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14. September 2023 (Bundespolitik)

Sozialwohnungen im Sinkflug

Das war schon ein fast bizarres Bild an jenem 12. Oktober des letzten Jahres im Garten des Bundeskanzleramtes: Kanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz auf grünem Rasen bei strahlend schönem Wetter. Sie stellten den Maßnahmenkatalog des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum vor. Immer wieder betonten sie, dass die Bundesregierung an ihrem Ziel, jährlich 400.000 Wohnungen neu zu bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen, festhalte. „Das muss ausdrücklich gesagt werden!“ Dabei war zu diesem Zeitpunkt allen, die auch nur ein bisschen Ahnung von der Branche haben, längst klar, dass dieses Ziel auf absehbare Zeit unerreichbar sein und bleiben wird.

Heute ist es amtlich: Auch 2022 wurde das Ziel deutlich verfehlt. Gerade mal 295.000 Wohnungen wurden in Deutschland neu errichtet. Im Sozialwohnungsbereich gab es 22.545 Förderzusagen – die Zahl der Wohnungen, die dann tatsächlich gebaut werden, liegt meistens noch darunter. Im gleichen Zeitraum fielen allerdings 36.500 Sozialwohnungen aus der Bindung, sodass die Gesamtzahl der preisgebundenen Wohnungen weiter sank. Jetzt sind es nur noch 1,09 Millionen.

Dauerproblem

So geht das seit Jahrzehnten. Vor 15 Jahren waren es noch über 2 Millionen Wohnungen, deren Mieten dank staatlicher Förderung für Geringverdiener erschwinglich waren; in der alten Bundesrepublik gab es mehr als 4 Millionen davon. Zum Vergleich: Vom Einkommen her anspruchsberechtigt, eine Sozialwohnung zu beziehen, sind in Deutschland über 11 Millionen Menschen.

Das Bild fällt in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich aus. Während es in Hamburg und Hessen leichte Zuwächse gab, sank in NRW die Zahl der Sozialwohnungen um 7.270 auf 435.025. Nur 3.631 wurden neu gebaut, 853 weniger als im Jahr davor. Und angesichts von Personalmangel im Baugewerbe, hoher Material- und Grundstückskosten und nun auch noch steigender Zinsen ist keine Besserung in Sicht.

Die wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag warf der Bundesregierung komplettes Versagen vor und forderte jährlich mindestens 20 Milliarden Euro für den Sozialen Wohnungsbau. Die IG Bau schloss sich dem an und forderte zudem die Schaffung eines Sondervermögens in höhe von 50 Milliarden Euro für die Wohnungsbauförderung. Doch auch dies würde an dem Grundproblem, dass geförderte Wohnungen immer nur 15, 20 oder 30 Jahre sozialgebunden sind, nichts ändern.

Sonder-AfA soll‘s retten

Inzwischen hat offensichtlich auch die Bauministerin eingesehen, dass die Wohnungsbauziele mit den bisherigen Mitteln nicht zu erreichen sind. Deshalb plant sie eine zwischenzeitliche Erhöhung der Afa (Abschreibung für Abnutzung). Sie betrug viele Jahrzehnte lang 2 % der Baukosten und wurde bereits vor ein paar Jahren auf 3 % erhöht. Nun sollen es 6 % werden. Dafür hat Geywitz auch bereits das OK von Finanzminster Christian Lindner, der das Vorhaben in den Entwurf seines Wachstumschancengesetzes aufgenommen hat.

Die Bauwirtschaft hört solches gern, denn sie spart dadurch massiv Steuern. Bliebe es bei einem derart hohen Abschreibungssatz, wären Baukosten bereits in weniger als 17 Jahren komplett abgeschrieben. Ein weiterer Nachteil: Abschreibung ist Geldverteilen nach dem Gießkannenprinzip ohne jede Möglichkeit der politischen Steuerung. Sie bekommt jeder, der Wohnungen baut, egal wo, egal welche, egal wie teuer und egal wie hoch hinterher die Miete. Und einen Deckel, der bestimmt, wann der Fördertopf leer ist, gibt es auch nicht.


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