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25. Mai 2020 (Aus den Städten)

Wohnungslos in Zeiten von Corona: Wenn man nicht zu Hause bleiben kann

„Halten Sie Abstand“ und „Bleiben Sie zu Hause“ – diese Mahnungen werden wohl alle, die die Ausnahmesituation erleben, so schnell nicht vergessen. Und wenn man nicht zu Hause bleiben kann, weil man kein Zuhause hat? Für Wohnungslose ist die Corona-Krise besonders hart.

Von einem Tag auf den anderen war fast alles dicht. Als die Stadt Dortmund Mitte März Ansammlungen und öffentlichen Veranstaltungen absagte und Schulen, Kitas, Museen, Parks und städtische Einrichtungen schloss, waren davon auch Einrichtungen betroffen, die Wohnungslose nutzen. Der „Brückentreff“, das Haus Wichern mit seiner Suppenküche, das Café Berta und mehrere Tafeln mussten schließen. Das Gast-Haus musste seine Angebote einschränken und gibt Frühstück nun in Lunchpaketen aus. Die Suppenküche Kana hielt noch zwei Wochen mit einer Fensterausgabe durch, Ende März schloss auch sie, vorerst zumindest.

Wer keine Wohnung hat, den trifft die Corona-Pandemie besonders hart, und gleich mehrfach: Wohnungslose sind anfälliger für Erkrankungen und haben oft ein schwächeres Immunsystem. Zu Hause bleiben kann man aber nur, wenn man eine Wohnung hat. Mindestens 1.400 Menschen, so die aktuelle Landesstatistik aus 2018, sind in Dortmund wohnungslos. Nach einer Untersuchung der FH Dortmund leben mindestens 600 Menschen ohne eigene Wohnung oder ungeschützt auf der Straße. Für sie brach mit dem Lockdown fast alles weg: Suppenküchen und Tagesaufenthalte, Kleiderkammern, sogar die meisten Duschen waren plötzlich buchstäblich hinter verschlossenen Türen. Gleichzeitig war Betteln oder Pfandsammeln schlicht nicht mehr möglich – wie auch, wenn niemand in der Innenstadt ist, der einen Euro in den Becher wirft oder eine Flasche stehen lässt. Auch das Bochum-Dortmunder Straßenmagazin bodo musste seinen Straßenverkauf im März einstellen.

Temporäre Lösungen

Einrichtungen wie das Gast-Haus und die Kana Suppenküche hatten früh Alarm geschlagen und vor dem Zusammenbruch der Versorgungsangebote für Wohnungslose und arme Menschen gewarnt. Doch erst nach zähen Verhandlungen mit der Stadt wurden Schritt für Schritt Lösungen umgesetzt. Mittlerweile stemmen vor allem ehrenamtliche Strukturen die Versorgung mit Lebensmitteln; in der Innenstadt ist unter dem Dach des Paritätischen und in Zusammenarbeit mit der Stadt ein temporäres Hygienezentrum entstanden, in dem Wohnungslose duschen können. Wie lange die Notfallpläne laufen werden ist ungewiss.

Unterbringung als Risikofaktor

Nicht nur das Leben auf der Straße ist gerade ein Risikofaktor, sondern auch die Unterkünfte: Mehrbettzimmer sind die Regel, Privatsphäre kaum herstellbar. In Hamburg zum Beispiel mussten 300 Wohnungslose in Quarantäne, nachdem ein Mensch in der Unterkunft sich mit Covid-19 infiziert hatte. Auch in vielen Unterkünften für Geflüchtete, die ohnehin häufig schon sehr eng belegt sind, infizierten sich bundesweit immer wieder Untergebrachte mit dem Virus. Die meisten Länder halten aber am Konzept der Massenunterbringung fest.

„Die Corona-Krise bedeutet für wohnungslose Menschen eine dramatische Verschlechterung ihrer ohnehin bereits prekären Lebenslage“, kritisiert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und hat ein Paket mit Sofortmaßnahmen aufgestellt, um Wohnungslose in der Pandemie zu schützen. Sie fordert ausreichend Schutzmaßnahmen und -material, unter anderem die Öffnung von Notunterkünften rund um die Uhr, niedrigere Belegungszahlen und auch die Aussetzung von Zwangsräumungen, um zu verhindern, dass Wohnungslosigkeit, gerade während der Krise, überhaupt erst entsteht.

In einigen Kommunen wurde schnell gehandelt – in Essen und Köln zum Beispiel wurden Wohnungslose kurzfristig in Hotelzimmern untergebracht. In Dortmund betont die Stadt, ausreichende Kapazitäten in Unterkünften und im sogenannten Wohnraumvorhalteprogramm – einem Pool von mehreren 100 Notwohnungen – zu haben. Die Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten für einzelne BewohnerInnen sei in den beiden Unterkünften für wohnungslose Männer und Frauen nicht vorgesehen – denn es handele sich um ordnungsrechtliche Notunterkünfte und nicht um Wohneinrichtungen. Die Corona-Pandemie wird noch lange präsent sein – es bleibt zu befürchten, dass die Schwächsten weitgehend schutzlos sind.


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