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15. August 2013 (Aus den Städten, Sonstige Unternehmen)

Solidarisches Syndikat

Ein Haus, in dem man selbstbestimmt wohnen kann, das dem freien Wohnungsmarkt dauerhaft entzogen wird, das von einer Haus-GmbH erworben wird, die den Wohnraum sozial verträglich vermietet. Was nach einer verrückten Idee klingt, praktiziert das Freiburger Mietshäusersyndikat seit 20 Jahren. Mehr als 70 Wohnprojekte konnten bisher erfolgreich umgesetzt werden.

Am Anfang steht die Idee. Eine Gruppe von Menschen möchte gemeinsam eine Immobilie erwerben und diese autonom verwalten. Pläne und Engagement sind vorhanden, das Kapital fehlt hingegen in der Regel. Also initiiert die Gruppe einen Hausverein, dessen Mitglieder alle Entscheidungen rund um die Immobilie treffen. In einem zweiten Schritt wird eine GmbH gegründet, die genau zwei Gesellschafter hat: den Hausverein und das Mietshäusersyndikat. Beide Organe teilen sich das Stammkapital der GmbH – in der Regel 25.000 Euro – wobei der Hausverein 12.600 Euro einbringt, das Mietshäusersyndikat 12.400 Euro.

Solidarisch …

„Auch wenn das Mietshäusersyndikat bei jedem Projekt als Gesellschafter auftritt, sind die jeweiligen Hausprojekte fast völlig autonom in ihren Entscheidungen“, erklärt Regina Maier, die seit den 1980er-Jahren im Mietshäusersyndikat und dessen Vorläufern engagiert ist. „Das Syndikat hat nur Stimmrecht in den Grundsatzfragen. So ist eine Reprivatisierung des Projekts ebenso ausgeschlossen, wie ein Ausstieg aus dem Solidartransfer-Modell. Der Solidartransfer ist ein zentrales Mittel im Verbund der einzelnen GmbHs. Er regelt, dass bereits etablierte Projekte durch laufende Zahlungen neue Projekte unterstützen. Nur so funktioniert letztendlich das ganze System. Das Kapital aus den Solidarbeiträgen dient der Beratung neuer Initiativen als Stammkapital und teilweise als Anschubfinanzierung einzelner Projekte. Sehr langfristig gesehen ist es ein Pool zur direkten Projektfinanzierung.“

… und sozial …

 

Da mit 25.000 Euro Stammkapital selten große Sprünge gemacht werden können und die Hausvereine in der Regel nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen, müssen entsprechende Mittel akquiriert werden. Auf das klassische Darlehen bei einer Bank kann kaum ein Projekt verzichten. Um den Mietpreis durch teure Kredite nicht unnötig in die Höhe zu treiben, kann eine Initiative auf sogenannte Direktkredite zurückgreifen. Dabei kommt das Geld direkt von Einzelpersonen. Kreditgeber und Kreditnehmer handeln Zinssatz und Darlehensdauer aus, wobei der Zinssatz mit 0 bis 3% sehr niedrig gehalten wird. Trotzdem eine attraktive Geldanlage für Menschen, die nicht ausschließlich nach monetärer Rendite schauen. Sie fördern ökologisch-nachhaltige, soziale und sinnvolle Projekte. „Wie bei anderen Geldanlagen auch, trägt der Kreditgeber allerdings ein gewisses Risiko“, sagt Regina Maier. „Wir können nicht ausschließen, dass ein Projekt in Insolvenz geht und der Kreditgeber auf den Schulden sitzen bleibt.“

Über 70 sehr unterschiedliche Hausprojekte konnten mit Unterstützung des Mietshäusersyndikats verwirklicht werden. Dabei reicht die Spanne vom Einfamilienhaus für sechs Personen bis zur ehemaligen Kaserne mit Wohnraum für 285 Menschen.

„Wir sind grundsätzlich offen, das Netzwerk weiter wachsen zu lassen“, sagt
Regina Maier. „Pro Jahr stoßen etwa zehn bis zwölf neue Projekte zu uns“. So entsteht ein bundesweiter Unternehmensverbund, dessen Bindeglied das Syndikat ist. „Wir stehen dabei den Initiativen beratend zur Seite und stellen die Kontakte zu anderen Projekten in der Nähe her. Natürlich lässt sich nicht alles per Telefon und Mail aus Freiburg klären. Außerdem ist der persönliche und kurzfristige Kontakt zwischen den Initiativen ein wichtiger Aspekt, damit das Solidarmodell funktioniert.“

Die Arbeit des Mietshäusersyndikats wird größtenteils durch Ehrenamtliche geleistet. „Wir haben eine bezahlte Stelle im Verwaltungsbereich, alles Weitere, speziell die Beratung vor Ort wird von vielen engagierten Menschen ehrenamtlich geleistet. Das sind bundesweit bestimmt 50 Personen. Aber auch das gehört zum Solidargedanken.“

… in Dortmund

Die Keimzelle des wahrscheinlich ersten Mietshäusersyndikat-Projekts im Ruhrgebiet befindet sich in Dortmund. „Buntes Wohnen“ heißt der frisch gegründete Verein, dessen Mitglieder sich für eine selbstbestimmte Form des Wohnens entschlossen haben. „Die Gruppe besteht aus etwa 30 Menschen, die sehr unterschiedliche Lebensentwürfe haben“, sagt Vorstandsmitglied Uwe Holtappel. Der 32-jährige Lehrer ist zuversichtlich, dass sich zeitnah eine Immobilie finden wird, in der sich die Träume der Vereinsmitglieder erfüllen werden. „Momentan schauen wir sehr aktiv nach Objekten. Leider haben sich die bisherigen Wunschstandorte, wie das alte Gut Brünninghausen, nicht realisieren lassen. Aber wir stehen im engen Kontakt mit dem Quartiersmanagement im Unionviertel, und sogar das Amt für Wohnungswesen steht einem Syndikatsprojekt in Dortmund sehr positiv gegenüber.“ Trotzdem wissen die Vereinsmitglieder um die Herausforderungen eines solchen Projekts. „So viele unterschiedliche Interessen, Meinungen und Menschen unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer einfach. Das fängt bei der Terminsuche für regelmäßige Treffen an und endet bei den individuellen Vorstellungen, wie genau die Immobilie sein sollte, wo sie liegt und wie man unsere Ideen dort umsetzen kann.“ Dem relativ entspannten Wohnungsmarkt im Revier steht die zunehmende Verwahrlosung ganzer Siedlungen durch Aufkäufe großer, am Finanzmarkt agierender Investoren gegenüber. Das Mietshäusersyndikat bietet ein Instrument, um gefährdeten Wohnraum aus den Händen solcher Investoren zu befreien, ihn dauerhaft vom Markt zu nehmen und eine langfristige soziale Perspektive zu bieten. Ein erstes Projekt im Dortmunder Stadtgebiet wäre ein wünschenswerter Anfang.

Mirko Kussin / report.age


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