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21. März 2018 (Bundespolitik)

Neue Bundesregierung steht

Zum vierten Mal seit 1966 wird Deutschland von einer großen Koalition regiert werden. So klein wie diesmal war sie aber noch nie. Gerade noch auf 53,4 % der Stimmen kamen CDU/CSU und SPD im September letzten Jahres. Jetzt haben sich die drei Wahlverlierer zusammengerauft und Angela Merkel zum vierten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt. Was das für die Wohnungspolitik der nächsten vier Jahre bedeutet, erfahren Sie hier.

Bauminister werden nicht alt. Der frühere DMB-Direktor Helmut Schlich rühmte sich bei seinem Abschied 1995, in seiner 36-jährigen Amtszeit zehn Bundesbauminister überlebt zu haben, und das Personenkarussel dreht sich seither kaum langsamer. Barbara Hendricks, SPD, hat es immerhin eine ganze Legislaturperiode lang geschafft, außer für Umwelt und Reaktorsicherheit auch für den Wohnungsbau zuständig zu sein. Jetzt wird man sich wieder an eine neue Person gewöhnen müssen, denn das Bauressort wandert ins Innenministerium. Dort sitzt seit März kein Unbekannter: Horst Seehofer, CSU, der damit der 23. Bauminister der Bundesrepublik Deutschland wird. 

Und wenn es nach dem Willen der neuen alten Koalition geht, wird er auch etwas zu tun bekommen. Zwar ist der Wohnungsbau seit der Föderalismusreform eigentlich allein Ländersache, aber das will Schwarz-Rot wieder ändern. Denn die Kompensationszahlungen der Bundesregierung an die Länder, die die frühere Wohnraumförderung ersetzen, sollen über 2019 hinaus fortgesetzt werden. Dafür will die GroKo sogar das Grundgesetz ändern, wofür sie Leihstimmen von Grünen und Linken braucht. Insgesamt 2 Mrd. € sollen 2020 und 2021 für den Sozialen Wohnungsbau zweckgebunden an die Länder gezahlt werden. Das ist zwar weniger als derzeit, aber besser als nichts.

Doch der Soziale Wohnungsbau ist nicht das Einzige, was die GroKo fördern will. Neben Sonderabschreibungen von 5 Prozent über vier Jahre im freifinanzierten Mietwohnungsbau soll mit dem geplanten Baukindergeld die vor 15 Jahren abgeschaffte Unsitte, die Eigentumsbildung zu fördern, wieder aufleben. 1.200 € pro Kind und das 10 Jahre lang soll bekommen, wer Wohneigentum bildet, und zwar auch dann, wenn gar nicht neu gebaut, sondern eine vorhandenen Immobilie gekauft wird. Durch die „Wohnungsbauoffensive“ sollen in der kommenden Legislaturperiode 1,5 Mio. neue Wohnungen entstehen. Das ist immerhin in der Größenordnung, die auch der Deutsche Mieterbund für notwendig hält.

Steuerreform

Wer Wohnungen bauen will, braucht dafür Bauland. Da dies vielerorts bereits Mangelware ist, hat sich die Koalition etwas einfallen lassen:

- Es soll eine Enquete-Kommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ eingesetzt werden.

- Der Bund soll den Kommunen Grundstücke zu vergünstigten Konditionen für den Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen.

- Eine neue Grundsteuer C soll es unattraktiver machen, baureife Grundstücke unbebaut zu lassen.

Zusätzlich soll für Familien ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer geprüft werden. Wie schon beim Baukindergeld soll aber auch hier nicht differenziert werden, ob auf dem Grundstück neu gebaut wird oder ob da bereits eine Immobilie steht. Unterm Strich läuft beides darauf hinaus, dass der Staat Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nebst Einzelprivatisierung fördert.

Den in der Immobilienwirtschaft beliebten „Share-Deals“ hingegen soll endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Mit diesem Trick schaffen es große Immobilienfirmen bisher, ganze Konkurrenzfirmen mit tausenden Wohnungen aufzukaufen, ohne dafür auch nur einen Cent Grunderwerbsteuer zu zahlen: Sie erwerben nicht 100, sondern nur 95 % der Aktien. Nach geltendem Recht wird bei so einem „Anteilskauf“ keine Grunderwerbsteuer fällig.

