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21. März 2018 (Aus den Städten)

Flüsse-Siedlung der VBW: Sozialwohnungen vor Abriss?

Bochum ist nicht gerade ein teures Pflaster, aber wirklich preiswerte Wohnungen sind auch hier Mangelware. Besonders schlecht steht es um den Bestand an Sozialwohnungen: Nur noch 7 % des Wohnungsbestandes sind öffentlich gefördert, während gleichzeitig fast 50 % der Bevölkerung einzugsberechtigt wären. Auch das ehrgeizige Ziel, pro Jahr 200 Sozialwohnungen neu zu bauen, wird daran nichts ändern, da gleichzeitig 180 jährlich aus der Bindung fallen. Ausgerechnet die städtische VBW will nun auch noch 35 Wohnungen an der Weserstraße abreißen, die noch bis 2074 sozial gebunden sind.

Als Irene Lehmann vor noch nicht einmal zwei Jahren in die Seniorenwohnanlage an der Weserstraße 7a-d zog, da sollte das eigentlich ihre letzte Wohnung werden. „Da war ich 64“, sagt sie, „die Wohnung seniorengerecht und die Miete von 4,71 € pro qm passte zu meiner kleinen Rente.“ Deshalb hat sie sich den Umzug damals auch etwas kosten lassen. Über 12.000 € hat sie für Renovierung, Anpassung von Möbeln, Gardinen und Lampen ausgegeben. Und eigentlich wäre sie heute noch mit ihrer Wohnsituation völlig zufrieden. Die Lage ist ruhig, die Umgebung grün. Aber es soll anders kommen.

Die Siedlung, in der alle Straßen nach westdeutschen Flüssen heißen, wird seit einigen Jahren von der VBW umfassend modernisiert und aufgewertet. Ausgerechnet die Seniorenwohnanlage an der Weserstraße erscheint dem kommunalen Unternehmen aber unrentabel. Die Wohnungen wären nach heutigen Maßstäben nicht altengerecht, und auch nach einer Modernisierung wären sie nicht barrierearm. Fazit: Sie sollen abgerissen werden.

Nun darf man aber öffentlich geförderten Wohnraum nicht ohne weiteres abreißen. Anders als bei freifinanziertem Wohnraum gilt nämlich hier automatisch und auch ohne Ortssatzung ein Zweckentfremdungsverbot. Voraussetzung für eine Abrissgenehmigung ist ein berechtigtes Interesse des Eigentümers und die Schaffung von ebenfalls gefördertem Ersatzwohnraum auf dem Grundstück, wie die Stadtverwaltung auf Nachfrage bestätigt. Natürlich muss auch eine angemessene Unterbringung der Mieter sichergestellt sein.

Viele Mieter sind aus der Wohnanlage inzwischen – nicht ganz freiwillig – ausgezogen. Manche zahlen jetzt zwei Straßen weiter 150 € mehr Miete als zuvor. Irene Lehman kann sich das nicht leisten. Deshalb hat sie das Angebot der VBW, ihren Umzug zu organisieren und zu bezahlen und eine neue Wohnung komplett zu renovieren einschließlich Bodenbelag, bisher nicht angenommen. Eine vergleichbare Neubauwohnung in der Nachbarschaft, so die VBW gegenüber dieser Zeitung, würde nur 70 Cent nettokalt mehr kosten – bei erheblich niedrigeren Heizkosten. Der Mieterin reicht das nicht: „Ich habe vor noch nichtmal zwei Jahren einen unbefristeten Mietvertrag bekommen. Wer ersetzt mir die Kosten meines Umzugs hierher?“

Für die VBW ist der Kostenersatz eine „überzogene Forderung“. Dennoch setzt sie auf Verhandlungen. Das scheint auch ratsam, denn eine Kündigung nebst Räumungsklage hält York Redeker, Irene Lehmanns Rechtsberater beim Mieterverein, für aussichtslos: „Das müsste ja eine Kündigung wegen Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung werden. Und das bei öffentlich gefördertem Wohnraum? Das macht kein Gericht mit.“


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