs.3 des Gesetzes ist für Entscheidungen, die risikorelevant sind, ein Einvernehmen zwischen dem Bankvorstand und der Politik erforderlich. Dazu der Städtetag: "Da die Risikobewertung von Förderdarlehen im Wohnungsbau nicht alleine von der Bonität der Investoren, sondern ganz wesentlich auch von der Rentabilität und absehbaren langfristigen Wertentwicklungen der Immobilie abhängt, könnte der Einfluss des NRW.BANK-Vorstands erhebliche Auswirkungen auf die künftige Förderpolitik in Städten mit stagnierender oder schrumpfender Bevölkerungsentwicklung haben."
- Es sei nicht sichergestellt, dass die alleinige Entscheidungskompetenz über die regionale Schwerpunktsetzung der Förderung und die regionale Mittelverteilung bei dem für das Wohnungswesen zuständigen Ministerium liege, meinte auch der Landesrechnungshof. Förderschwerpunkte würden ohne unmittelbare parlamentarische Beteiligung abgestimmt. Trotz Einrichtung eines Förderausschusses obliege die endgültige Entscheidung nach dem Bankrecht letztendlich der Bank.
- Der Landesrechnungshof warnte: Vor Integration der WfA standen einer Bilanzsumme der NRW.BANK von nominal 159,8 Milliarden € derivative Geschäfte in Höhe von 197,9 Milliarden € gegenüber, zu denen auch eine unbekannte Anzahl strukturierter Finanzpapiere gehören, die bekanntlich eine Hauptrolle bei der Entwicklung der Finanzkrise spielen. Es bestehe die Gefahr, dass das WfA-Kapital in Zukunft dazu dienen müsse, derartige Kapitalmarktgeschäfte in größerem Umfang umzusetzen. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass das bisherige Landeswohnungsbauvermögen durch Verluste der Bank gemindert oder auch aufgezehrt werde.
- Nach Auffassung des Landesrechnungshofs ermöglicht die Integration des WfA-Kapitals eine Ausweitung der Tätigkeit des Landes "in einem Nebenhaushalt ohne umfassende parlamentarische Kontrolle". Es sei nicht gewährleistet, dass der Landtag als Haushaltsgesetzgeber über den Gesamtumfang des Bilanzvolumens und des Volumens der Kapitalmarktgeschäfte unterrichtet werde. "An die Stelle des umfassenden Prüfrechts, den der Landesrechnungshof bei der Wfa bisher hatte, soll künftig das eingeschränkte Prüfrecht der NRW.BANK treten. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit diesem Prüfrecht ist jedoch davon auszugehen, dass dem Landesrechnungshof insoweit de facto keine Rolle mehr zukäme."
- Durch die Umwandlung des Wohnungsbauvermögens in haftendes Kapital der NRW.BAnk kommt es zu einer gravierenden Verschiebung bei den Beteiligungsverhältnisse zu Lasten der Landschaftsverbände und damit zu einem nur noch geringen Einfluss der kommunalen Interessen.

Die schwarz-gelbe Koalition blieb trotz der Kritik und der Proteste bei ihrem Vorhaben. Auch der Forderung etlicher Verbände, eine Mindestförderung zwischen 800 Mio. von 1 Mrd. € im Gesetz festzuschreiben, wurde nicht gefolgt. Es gibt lediglich das politische Versprechen der Regierungs-Parteien, eine solche Fördersumme auch in Zukunft zu gewährleisten.

Möglichkeiten zur Korrektur?
Wenn es gilt, die negativen Konsequenzen und Risiken für die soziale Wohnraumförderung in NRW zu begrenzen oder zu beenden, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: entweder die „Rückabwicklung“ mit Schaffung eines neuen Wohnungsbausondervermögens. Oder man setzt eine Risikominimierung und Sicherung der Zuflüsse aus dem und für den sozialen Wohnraum innerhalb der NRW.Bank-Strukturen um.

Im Sinne der ersten Alternative könnte das Sondervermögen erneut in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden. Vorteil wäre, dass das Sondervermögen nicht als Teil des Eigenkapitels für die übrigen Geschäfte der NRW.Bank mithaften würde. Die Förderung würde nicht von den ökonomischen Zwängen der Bank mitbestimmt. Die Konkurrenz mit anderen Förderaufgaben der NRW.Bank würde entfallen. Die Zweckbindung würde wieder hergestellt. Der „Primat der Politik“ könnte ohne Konflikt und komplizierte Regelungen im Verhältnis zum Bankenvorstand wieder hergestellt werden bzw. auch neu ausgestaltet werden. Es ließen sich auch Mitbestimmungsrechte z.B. von Kommunen oder der Mieterseite einführen. Auch die Mieten eventuell belastende starre Zinsregelung, die aufgrund der Bank-Integration erforderlich wurden, könnten wieder aufgehoben werden. Von Zinserhöhungen könnte dann je nach Marktplage durch Beschluss der Landesregierung wieder abgesehen werden.

Nach bereits vollzogenen Integration in die NRW-Bank ist eine solche Lösung – die ausdrücklich von der Linken gefordert wird - allerdings wahrscheinlich bloße Utopie. Wer ersetzt dann das der Bank entzogene Stammkapital? Aber auch die Alternative – eine Absicherung des Vermögens innerhalb der Bank – ist schwer vorstellbar. Denn auch in diesem Fall würde der NRW.Bank Haftungskapital entzogen.

Schwarz-Gelb hat das in Jahrzehnten aus Miet- und Kreditzahlungen des sozialen Wohnungsbaus geschaffene öffentliche Vermögen möglicher Weise unwiederbringlich der Logik der Banken unterworfen. Weitere 18,5 Mrd. Euro, die eigentliche den Bürgern und den Mietern gehören, stehen für unkontrollierbare Geschäfte auf den internationalen Finanzmärkten bereit. Kann man jetzt nur noch hoffen und beten, dass sich die NRW.Bank nicht als weiteres Fass ohne Boden entpuppt und das bislang halbwegs vor dem Finanzmarkt geschützte Sozialvermögen innerhalb weniger Jahre verzockt?


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