Gemeinwohl

Von einer Wiederbelebung der Wohnungsgemeinnützigkeit, die in der letzten Legislaturperiode von Grünen und Linken gefordert worden war, ist die GroKo natürlich meilenweit entfernt. Aber immerhin findet sich folgende Passage im Koalitionsvertrag: „Wir wollen das Engagement von Genossenschaften, kommunalen und kirchlichen Wohnungsunternehmen, nicht gewinnorientierten Initiativen und Stiftungen für den Neubau und eine sozialverträgliche Sanierung im Sinne einer Gemeinwohlorientierung unterstützen. Wir wollen dazu gezielt langfristige Finanzierungen und Bürgschaften über 20 Jahre durch die KfW zur Verfügung stellen. Mit Beratung, weiteren innovativen Finanzierungsmodellen und einem Austausch guter Beispiele wollen wir auch Neugründungen in diesem Feld unterstützen.“

Mietrecht

Eine Sackgasse war in der letzten Legislaturperiode die weitere Reform des Mietrechts. SPD und CDU/CSU konnten sich nicht einigen. Der fertige Entwurf des damaligen Justizministers Heiko Maas, SPD, verschwand in der Schublade. Jetzt soll es einen neuen Anlauf geben:
Die nicht funktionierende Mietpreisbremse soll dadurch verschärft werden, dass der Vermieter verpflichtet wird, einem neuen Mieter generell anzuzeigen, wie viel der Vormieter gezahlt hat. Außerdem soll statt einer „qualifizierten“ künftig eine „einfache“ Rüge des Mieters ausreichen. An den vielen Ausnahmeregelungen und den fehlenden Sanktionsmöglichkeiten ändert sich aber nichts.
Nach Modernisierungen dürfen die Kosten in Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf künftig nicht mehr zu 11, sondern nur noch zu 8 Prozent auf die Jahresmiete umgelegt werden. Weiterhin dürfen Mieterhöhungen bei Modernisierungen bundesweit 6 Jahre lang nicht mehr als 3 € pro qm betragen können. Da die Hypothekenzinsen für Baukredite derzeit oft unter 2 Prozent liegen, bleibt modernisierenden Vermietern dennoch eine ordentliche Rendite.

Dafür soll aber das gezielte Herausmodernisieren von Mietern eine Ordnungswidrigkeit werden, die Schadensersatzansprüche des Mieters auslöst – auch wenn schwer vorstellbar ist, wie dieser Tatbestand festgestellt werden soll. Für kleinere Modernisierungsmaßnahmen (bis 10.000 €) soll das Mieterhöhungsverfahren vereinfacht werden, wenn ein Instandhaltungsanteil von 30 % pauschal berücksichtigt wird.

Die Anforderungen an sogenannte qualifizierte Mietspiegel sollen gesetzlich geregelt werden und der Mietspiegel dann 3 statt 2 Jahre gelten. Ob bei der Datenerhebung zum Mietspiegel ein längerer Zeitraum als die letzten 4 Jahre zu berücksichtigen ist, soll geprüft werden. Das hat allerdings schon einmal zu nichts geführt.

Enttäuschend

Mieterforum Ruhr reagierte enttäuscht auf die Beschlüsse. „Die Marginalien zur Begrenzung des Mietenanstiegs werden bei uns im Ruhrgebiet ohne Auswirkung bleiben“, kommentiert Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund. „Die aktuelle Landesregierung in NRW will ja sogar die bereits bestehenden Verordnungen für Gebiete mit erhöhtem Wohnbedarf abschaffen. Und von einer Wiederherstellung des durch BGH-Rechtsprechung ausgehölten Kündigungsschutzes ist gar keine Rede.“ Auch sein Kollege Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum ist skeptisch: „Die Immobilienwirtschaft läuft bereits Sturm gegen die Abschaffung der Share-Deals. Ob die Groko der geballten Lobby gegenüber tatsächlich standhaft bleibt, steht genauso in den Sternen wie die Frage, ob sie eine verfassungsgemäße Regelung zur weiteren Förderung des Sozialen Wohnungsbaus tatsächlich hinbekommt.


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