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14. September 2023 (Bundespolitik)

Enteignung von Wohnungsgesellschaften: Berliner Volksentscheid nimmt nächste Hürde

Der 26. September 2021 war sicherlich einer der überraschendsten Tage in der Berliner Nachkriegsgeschichte. Mehr als 1 Million Berliner:innen stimmten beim Volksentscheid dafür, die „Deutsche Wohnen“ und alle anderen privaten Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu enteignen. 59,1 % war eine satte Mehrheit, mit der niemand in der Berliner Landespolitik gerechnet hatte. Eine unangenehme Überraschung für die meisten, denn außer Grünen und Linken war keine Partei für die Enteignung. Die Versuche, den erklärten Volkswillen doch noch zu vereiteln, erhielten im Juni allerdings einen heftigen Dämpfer.

Dabei haben sich die politischen Rahmenbedingungen für die Gegner einer Enteignung seit dem Volksentscheid deutlich verbessert. Denn nach dem Grundgesetz ist eine Enteignung nur auf der Grundlage eine Gesetzes möglich, das auch die Höhe der Entschädigung regelt. Kleinere Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit nach Artikel 14 Grundgesetz sind in Deutschland gang und gäbe – zum Beispiel immer dann, wenn ein:e hartnäckige:r Eigentümer:in sein:ihr Grundstück partout nicht verkaufen will, das z. B. auf der Trasse einer Autobahn liegt. Eine „Vergesellschaftung“ nach Artikel 15 Grundgesetz, um die es hier geht, ist in der Bundesrepublik Deutschland bisher ohne Beispiel. Für sie muss eine gesetzliche Grundlage erst geschaffen werden.

Im März 2022 wurde in Berlin eine Expertenkommission eingesetzt, die prüfen sollte, ob so ein Gesetz überhaupt rechtlich möglich ist. Fast gleichzeitig änderte sich die Berliner Farbenlehre. 2021 hatte die zeitgleich mit dem Volksentscheid stattfindende Landtagswahl eine rot-rot-grüne Mehrheit an die Regierung gebracht, in der wenigstens zwei der drei Koalitionspartner für eine Enteignung waren und den Volksentscheid unterstützt hatten. Die SPD unter der neuen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey war allerdings schon damals dagegen.

Allerdings gab es reichlich Pannen bei der Wahl, sodass sie am 12. Februar 2022 wiederholt werden musste. Diesmal wurde die CDU stärkste Partei, und Giffey und ihre SPD entschieden sich für eine Koalition mit Wahlsieger Kai Wegner, obwohl Giffey dadurch ihr Amt verlor und obwohl einer Fortsetzung von Rot-Rot-Grün möglich gewesen wäre. Vielleicht einer der Gründe dafür: Nun sitzen zwei Parteien in der Regierung, die ein Enteignungsgesetz ablehnen.

Beschließen müssen sie es trotzdem: Am 28. Juni 2023 legte die Expertenkommission ihren Abschlussbericht vor. Das Ergebnis ließ die Enteignungs-Initiative jubeln: Die Vergesellschaftung sei rechtssicher, verhältnismäßig (also geeignet und angemessen, um den Mietenwahnsinn in Berlin zu beenden) und sogar erforderlich, weil kein besseres Mittel zur Verfügung stehe, um die Mieten zu senken. Die Ausnahmen für Genossenschaften und landeseigene Wohnungen bestätigten die Expert:innen als rechtens, ebenso die Schwelle von 3.000 Wohnungen bei den zu vergesellschaftenden Wohnungskonzernen.

Die Trickserei der Enteignungs-Gegner:innen ist damit allerdings noch nicht am Ende. Obwohl die Kommission den rechtlichen Rahmen für ein Vergesellschaftungsgesetz in ihrem Abschlussbericht genau niedergeschrieben hat, will Kai Wegner nun erst einmal ein Rahmengesetz verabschieden, das dann zwei Jahre nicht in Kraft treten soll, weil seine CDU gegen ihr eigenes Gesetz klagen will.


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